Pro
Ja, das mit den Dialekten ist so ne Sache. Die gelten gemeinsam mit Mario Barth und penibler Bürokratie zu den unangenehmsten Begleiterscheinungen des heutigen Deutsch-Seins. Dabei zeigen gerade diese bunten Sprachoasen, wie vielfältig unsere Kultur eigentlich ist!
Wir alle kennen sie, diese SchulkameradInnen, die nach dem Abitur irgendwo in die deutschen „Metropolen“ abgehauen sind und uns jedes Jahr zu Weihnachten die Ohren vollheulen, wie scheußlich es doch hier in der Heimat sei – natürlich in fürchterlich gekünsteltem Hochdeutsch. Wenn man sich über etwas lustig machen kann, dann über das klar akzentuierte „dAs“ und „isT“ dieser Pseudo-Intellektuellen, die versuchen, ihre Mittelmäßigkeit mit akkurater Sprache zu kaschieren – „Ja rutsch mer doch de Buggel nuff, du Seggel!“, würde mein Opa mit schwäbischer Nachdrücklichkeit anmerken.
Vor allem wenn’s drum geht, negativen Gefühlen freien Lauf zu lassen, sind unsere Dialekte eine absolute Goldgrube. Meine Mutter zum Beispiel bezeichnet Männer, die nicht wissen, was sie wollen, gerne sehr treffend als „Deigdräder“ (dt: Teigtreter). Für viele Dialektwörter gibt es außerdem gar keine würdigen Äquivalente. Mein Favorit: triebeln (schwaches Verb), auf Hochdeutsch ineffizient übersetzt mit „in die Pedale treten“.
Und wer spricht denn überhaupt unser umständliches Schriftdeutsch? Selbst meine Verwandten aus Mönchengladbach, die sich stets über meine süddeutsche Sprachmelodie belustigt hatten, reagierten, als ich auf ihren eigenen Dialekt hinwies, entgeistert mit: „Ja welschen denn?“
Da habt ihr’s. Abschließend möchte ich aber noch eines klarstellen: Bei aller Liebe zu euren Dialekten, es heißt Knödel, nicht Klöße und ganz sicher nicht Klopse.
Von Cosima Macco
Contra
Dialekte – man hasst sie oder man spricht sie. Wer sie spricht, ist ihnen dermaßen verfallen, dass niemand diese nur im Ansatz kritisieren darf. Die Frage ist jedoch: Wieso könnte überhaupt irgendjemand dieser Sprachverunstaltung angetan sein?
Denn abgesehen davon, dass man als Normalsprechender kaum ein Wort dieser Absurditäten versteht, muss man sich auch noch konstant zurückhalten, den bemitleidenswerten Sprechenden nicht laut ins Gesicht zu lachen, wenn sie voller Stolz ihre fehlende Grundbildung präsentieren. Gerade dann, wenn man seit frühester Kindheit mit dem Wunder des reinen Sprechens gesegnet ist.
Noch dazu werden durch die Unverständlichkeit der Dialekte diejenigen ausgegrenzt, die sich ihr Hochdeutsch noch bewahrt haben – eine solche Ungerechtigkeit ist in der heutigen Zeit doch undenkbar.
Und dann noch die ganzen Gefahren, die von den dialektbedingten Missverständnissen ausgehen. Man bedenke, welche Katastrophe unbekannten Ausmaßes sich ereignen könnte, wenn man versucht, ein Auto anzuheben, statt es anzuhalten.
Nun ein ganz persönliches Problem: Dialekte sind unfassbar unsexy. Denn nichts bringt Leidenschaft schneller zum Erkalten als ein „Jo, du siehst jo heid moi wieda richtig guad aus.“ Dann lieber eine saubere Aussprache und real existierende Wörter, um richtig für Stimmung zu sorgen. Verständliche Kommunikation ist ja auch im Bett wünschenswert.
Ganz zu schweigen von dem dauernden Versuch, fehlende Wort- und Grammatikkenntnisse durch regionale Sprachbesonderheiten zu rechtfertigen. Da kann noch so viel diskutiert und der Lokalpatriotismus in die höchsten Höhen gelobt werden, aber „einzigste“ ist und bleibt kein Wort, sondern eine Schandtat.
Von Marie Stark