Anfangs dachte ich, Corona wird nur eine weitere Meldungsepisode in der Tageszeitung. Während den Semesterferien wurden dann plötzlich alle Veranstaltungen gestrichen. Nachklausuren, Nebenjobs, Praktika: Alles auf unbestimmte Zeit verschoben. Wie soll da das Semester starten?
Regelungen für Universitäten muss man lange in den Corona-Verordnungen suchen. Während über unsere Köpfe hinweg diskutiert wurde, ob man uns aufs Spargelfeld und in die Krankenhäuser schicken sollte, schlossen sämtliche Einrichtungen des Studierendenwerks und machten es schwer, persönliche Hilfe und Informationen zu bekommen.
Dann erste Regelungen: Für Bedürftige gibt es Geld, aber nur als Kredit. Manche Unis machen das Sommersemester 2020 zum Nicht-Semester, andere nicht. Der eine Prof lässt Klausuren schreiben, während der andere schon den Gedanken daran für unverantwortlich hält.
Es herrscht kollektive Überforderung. Informationspolitik und Problemlösen wird größtenteils den Dozierenden überlassen. Die einen hören zu, die anderen ignorieren einen. Man merkt: dem Professor fehlt im virtuellen Hörsaal vollkommen das Gegenüber.
Mir fällt während dieser ganzen Phase nur ein Moment ein, in dem wir als Studierende „gefragt“ wurden: Man konnte die Plattformen testen, die in der Lehre benutzt werden sollten. Doch diese „E-Learning-Challenge“ war in Wirklichkeit nur eine Methode, billige Arbeitskräfte für die Digitalisierung zu werben. Das ist keine Mitbestimmung.
Besonders stört mich eines: Viele ignorieren, dass dieses Semester nicht vergleichbar mit der Zeit davor ist. Dabei findet gerade eine darwinsche Auslese der Digitalisierung statt: Wer technisch überlegen ist, der ist im Vorteil. Es wird erwartet, dass jeder Studierende Zugang zu Handy, Laptop, Scanner oder Digitalstift hat. Hat man kein Netz, hat man keine Chance.
Nun ist ein Statement aufgetaucht, unterzeichnet von hunderten Professoren: Zur Verteidigung der Präsenzlehre. Die Universität sei ein Ort der Begegnung, Lehre beruhe auf Austausch – nicht online, sondern live. Ich denke, dass dieser offene Brief vielen Studierenden aus dem Herzen spricht. Traurig, dass erst die Unterschrift von Professoren zu Aufmerksamkeit führt.
Studieren ist eine Lebensphase des Kollektiven, steht in diesem Statement. Diese Kollektivität mussten wir unter Corona einbüßen. Im Unterschied zu vielen anderen Änderungen lässt eine Rückkehr zur Uni-Normalität auf sich warten. Kitas und Schulen öffnen, aber sogar kleine Tutorien sind weiter ausgesetzt.
Klar, auch in solchen Zeiten kann man versuchen, sich Gehör zu verschaffen. Aber ohne Kollektivität fehlt die Wucht, die eine studentische Beschwerde sonst haben kann. Nur die StuRa Wahl ist eine Möglichkeit, im Corona-Regelwerk ein paar Paragraphen zu beeinflussen.
Bisher habe ich von Politikern nur Ausreden gehört: Alle müssten Opfer bringen. Man hat versucht, uns die meckernden Münder zu stopfen. Ich hätte mir einfach gewünscht, dass die Politik wenigstens einen Gedanken an die Meinung der Studierenden zwischen den Rädern des Hochschulsystems verschwendet hätte. Am Ende wollen wir doch nur eines: gehört werden.
von Lena Hilf
Eine Gegenmeinung gibt es hier: Wir. Sind. Nicht. System. Relevant.
...studiert Physik und schreibt seit Oktober 2019 für den ruprecht. Besonders gerne widmet sie sich Glossen, die oft das alltägliche Leben sowie wissenschaftlichen oder politischen Themen. Seit April 2021 leitet sie das Ressort Hochschule.