Studierendenvertretungen wie der Studierendenrat brauchen Kontakt zu den Studierenden an ihrer Hochschule. Um über ihre Arbeit zu informieren. Um zu mehr Wahlbeteiligung aufzurufen. Schlicht, um ihrer demokratischen Funktion nachzukommen. Über Mailverteiler der Hochschulen könnten Studierendenvertretungen alle Studierenden erreichen, doch häufig gibt es hier Einschränkungen. Im Rahmen des Rechercheprojekts „Warum wählst du?“ des Recherchezentrums CORRECTIV haben sich Studierendenmedien aus ganz Deutschland zusammengetan, um die Situation an mehreren Hochschulen zu untersuchen. Das Ergebnis: Studierendenvertretungen haben oft keinen oder nur einen sehr begrenzten Zugriff auf die Mailverteiler der Hochschule. So auch in Heidelberg.
„Wir können nur bedingt E-Mails versenden“, erzählt Leon Köpfle, Vorsitzender der Verfassten Studierendenschaft (VS) Heidelberg. „Als wir 2019 einen Wahlaufruf für die StuRa-Wahl über die Verteiler der Universität verschicken wollten, wurde dieser stellenweise gekürzt. So sei beispielsweise ein Hinweis zur Podiumsdiskussion von Vertretern der Hochschulgruppen zusammen mit dem ruprecht entfernt worden.
Heidelberg ist mit diesem eingeschränkten Zugriff nicht allein: Auch an der Universität Duisburg-Essen hat die VS keinen direkten Zugriff auf die Mailverteiler der Hochschule. Das hat das studentische Medium akduell im Rahmen der gemeinsamen Recherche herausgefunden.
„Wir sind der Meinung, dass wir Zugang zu dem Verteiler haben dürfen, weil wir unsere Mitglieder über anstehende Ereignisse wie Wahlen informieren müssen. Oder um einen Newsletter über die Arbeit des StuRa zu verschicken“, meint Köpfle.
Die Universität sieht das anders: „Für die Nutzung des Mailverteilers an alle Studierenden der Universität Heidelberg gab und gibt es eine Fülle von Anfragen“, so die stellvertretende Pressesprecherin der Universität Heidelberg, Ute Müller-Detert. „Es kann nicht im Interesse der Universität sein, dass die Studierenden mit E-Mails unterschiedlichster Anliegen geflutet werden.“ Deshalb werde der Verteiler der Universität – mit wenigen Ausnahmen – ausschließlich für die studienbezogenen Belange der Universität Heidelberg genutzt. Vor allem im Datenschutz sieht man in der Universitätsleitung ein Problem: Sollte der Mailverteiler für weitere Belange genutzt werden, bedürfe das einer ausdrücklichen Zustimmung der Studierenden. Die VS habe in der Vergangenheit mehrfach allgemeine Aufrufe zur StuRa-Wahl über den universitären Mailverteiler verschickt. Die Prüfung eines Mailversands erfolge im Rektorat. Eine Änderung von Inhalten sei damit allerdings nicht verbunden.
Aktuell stehen Vertreter der Verfassten Studierendenschaft und die Universitätsleitung Heidelberg im Dialog hinsichtlich der Frage, ob es der VS künftig möglich sein soll, einen eigenen Newsletter zu versenden. Dabei sollen vor allem datenschutzrechtliche als auch andere grundlegende Fragen, wie die Verantwortlichkeit für die Inhalte, geklärt werden.
Von Eduard Ebert und Stefanie Weber
Stefanie Weber studiert Übersetzungswissenschaft und schreibt seit SoSe 2018 für den ruprecht. Dabei berichtet sie am liebsten über die brisante hochschulpolitische Landschaft in Heidelberg. Seit WS 19/20 leitet sie das Ressort Hochschule.
Liebe Leser,
als Heidelberger Studi und somit Mitglied der Verfassten Studierendenschaft unterstütze ich die Aussage von dem Vorsitzenden der VS. Man bekommt einfach viel zu wenig mit von dem, was im StuRa und den restlichen Gremien der VS so passiert. Zumindest bei zentralen Events wie der jährlichen Wahl sollte es der VS ermöglicht werden, alle ihre Mitglieder über den E-Mail-Verteiler der Universität zu kontaktieren und dadurch auf die Wahl und Informationsangebote wie den Studiomaten hinweisen können. Gegen einen Newsletter pro Semester hätte ich auch nichts. Dieser sollte dann allerdings auch relevante Informationen beinhalten und frei von ideologischen Positionen der Hochschulgruppen sein. Zusätzlich sollte er in einem veröffentlichungswürdigen Format versendet werden, am besten auch mit einer englischen Übersetzung für die internationalen Kommilitonen. Ich würde mich allerdings – zumindest zum aktuellen Zeitpunkt – gegen weitere Mails der VS an die Studierenden aussprechen, weil es dann wirklich überhand nehmen würde.
Die Position der Universität finde ich in dieser Angelegenheit einfach nur erbärmlich. Die Universitätsverwaltung kann ja gerne sagen, dass sie das Versenden solcher Mails einfach nicht möchte (aber das traut sie sich vermutlich nicht, weil es moralisch auch sehr fragwürdig wäre, einer Organisation, in der die Studierenden zwangsweise Mitglied sind, die Kontaktierung dieser zu verweigern). Stattdessen aber einfach Gründe vorzuschieben, die weder Hand noch Fuß haben, ist für eine Universität traurig.
Das Argument, dass die Studis dann ungewollt von Mails geflutet werden, ist sofort hinfällig, wenn man sich mal anschaut, wie viele Mails man ungewollt von der Univerwaltung bekommt. Ich lasse da mal alle studienbezogenen und von dezentralen Einrichtungen wie Institut und Fakultät versendeten Mails raus. Mich haben im letzten Jahr Mails vom Akademischen Auslandsamt der Uni erreicht, weil dies nach Zimmern zur Zwischenmiete für internationale Studis sowie für den Sommersprachkurs sucht. Ebenso haben mit ungewollt Mails vom Carrer Service zu Jobmessen und Berufsperspektivenevents erreicht. Außerdem Mails von der Zentralen Studienberatung mit Einladungen zu Veranstaltungen zum Thema „Spurwechsel – Alternativen bei Studienzweifeln“. Es kamen auch Jobangebote der Uni über diesen Verteiler. Mein persönliches Highlight war die Mail der Abteilung Kommunikation und Marketing, welche dazu aufgerufen hat, eine Petition zur Hochschulfinanzierung zu unterzeichnen. Liebe Universitätsverwaltung, diese Mails sind noch weniger studienbezogen als Mails mit einem Wahlaufruf der Studserendenvertretung. Sie fluten mein Postfach ebenso ungewollt. Dies ist also kein Argument, wenn überhaupt, dann ein sehr schlechtes. Von den behaupteten wenigen Ausnahmen, scheint es sehr viele zu geben, warum dann nicht auch bei den wenigen Mails der VS?
Ebenso lächerlich finde ich es, Datenschutz als Grund vorzuschieben. Vermutlich hat die Universitätsleitung nicht verstanden, was Datenschutz ist. Ich stimme ihr total zu, dass Datenschutz ein hohes und wichtiges gut ist, welches es zu schützen gilt (auch wenn man fast täglich an der Uni erleben kann, dass Leute sich keine Gedanken um Datenschutz machen, zum Beispiel beim Herumgeben einer Unterschriftenliste zur Überprüfung der Anwesenheit mit allen Namen und Unterschriften der Vorlesungsteilnehmer oder dem Aushang von Prüfungsergebnissen mit Name, Matrikelnummer und Note). Allerdings sehe ich nicht, wo es bei dem Versenden von Emails über einen Emailverteiler der Universität zu Problemen mit dem Datenschutz kommt, wenn man sie nicht künstlich erschafft. Aus technischer Sicht sollte das hinsichtlich des Datenschutzes jetzt schon einwandfrei funktionieren. Der Absender schickt eine Mail an die Emailadresse des Verteilers. Dabei werden keinerlei personenbezogene Daten (bis auf ggf. vom Absender selbst preisgegebene Daten) verarbeitet. Anschließend moderiert die Universitätsverwaltung diese Mail, leitet sie also durch oder blockiert sie. Dabei sehe ich auch keine Datenschutzprobleme. Und zu guter Letzt kommt die Mail bei den Studis im Postfach an, welche aber die Emailadressen und Namen der anderen Empfänger nicht sehen können, weil nur die Verteileradresse angezeigt wird. Es sind also auch hier keine personenbezogenen Daten im Spiel, weshalb das Prozedere bedenkenlos sein sollte. Ansonsten würde die Uni bei der eigenen Benutzung ihrer Mailverteilern momentan auch schon gegen Datenschutz verstoßen. Dies ist also auch kein Argument, höchstens ein schlecht vorgeschobenes, was das Unwissen oder nicht ernstnehmende Haltung der Universität zeigt.
Ich plädiere an die Universitätsverwaltung sowie an die Studierendenvertreter, weiterhin im Dialog zu bleiben. Als Kompromiss würde ich vorschlagen, dass die VS pro Jahr drei Mails an ihre Mitglieder schicken darf. Eine mit dem Aufruf zur Wahl der Vertreter im Studierendenrat und den Informationen diesbezüglich. Und pro Semester noch einen „Newsletter“ oder vielleicht eher „Rechenschaftsbericht“, was mit den 10 Euro, die jeder Studi pro Semester an die VS zahlt, erreicht wurde. Die Mails müssen gewissen Standards (Rechtschreibung, Layout, inhaltliche Meinungen, etc.) – die vorher gemeinsam festgelegt und transparent veröffentlich werden sollten – genügen, ansonsten werden sie vom Moderator der Mailingliste zurückgewiesen. Über den Erfolg dieses Kompromisses darf dann gerne in der ersten Ausgabe des Newsletters berichtet werden.
Um Aufklärung der tatsächlichen Fakten bemüht und voller Vorfreude auf die erste Ausgabe,
Tom