Geige, Gitarre, Mandoline und Kontrabass – in einer Band? Das hört man in unseren Längengraden nicht oft. Bei Hawktail funktioniert es aber prächtig. Die amerikanische Akustikband beweist, wie sich Streich- und Zupfinstrumente zu volltönenden Klangkunstwerken ergänzen – und das ganz ohne Gesang oder Elektronik. Ihr neues Album Formations, das im Januar erschien, wird hauptsächlich von den ersten zwei Liedern Annbjørg und Last One on the Line getragen. Das skandinavisch anmutende Annbjørg ruft mit seinen kristallklaren Melodien Bilder von einem frischen, kalten Herbstmorgen hervor. Hier scheint zumindest ein wenig vom unglaublichen Können der Geigerin Brittany Haas durch, das sie mit ihrer früheren Band, Crooked Still, noch besser hat entfalten können. Souverän, aber unaufdringlich wird sie dabei vom Gitarristen Jordan Tice begleitet. Auch in Last One on the Line brilliert Haas, wobei hier Dominick Leslies raffiniertes Mandolinenspiel überwiegt. Diese beiden Stücke können gerade eben das hohe Niveau von Abbzug halten, dem Highlight von Hawktails vorherigen Album Unless. Manchmal baut die Band ihre Melodien ganz in Ruhe auf und nimmt über Minuten hinweg Fahrt auf. So kann der Hörer das Brummen von Paul Kowerts Bass in solistischen Sequenzen unverfälscht erfahren. Nicht nur durch diesen akustischen Tiefgang hebt Formations sich merklich von Mainstreamalternativen zu Mainstreammusik ab. Hawktail zu hören, wird für viele eine ganz neue Erfahrung sein – und ein Akt des Widerstands, heute, da alles Billie Eilish ist.
Von Lukas Jung
Lukas Jung studiert Philosophie und Politikwissenschaft. Er schreibt seit SoSe 2018 für den ruprecht – vor allem über Wissenschaft, Investigatives und Stadtentwicklung. Seit SoSe 2019 leitet er das Ressort Wissenschaft. ruprecht-Urgestein.