Gelegentlich träume ich. In letzter Zeit sogar recht häufig, denn es ist Januar. Es ist Januar in Deutschland und das sagt schon alles, denn alles ist grau.
Ich träume dann, ich esse veganen Käse, der tatsächlich nach Käse schmeckt und Trump wurde nie geboren. Hilfe, was macht Donald in meinem Traum? Es gibt da übrigens so eine nette Kondomwerbung, die unseren Lieblingsamerikaner gefangen in Latex… So viel Elend hätte verhindert werden können. Aber ich schweife ab.
Ich träume, ich lese Kant und verstehe ihn und im Iran lassen sie Blumen auf Botschaften regnen. Ach, ginge mit der Abschaffung der Luxussteuer auf Menstruationsprodukte doch keine Preiserhöhung einher und würden geflüchtete Kinder doch tatsächlich von überfüllten Inseln gerettet und nicht bloß an Weihnachten. In meinem Traum muss sowieso kein Mensch flüchten – davon mal abgesehen. Ich träume, man könnte dieses wunderbar nostalgische Spätsommergefühl konservieren und bei Bedarf immer wieder abrufen und kein Journalist säße irgendwo hinter Gittern.
Ich träume von der wahrhaftigen Durchsetzung der Klimaziele anstelle einer Anti-Plastik-Symbolpolitik und der Planet träumt mit mir. Ich träume von einer pünktlichen Deutschen Bahn und von meiner Oma, die auf einem Biohof mit freilaufenden Hühnern Elektro-Roller fährt. Ups, dafür entschuldigen Tom Buhrow und ich uns aufrichtig. Die Datei wird sofort aus der Traum-Mediathek gelöscht.
Ich träume von einem Bib-Platz nach 10 Uhr morgens während der Klausurenphase und von deutschen Universitäten, die nach Frauen benannt sind.
Wieso regiert denn eigentlich das Geld und nicht die Liebe? Oder Faultiere? Faultiere an die Macht. Und überhaupt: Warum müssen die Koalas den ganzen Kladderadatsch ausbaden? Die haben ja nun wirklich nichts falschgemacht.
Gelegentlich träume ich, wir würden alle weniger träumen und mehr ändern. Mehr so Indikativ statt Konjunktiv. Mehr so Frieden statt Krieg. Mehr Umarmungen und mehr Schokolade. Das wird man ja wohl noch träumen dürfen.
von Nele Karsten
Nele Karsten studiert Politikwissenschaft und Psychologie. Für den ruprecht schreibt sie seit 2019 über aktuelle Phänomene wie den Klimawandel und deren Auswirkungen. In ihren Glossen zeigt sie sich gesellschaftskritisch und geht dabei gern bis an die zynisch-sarkastische Schmerzgrenze.