Dieser Artikel erscheint im Rahmen unserer Corona-Onlineausgabe.
Egal, ob es um Köstlichkeiten aus der Marstallküche, Entspannung auf der Neckarwiese oder das vierte Nahtoderlebnis der Woche beim Radeln durch die Plöck geht: Dank der neuesten Lockerungen der Corona-Maßnahmen können Heidelbergs Studierende schrittweise wieder in den gewohnten Alltag zurückkehren. Nur ein Grundpfeiler des Studilebens bleibt uns wohl noch längerfristig verwehrt: Heidelbergs beliebteste Straße – die Untere.
Doch wo sollen die feierwütigen Studis nun den über die Woche angestauten Frust aus abbrechenden HeiConf-Seminaren, ermüdenden Online-Vorlesungen und nervenaufreibenden Hausarbeiten wegtanzen- und trinken? Und außerdem: Wo soll die verzweifelte Autorin dieses Artikels auf die Schnelle eine Kneipe zum Kritisieren herbekommen? Zeit, sich auf Omas alte Weisheit zu besinnen: Hausgemacht ist doch immer am besten! Statt sich auf den Weg in die Altstadt zu machen, wird es wohl einfach Zeit, die guten Vorsätze am Wochenende mal daheim umzusetzen und herauszufinden, wie viel Spaß sich in der Schnittmenge aus „Hausparty ohne Gäste“ und „Kneipentour ohne Kneipe“ wirklich haben lässt.
Wie bei jeder anderen Bar gilt auch hier zuvorderst: Die Lage ist die halbe Miete. Unabhängig davon, ob Küche, Wohnzimmer oder Balkon ausgewählt wurde, um das wochenendliche Besäufnis zu zelebrieren – die Anfahrtszeit dürfte in jedem Fall kürzer ausfallen als die Radtour in die Untere. Vorsicht ist allerdings trotzdem geboten: Sollten die Nachbarn nicht nur lärmempfindlich sein, sondern auch den eigenen Musikgeschmack so gar nicht teilen, kann die besinnliche Zusammenkunft schneller vorbei sein, als man „Sperrzeiten sind kacke!“ sagen kann. Aber keine Sorge: Wer die angestaute Feierwut trotzdem nicht im Zaum halten kann, kann sich immer noch am Konzept der silent disco versuchen.
Ein weiterer Vorteil eines Abends in den eigenen vier Wänden wird durch eine einfache Überschlagsrechnung klar: Ein Radler kostet den durstigen Gast auf der Unteren ganze 2,60€, zuhause dagegen nur die Achtung sämtlicher Mitbewohner. Der Nachteil dieser Preisersparnis zeigt sich allerdings gleich am nächsten Morgen, wenn das Bedürfnis nach Feuerwasser nicht von der zunehmenden Leere des eigenen Geldbeutels gestoppt wurde. Letzten Endes ist das Glück eines langen Abends in guter Gesellschaft auch zuhause nur vom nächsten Morgen geliehen. Auf ausgefallene Cocktails muss man dagegen wohl leider eher verzichten – Es sei denn, man war bereits bei der WG-Suche mit der weisen Voraussicht gesegnet, nach Hobby-Mixologen Ausschau zu halten.
Ganz allgemein ermöglicht das Nachtleben in der eigenen WG, bisher völlig unbekannte Seiten an den eigenen Mitbewohnern zu entdecken. Wer sich also schon immer dafür interessiert hat, welcher Mitbewohner fehlerfrei zu Fettes Brot mitrappen kann oder wer in sämtlichen Kartenspielen einfach unbesiegbar ist, kommt jetzt sicherlich auf seine Kosten. Kritisch für den Hausfrieden wird der Abend in der Heimkneipe nur dann, wenn Teile der Hausgemeinschaft doch schon etwas früher schlafen wollen und die mitgegrölte Version von Bohemian Rhapsody um zwei Uhr nachts dann gar nicht mal so geil finden.
Was bleibt also vom Kneipenerlebnis bei der Trinkrunde in der heimischen WG? Zumindest zwei Dinge bleiben gewiss. Erstens: Der Vorsatz „Heute bleibt’s aber bei ein, zwei Bierchen, ich will ja schließlich morgen produktiv sein“ wird auch hier nicht leichter umsetzbar. Und zweitens: So wie man sich bettet, so liegt man. Hierbei gilt allerdings zu beachten: Der Walk of Shame mag innerhalb der eigenen Hausgemeinschaft vielleicht kürzer ausfallen, weniger unangenehm ist er aber eindeutig nicht.
Von Carina Sacher