Wenn es um die Bahnstadt geht, scheiden sich unter Heidelberger:innen die Geister. In lokalen Facebook-Gruppen kann man sich die Urteile der verschiedensten Ansässigen zu Gemüte führen: „Hell und freundlich“ meinen die Einen, die Anderen finden den neuen Stadtteil „zu steril“, „phantasielos“ oder halten ihn für eine „Voll-Katastrophe“. „Heidelberg geht halt mit der Zeit“, loben manche, Kritische halten die Bahnstadt für „den neuen Emmertsgrund“, eine „Einöde“ oder sind der Meinung, der Baustil entspräche in seiner „grauen Uniformität“ eher „Plattenbauten!11!!“.
Ob wohl die Gastronomie der Bahnstadt dazu taugen könnte, die Menschen innerhalb und außerhalb der Bahnstadt wieder zu einen? Auf den ersten Blick ist die kulinarische Landschaft des Stadtteils auf jeden Fall vielversprechend. Im Langen Anger zum Beispiel reihen sich mehrere asiatische Takeaways aneinander: Der Inder Kashmir Tandoori II mit integriertem Mini-India-Shop, die Vietnam Streetfood Pandan Foodery und Kaoru, ein durchaus solider Sushiladen. Mit seinen drei Bäckern mit Cafébereich, dem Café la Terraza und dem Café del Mundo, das Tapas und Cupcakes anbietet und nach eigener Aussage auch „den besten Kaffee der Stadt“, ist die Bahnstadt gerüstet für alle Kaffeejunkies.
Burger und „Subs“ dürfen nicht fehlen
Auch Freund:innen der Systemgastronomie dürfen sich freuen: Neben dem Burger King, der schon länger am südöstlichen Ende der Bahnstadt mit Blickrichtung Industriegebiet residiert, gibt es seit dem 1. Juni in dem neuen Nahversorgungsareal am Gadamer Platz auch einen Subway. Den Bahnstädter Ableger der Sandwich-Franchise betreibt der Bundesligaspieler Jonas Hofmann, der schon für Borussia Dortmund gespielt hat und nun bei Mönchengladbach erfolgreich ist, mit einem Freund. In diesem Areal findet man auch die bekannte Burger-Kette Hans im Glück. Dort kann man sich auf qualitativ hochwertige Cocktails und eine schöne Auswahl veganer, vegetarischer und konventioneller Burger freuen. Es ist alles wie immer – und somit ist der Glückswald die richtige Wahl, wenn man einfach mal keine Lust auf Experimente hat. Der Außenbereich dieses Hans im Glücks ist übrigens riesig. Ob die steinige Umgebung aber wirklich zum Verweilen einlädt, muss man für sich selbst entscheiden.
Abseits des Kerns der Bahnstadt stößt man auf das Thai’s – authentic food, ein Lokal mit recht gemütlichem Biergarten-Außenbereich, der an ein (noch) leeres Grundstück angrenzt. Das Haus, in dessen Erdgeschoss sich das Thai’s befindet, ist von üppigen Pflanzenranken bewachsen. Das Thai’s bietet neben der thailändischen Cuisine auch authentische Getränkespezialitäten an – Eiskaffees, -tees und lokale Biere zählen dazu, und auch die überraschenden Kombos aus Heißgetränk und Spirituose. Die Inhaber versprechen frische und hochwertige Zutaten sowie original thailändische Gewürze und Kräuter. Wer also nach der letzten Süd-Ost-Asienreise Fernweh verspürt, dürfte hier richtig sein.
Die Vinothek und Weinbar Laibach & Seeger an der Schwetzinger Terrasse bietet neben dem Weinverkauf auch Verkostungen und am Wochenende kleine Speisen an. Schwerpunktmäßig vertreibt der Laden Wein von einem südafrikanischen Weingut und einem Leimener Weingut. Ebenfalls an der Schwetzinger Terrasse befindet sich die Café-Bistro-Bar Balthazar, das mit Crossover-Küche aus mediterranen und lokalen Spezialitäten wirbt. Drinks und Cocktails, Kaffee und Kuchen, ein abwechslungsreiches Mittagsmenü – das Balthazar ist ein wahrer Allrounder.
Die Alge – kreative Küche für das gute Gewissen
Die am Gadamerplatz gelegene Alge – ein Akronym für „Alle lieben gesundes Essen“ – ist ein wahres Paradies für Veganer:innen, Experimentierfreudige und Alle, die Wert auf Frische und Regionalität legen: Das verwendete Gemüse stammt von lokalen Bauernhöfen und in der Küche werden keine verarbeiteten Produkte verwendet. Die Speisekarte ist überschaubar, dafür aber auch wechselnd – schließlich wird nur saisonal gekocht – und enorm kreativ. Auf der aktuellen Sommer-Karte stehen rohvegane Zoodles und sommerliche Bowls, aber auch verführerische Desserts wie „Kokostörtchen mit Schokosauce aus biologischer und fairer Schokolade“ müssen die gesundheitsbewussten Gäste nicht missen. Die Alge hat den Ruf, recht hochpreisig zu sein, aber das Gebotene ist den etwas tieferen Griff in den Geldbeutel sicherlich wert. Im Innenraum spiegelt sich das Konzept des „Clean Eating“ wider: Die Einrichtung ist schlicht und modern. Wer jetzt denkt, ein Konzept wie das der Alge ziehe nur dogmatische Fulltime-Ökos an, liegt falsch. Von „Familien, Rockern, Studenten, Sportlern bis zu älteren Herrschaften“, sei unter ihren Gästen alles vertreten, sagt Inhaberin Heines, und sie alle seien „nett und liebenswert“. Heines und ihr Team freuen sich, „dass die Baustellen langsam weichen und Leben in den Stadtteil kommt“, und auch über den benachbarten zweiten Unverpacktladen der Stadt, mitohne, freut man sich bei der Alge. Den zunehmenden Einzug von Systemgastronomien sieht Heines kritisch, eher wünsche sie sich ein Mehr an „kleinen, individuell gestalteten Restaurants, Cafés und Kneipen“ in der Nachbarschaft.
Keine Kneipen oder alternativen Cafés
Die sucht man tatsächlich vergeblich, denn Kneipe gibt es weit und breit keine einzige. Ein bisschen elitär und schickimicki, ein bisschen grün, ein bisschen von allem – das kann die Bahnstadt. Was Sie leider bis auf wenige Ausnahmen nicht kann: frisch, besonders, und vor allem alternativ. Das ist wohl ihr größtes Manko in Punkto Gastronomie: Zum Wohnen oder Arbeiten mag das etwas klinische Flair Einigen gefallen. Für einen wirklich gemütlichen Abend und Orte, die zum Verweilen einladen, muss man aber wohl doch weiterhin in die Altstadt oder die anderen „älteren“ Stadtteile pilgern. Auf eine Erkundungstour, einen Abendspaziergang oder zum Joggen in die Bahnstadt zu gehen, lohnt sich aber trotzdem – und sei es bloß, damit man bei den heißen Diskussionen endlich auch mitreden kann.
Von Lara Stöckle