Ursprünglich war die Kolumne „Hochschule bleibt stabil“ als eine satirische, glossenartige Reihe gedacht. Eine Kolumne, in der man sich über Scheine aus Papier oder die ewige Baustelle in Bergheim beschweren kann. Seicht und eher unpolitisch, sollte das immer-gleich-bleiben der Uni aufs Korn genommen werden. Aber nun merken wir: Seicht und eher unpolitisch kann es nicht weiter gehen. 2020 wird das Jahr, in dem ich in Kolumnen laut werde, politisch werde, und Dinge kritisiere, die sich an der Uni wirklich ändern müssen. Und dazu gehört für mich ganz klar, was für eine weiße, privilegierte Blase diese Uni doch meistens ist.
Seit fast fünf Jahren studiere ich nun schon in Heidelberg, habe einige Fach- und sogar Fakultätswechsel hinter mir. Geschichte, Slavistik, Germanistik im Kulturvergleich, Politikwissenschaft … In meiner Zeit an der Uni Heidelberg habe ich viel erlebt und gesehen. Nur eines nicht: In fünf Jahren an drei Fakultäten, in vier verschiedenen Fächern und in einigen fachfremden übergreifenden Kompetenzen hatte ich noch nie einen nicht-weißen Dozenten oder eine Professorin of Colour in einer Vorlesung, einer Übung oder einem Seminar.
Gut, an der neuphilologischen Fakultät gibt es recht viele Dozierende mit Migrationshintergrund, ob nun aus Russland, aus Frankreich oder aus den USA. Trotzdem ist ein Großteil von ihnen „so weiß wie der Asbest in den Wänden des Anglistischen Seminars“, wie es ein guter Freund von mir einmal ausdrückte. Ja, es gibt Schwarze Dozierende und andere Professorinnen und Professoren of Colour, aber es sind so wenige, dass man in vielen Fächern sein ganzes Studium abschließen kann, ohne jemals eine Vorlesung oder ein Seminar bei einem nicht-weißen Dozierenden zu belegen.
Die Uni hat ein Diversitätsproblem, das sieht man auch als Laie. Tiefer in dieses Problem einzutauchen ist nur leider unmöglich: Während die Uni zwar Statistiken über die Staatsangehörigkeit ihrer Studierendenschaft führt, und auf ihrer Website zeigt, wie viel Prozent der Lehrstuhlinhaber*innen Frauen sind (ganze 17 Prozent – nicht mal ein Viertel), fehlen Daten zu ausländischen Dozierenden oder überhaupt jegliche Erwähnung der Wörter „Migrationshintergrund“ oder „People of Colour“. Beim Durchblicken der Infobroschüre fiel mir dagegen etwas Anderes auf: People of Colour sieht man nur im Bereich „Internationales“, bei „Forschung“, „Studium“, „Rankings“, „Lehre“, „Gleichstellung“ sind alle auf den Fotos abgebildeten Menschen weiß. Das ist Othering. In der Broschüre der Uni wird gezeigt, dass Schwarze, Ost- und Südasiaten nur Austauschstudierende sein können, nicht aber ganz normale deutsche Studierende. People of Colour können in Heidelberg studieren, sie werden aber (laut den Bildern der Präsentation) immer Fremde bleiben.
So vervollkommnet sich das weiße Bild der Uni als ein Hort der weißen, biodeutschen Elite in dieser Präsentation. Dozierende: weiß. Studierende: weiß, außer wenn sie Austausch machen. Und auch wenn die Uni in den letzten hundert Jahren viele Fortschritte in punkto Gleichstellung und Diversity gemacht hat, so ist sie als Institution dennoch sehr stabil männlich, deutsch und weiß.
Von Hannah Steckelberg
Hannah Steckelberg studiert Osteuropastudien und Germanistik im Kulturvergleich. Seit 2016 ist sie beim ruprecht – erst nur als Fotografin, seit 2017 auch als Autorin. Am liebsten schreibt sie Reportagen aller Art sowie ihre Kolumne “Hochschule bleibt stabil”. 2019/20 leitete sie zwei Semester lang das Ressort Seite 1-3, inzwischen lebt sie in Wien.