Dieser Artikel erscheint im Rahmen unser Corona-Onlineausgabe.
Marokko und Spanien trennt eine Meerenge von nur 13,5 km. 13,5 km liegen zwischen dem Land mit den zweitmeisten Corona-Fällen und dem Tor zu Afrika. Dort sind die Zahlen bisher zwar gering, aber die Spekulationen über die Verbreitung sind beunruhigend. Marokko spielt wegen seiner geographischen Lage eine Schlüsselrolle bei der Ausbreitung des Virus in ganz Afrika. Doch wie reagiert Marokko auf die Pandemie?
Der erste Krankheitsfall Afrikas wurde erst am 14. Februar festgestellt, doch die Prognosen sind umso dramatischer. Wie die WHO am 8. Mai mitteilte, können bis zu 44 Mio. Menschen infiziert werden. Die Sterblichkeitsrate soll wegen der durchschnittlich jüngeren Bevölkerung mit knapp 200 000 Toten geringer sein als in Europa. Die Bundesregierung befürchtet aber, dass die Krankheit der Wirtschaft so schaden wird, dass Hunger und Migration die Folge sein werden. Ist die Sorge Europas berechtigt oder reiht sich dieses Urteil wieder an viele, die den Kontinent als handlungsunfähig darstellen?
Viele Länder in Afrika haben nämlich schnell auf die Entwicklungen in Europa reagiert darunter auch Marokko. Nachdem der erste Corona-Fall am 2. März gemeldet wurde, hat Marokko bereits am 13. März jeden Flug- und Schiffsverkehr nach Spanien, Frankreich und Algerien unterbunden. Dazu gehört auch die Schließung der Grenzen zu den Enklaven Melilla und Ceuta, zwei spanischen Städte auf marokkanischem Territorium. Deshalb wurde 350 marokkanischen Touristen die Einreise verwehrt, die daraufhin in Zelten untergebracht wurden und erst 6 Wochen später zurück nach Marokko kehren konnten.
Eine Woche nach Spanien, am 20. Mai, deklariert Marokko den medizinische Notstand, der mit einer strengen Ausgangssperre einhergeht, die bis zum 10. Juni verlängert wurde.
Gerade liegt die Zahl der Infizierten in Marokko bei 7433 und ca. 200 Verstorbenen (Stand 25.05.2020). Damit liegt Marokko auf dem vierten Platz in Afrika, nach Südafrika, Ägypten und Algerien, bezüglich der Anzahl der Infizierten.
Von Anfang an setzte Marokko auf Präventivmaßnahmen, weil das Gesundheitssystem nicht ausreichend ausgestattet und seit langem unterfinanziert ist. Das zeigt sich allein schon in der Verteilung der Infrastruktur. Für umfassende medizinische Versorgung muss man eines der Zentralkrankenhäuser in den Großstädten Casablanca und Rabat an der Westküste aufsuchen. Das spiegelt auch die politisch stark zentralisierte Struktur Marokkos wieder, durch die Bewohner abseits der Westküste benachteiligt werden.
Das Verhalten der Regierung während der Pandemie sagt viel über den Charakter des politischen Systems in Marokko aus. Die UN Hauptkommissarin für Menschenrechte nennt Marokko unter den Ländern, die die Menschenrechte während der Pandemie verletzten. Dabei sollte man wissen, dass die Ausgangssperre rigoros mit einer sehr starken Polizei- und Militärpräsenz auf den Straßen umgesetzt wird. Die Strafen belaufen sich nicht wie in Deutschland nur auf Geld-, sondern auch auf Gefängnisstrafen.
Außerdem nutzt die Regierung die Krise um innenpolitische Probleme zu verdrängen und sich selber zu profilieren. In den staatseigenen Medien inszeniert sich die Regierung und das Königshaus sehr stark als erfolgreich und handlungsfähig im Umgang mit der Coronakrise und poliert so sein Image auf. Die letzten Jahre in Marokko waren nämlich von politischer Unruhe geprägt, bei der Pressefreiheit, die wirtschaftliche Situation und die Aufarbeitung des kulturellen Erbes thematisiert wurden.
Die Ausgangssperre stellt allgemein für die Bevölkerung eine starke Herausforderung dar, weil das gesellschaftliche Leben in der marokkanischen Kultur einen sehr hoher Stellenwert hat, besonders im Ramadan. Bis tief in die Nacht haben Märkte und Restaurants normalerweise geöffnet. Momentan herrscht für diesen Zeitraum zwischen Sonnenauf- und -untergang aber striktes Ausgehverbot.
Nicht nur die Ausbreitung der Krankheit sondern ihre wirtschaftlichen und sozialen Folgen stellen Marokko vor Schwierigkeiten. Aus diesem Grund hat die Regierung am 15. März einen speziellen Fonds installiert, der mit knapp 1 Mrd. Euro ausgestattet ist, um Soforthilfe für Betroffene zu leisten. Das Programm bezieht sich auf Erwerbstätige deren Einkommen wegfällt, Arbeitende im informellen Sektor sind darin eingeschlossen. Durch die einfache Beantragung wurden schon über 5 Mio. Familien unterstützt.
In einer Branche verzeichnet Marokko aber ein plus und zwar ist das Land der zweitgrößte Hersteller für Mundschutzmasken nach China.
Insgesamt hat Marokko aus den Erfahrungen, die in Europa gemacht wurden seine Lehren gezogen und entsprechende Maßnahmen eingeleitet. Doch gleichzeitig werden andere Probleme und Schwachstellen im Gesundheitssystem sichtbar. Die Lage ist weiterhin sehr angespannt und das Coronavirus wird Marokko vermutlich noch länger begleiten als es in Europa der Fall ist.
Von Kaoutar Haddouti