Dieser Artikel erscheint im Rahmen unserer Corona-Onlineausgabe.
Vor langer, langer Zeit, als ich mich noch darum bemühen musste, das perfekte Studienfach zu finden, äußerte mein Vater fünf Wörter, die mir bis heute nicht aus dem Kopf gegangen sind: “Wie wär’s denn mit BWL?”.
Entschuldigung, wie war das? BWL? Ich, BWL? Entgeistert schüttelte ich den Kopf und entgegnete, ob er denn nicht wisse, was man alles über BWL-Studierende sage. Er sagte nein, und meine Erklärung sah aus wie folgt…
Ein BWL-Studierender stammt aus einer Adelsfamilie…beziehungsweise mindestens Geldadel. Auf jeden Fall steht der dicke BMW vor der Tür, der Pool im Garten und die Mutter in der Küche, während der Vater in seiner Firma die Früchte des Kapitalismus erntet. Der Sohnemann möchte natürlich später auch mal dort seinen Posten als CEO annehmen. Darum macht er sich mit Aktentasche unterm Arm, Hemd bis zur Perfektion gebügelt und Jacke um die Schultern gebunden auf den Weg, sich alle Wege anzueignen, wie man Menschen auf legale Weise ausbeuten kann. Dabei ist stets der herabschauende Blick zu bewahren, damit im Umgang mit Nicht-BWLern der Satz “Was willst du dann damit machen?” auch seine vollkommene Wirkung entfalten kann.
Kurzgefasst: es geht darum, abgehoben zu sein – man gehört schließlich zur Elite. Ach, warte – das gleiche sagte man mir doch auch über Heidelberg! Von “Da kann man nicht feiern gehen” bis zu “dort haben alle einen Stock im Arsch” hörte ich damals bei der Universitätswahl so ziemlich das ganze Spektrum an negativen Vorurteilen. Heutzutage kann ich es uns Heidelbergern auch gar nicht übelnehmen. Wer mir erzählen will, man fühlt sich nicht ein bisschen besonders schlau, wenn man auf einer hochoffiziellen Uni-Ranking-Seite Heidelberg in den Top 50 der Welt sieht, muss mich anlügen. In diesem Sinne ist eine gewisse Überheblichkeit doch gewährleistet, oder nicht? Aber warum gibt es dann an dieser glorreichen Universität kein BWL – das Fach, was doch perfekt zu dieser elitären, ja gar hochnäsigen Stadt passen würde?
Nun, wer sich das schon mal gefragt hat, muss sich überlegen, was für eine Grausamkeit ein BWL-Studium an der Universität Heidelberg mit sich bringen würde. Es ist doch schon schlimm genug, an einem Wochenende in die Bib zu laufen, und dort die Jura-Studierenden zu sehen, die einen mit ihren Ralph Lauren Polo-Hemden doch bloß daran erinnern, dass man sich gestern in der Tangente kein zweites Bier mehr leisten konnte. Die Vorstellung einer doppelten Menge davon, mit einem Sahnehäubchen von “Christian Lindner ist ein sehr kompetenter Politiker”, lässt mich nachts schweißgebadet aus einem Alptraum erwachen. Lasst uns doch einfach alle froh sein, dass man noch halbwegs gemütlich die Plöck entlangfahren kann, ohne von dem von Daddy bezahlten Benz umgefahren zu werden.
Von Natascha Koch
Natascha Koch studiert Politikwissenschaften und Geschichte und schreibt seit 2019 für den ruprecht. In ihren Artikeln dreht es sich um aktuelle politische und gesellschaftliche Trends und alles, was die Welt bewegt – oder auch nur das Internet. Seit 2020 leitet sie das Ressort für die Seiten 1-3.