Dieser Artikel erscheint im Rahmen unserer Corona-Onlineausgabe.
Unter den Auswirkungen der Pandemie leiden auch Studierende. Die zur Studienfinanzierung dienenden Mini-, Neben- und Werkstudentenjobs fallen weg. Auch, weil viele in der Gastronomie und dem Einzelhandel beschäftigt sind. Dabei finanzieren sich etwa zwei Drittel das Studium durch einen Nebenjob, bei Auslandsstudierenden sind es etwa drei Viertel. Jetzt wollen Bundes- und Landesregierung Studierenden in der Corona-Krise unter die Arme greifen. Etwa zwei Monate nach Ankunft des Virus in Deutschland kommen die Hilfspakete von Bund und Land, auf die alle gewartet haben und die nun von vielen Seiten kritisiert und bemängelt werden.
Der Beschluss der Bundesregierung vom 30. April kündigte an, dass Studierende „ab Anfang Mai bei der KfW ein zinsloses Darlehen beantragen“ können, so teilt es das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in seiner Pressemitteilung mit. Seit 2006 existiert der Studienkredit der KfW und soll nun als Überbrückungshilfe dienen. Zinsen müssen bis März 2021 nicht gezahlt werden, danach schon. Nach Auszahlung des Kredits wird eine Karenzzeit in der Rückzahlung von 6 bis 23 Monaten gewährt. Bis zu 650 Euro können Studierende monatlich auf ihr Konto überwiesen bekommen. Die Summe, die für die Kredite bereitgestellt wird, beläuft sich auf bis zu eine Milliarde Euro. Seit dem 8. Mai können Studierende aus dem Inland den Kredit beantragen, Auslandsstudierende müssen noch bis zum 1. Juni mit der Beantragung warten.
Zusätzlich werden „dem Deutschen Studentenwerk 100 Millionen Euro für die Nothilfefonds der Studierendenwerke vor Ort“ bereitgestellt. Dabei handelt es sich um Gelder, die nicht zurückgezahlt werden müssen. Vorbehalten sind sie für Studierende, die nachweisen können, sich aufgrund der Corona-Krise in einer finanziellen Notlage zu befinden. Konkret muss ein Kündigungs- oder ähnliches Schreiben vorgelegt werden.
Vorangegangen ist der Entscheidung eine hitzige Diskussion. Berichten zufolge stellte sich die Bundesbildungsministerin Anja Karliczek gegen eine kurzfristige Öffnung des Bafögs, wie es der Koalitionspartner SPD sowie die Oppositionsparteien Bündnis 90/Grüne und FDP forderten. Oliver Kaczmarek, bildungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, erklärte, der Vorschlag sei an dem „ideologischen Widerstand“ der Ministerin erlegen.
Politiker*innen kritisieren das Hilfspaket
Kritische Stimmen äußern erhebliche Zweifel am Hilfspaket. Der freie zusammenschluss von student*innenschaften (fzs) erhebt schwere Vorwürfe und fordert gar den Rücktritt Anja Karliczeks. Leonie Ackermann, Vorstandsmitglied, befürchtet „im nächsten Jahr ein bitteres Erwachen“ für jene Studierende, die den Kredit der KfW in Anspruch nehmen. Da Zinsen nur für ein Jahr erstattet werden, könnten Studierende nach eigener Berechnung der fzs auf einer Zinslast von bis zu 4 100 Euro sitzenbleiben. Dazu sei das Geld aus dem Nothilfefonds zu knapp, es würde kaum für die etwa 750 000 Studierenden in Not ausreichen, erklärt der fzs per Pressemitteilung.
Auch Heidelberger Politiker*innen sind skeptisch. Zara Kiziltas, Studentin der Politikwissenschaften und Anglistik in Heidelberg und Stadträtin für DIE LINKE, beklagt, dass es nicht dort ansetze, wo es müsse. „Mit Verschuldung ist niemandem geholfen“, erklärt sie. Als Lösung befürwortet die Politikerin ein „BAföG-Volldarlehen oder einen Sozialfonds, aus dem rückzahlungsfreie Soforthilfen bezahlt werden können“. Finanziert werden könne dies durch „mehr als 900 Millionen Euro BAföG-Mittel aus dem Haushalt des vorherigen Jahres“, die nicht ausgegeben wurden.
Eine andere Lösung stellt die Öffnung des BAföGs dar, die Benjamin Brandstetter befürwortet. Der Heidelberger Geschichts- und Politikwissenschaftsstudent, Vorsitzender der JuLis und Landtagskandidat für die FDP pocht auf die Elternunabhängigkeit des BAföGs – nicht erst seit Corona. Die Hilfen der Bundesregierung seien lediglich „Symbolpolitik, weil Kredite das Problem nicht lösen, sondern nur aufschieben“. Wenn man nach 23 Monaten das Geld wieder zurückzahlen muss, hieße das, „dass ich nach Corona zwei Nebenjobs annehmen müsste, um das Geld irgendwie zurückzahlen zu können“.
Baden-Württemberg legt Nothilfefonds auf
Neben dem Hilfspaket des Bundes wurde auch eines des Landes verabschiedet. In einem „Nothilfefonds stellt das Land zinslose Darlehen in Höhe von bis zu 450 Euro für die Monate April und Mai“ bereit, erklärt das BMBF am 28. April in einer Pressemitteilung. Um die Hilfe in Anspruch zu nehmen, ist ein Nachweis des Verdienstausfalls seit April notwendig, die Beantragung läuft über die örtlichen Studierendenwerke. Die Darlehen sollen „wegbrechende Einnahmen einfach auffangen und ausgleichen“, so die baden-württembergische Wissenschaftsministerin Theresia Bauer. Als zwei Tage später das Paket des Bundes kommt, freut sich die grüne Ministerin über den Beschluss, hätte sich allerdings ein duales Modell aus Darlehen und Zuschuss gewünscht, erklärt das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst. Zudem sei es nicht nachvollziehbar, dass Studierende aus dem Ausland erst später mit den Hilfen rechnen können.
Auch Brandstetter hält diese Lücke zwischen März und Juli für problematisch, „da Baden-Württemberg von internationalen Studierenden, was ja auch Frau Bauer zu verantworten hat, Hochschulgebühren, beziehungsweise Semestergebühren, verlangt“. Die Versäumnisse des Bundes hätten und könnten vom Land aufgefangen werden, so Brandstetter. Der Fonds beinhaltet „allerdings gerademal eine Million Euro und reicht damit vielleicht etwa 2 000 Studierenden in ganz Baden-Württemberg“. Man merke, „dass die grün-schwarze Landesregierung an sich sehr sparsam und knauserig ist, was Hochschulfinanzierung angeht, und das zeigt sich eben auch an dieser Krise, leider“.
Ähnlich kritisch sieht auch Zara Kiziltas den Fonds der Landesregierung. Die Summe von einer Million Euro sei viel zu gering, denn „würde dieser Betrag zu gleichen Teilen zwischen den über 350.000 Studierenden in Baden-Württemberg aufgeteilt, so wären wir bei drei Euro pro Studierende*r“. Mit dem Betrag von 900 Euro, die Studierende für April und Mai insgesamt erhalten könnten, sei „in vielen der teuren
Universitätsstädte in Baden-Württemberg lediglich die Miete zu begleichen“. Zuletzt sei es problematisch, dass BAföG-, oder Stipendien-Beziehende keinen Anspruch auf das Darlehen haben. Denn auch sie seien aufgrund „extrem niedriger Sätze auf Mini- oder Nebenjobs angewiesen“. Vom reichen Bundesland Baden-Württemberg, meint die Stadträtin, hätte sie mehr erwartet.
Von Xenia Miller
Unsere Autorin Xenia Miller kommentierte die Corona-Nothilfen für Studierende.
Xenia Miller studiert Politikwissenschaften und Soziologie und schreibt seit Sommersemester 2018 für den ruprecht. Sie schreibt von verkalktem Trinkwasser über Kabarettist*innen und Autor*innen bis hin zu Drachenbootfahren über alles, was sie so interessiert. Herzensthema bleibt natürlich die Politik. Im Wintersemester 19/20 leitete sie das Ressort Weltweit, seit Sommersemester 2020 das Ressort Heidelberg als Doppelspitze.