Nicht anerkannt, fremd im eigenen Land. Kein Ausländer und doch ein Fremder.“ Mit solchen Zeilen veränderte die Heidelberger Gruppe Advanced Chemistry den deutschen Hip-Hop der 90er Jahre. Sie waren nicht nur die ersten, die sich trauten, auf Deutsch zu rappen. Ihre Texte befassen sich mit politischen Themen wie Fremdenfeindlichkeit und prägen damit Generationen von Musikern aus allen Gesellschaftsschichten.
Davon möchte das Heidelberger Hip-Hop-Archiv zukünftig erzählen. Die Planungen für seine Errichtung laufen bereits seit 2011, als der Vorschlag im Jugendgemeinderat einstimmig beschlossen wurde. Am 29. November 2019 unterschrieb Torch den Vertrag mit dem Archiv und besiegelte damit die Aufnahme seines Erbes ins „kulturelle Gedächtnis“ der Stadt.
Im Mai 2019 gab es schon eine Ausstellung zum 25-jährigen Jubiläum des Labels „360° Records“. Die dabei ausgestellten Stücke wie Platten, T-Shirts und Plakate sind bereits im Archiv und werden dort digitalisiert und erfasst.
Dieser Prozess der Archivierung der Heidelberger Hip-Hop Geschichte wird von dem Sprachwissenschaftler Bryan Vit begleitet. Während seines Studiums in Bern hat er Torch und Toni-L zu einer Ringvorlesung eingeladen und lernte sie so persönlich kennen. Vit promoviert zu Hip-Hop, leitet das Kolloquium „Lets Talk About Hip Hop“ und berät zusammen mit Andreas Margara von der Popakademie Mannheim im Projekt „Hip-Hop-Archiv“. Er sieht sich als Vermittler zwischen Universität, Kulturamt, Stadtarchiv und Hip-HopKultur, da er sowohl die Sprache des Hip-Hops wie auch der Wissenschaft spricht.
Eine Datenbank mit Quellen ist in Arbeit, die es ermöglichen soll, die Geschichte des Ursprungs deutschen Hip-Hops mithilfe der Zeitzeugen aus Heidelberg zu erforschen. Torch selbst schreibt bereits an einem Buch zu diesem Thema. Am 30. Januar übergibt Torch den Rest seiner Sammlung ans Stadtarchiv und legt den Grundstein für ein Studium deutscher Hip-Hop-Geschichte. Wo diese erlebbar werden soll, ist jedoch noch unklar.
Die Forschungsergebnisse sollen zusammen mit den Archivalien in einem eigenen Museum präsentiert werden. Dieses Museum ist aber nicht nur für die Vergangenheit da, es soll diese auch mit der Gegenwart verbinden. Zum Beispiel mit praktischen Übungen für Jugendliche, kulturellen Angeboten und akademischen Seminaren an einem eigenen Lehrstuhl. „Das Wichtigste an Hip-Hop ist, dass es weitergemacht wird. Deshalb darf es kein verstaubtes, totes Archiv sein. Es muss lebendig sein“, meint Bryan Vit.
Von Manuel Kraiss
Manuel Kraiss studiert Economics. Er schreibt seit Herbst 2019 für den ruprecht - vor allem über Geschehnisse rund um Heidelberg und die Universität.