Ruprecht: Ihr wurdet vor zwei Jahren schon einmal vom ruprecht interviewt und hattet damals die Literaturzeitschrift gerade erst aus der Taufe gehoben. Was hat sich seitdem verändert?
Christiane: Zunächst einmal, da wir ja alle studieren, hat sich die Konstellation der Redaktion schon mehrmals verändert. Das ist natürlich spannend, da andere Konstellationen auch immer anders zusammenarbeiten und neue Arbeitsteilungen möglich sind. Jeder und jede muss dann eine neue Rolle für sich finden. Das ist zwar eine große Herausforderung aber auch ein großer Gewinn.
Außerdem haben wir einige Veranstaltungen ermöglicht. Beispielsweise haben wir die „Wohnzimmerlesung“ in den Räumen der artes liberales universitas etabliert, wo wir bisher jede Ausgabe vorgestellt haben. Mit der Ausgabe, an der wir gerade arbeiten, erscheinen dann auch die Ergebnisse einer Schreibwerkstatt, die wir mit Ulf Stolterfoht veranstaltet haben.
Mit jeder Ausgabe ziehen wir auch größere Bekanntheitskreise. Die erste Ausgabe haben wir noch mit Texten aus unserem Freundes- und Bekanntenkreis gestemmt, danach haben wir sukzessive immer mehr Texte von uns unbekannten Autor*innen erhalten. Mittlerweile bekommen wir zahlreiche Einsendungen aus dem ganzen deutschsprachigen Raum und das freut uns natürlich besonders! Vor allem, weil uns ja gerade interessiert, was über die uns bekannten Kreise hinaus geschrieben wird.
Nicht zuletzt hat sich auch unsere Covergestaltung verändert. Wir haben jetzt Farbe und eine Zeichnung dabei und haben so versucht, das Ganze etwas aufzulockern und gestalterisch zu erweitern.
R: Anfänglich hieß eure Zeitschrift noch Abriss: jetzt heißt sie klischée. Was bedeutet der Namenswechsel für euch, und war es vielleicht eine Chance, sich nochmal neu zu erfinden?
C: Ja, der Namenswechsel… Als Chance würde ich das jetzt nicht unbedingt begreifen. Wir waren ja eher dazu gezwungen, da ein Berliner Hip-Hop Magazin genauso heißt. Obwohl die Branche ja eine etwas andere ist, wurden wir mehr oder weniger deutlich darum gebeten, es doch zu unterlassen, unter diesem Namen zu veröffentlichen. Dem sind wir natürlich nachgekommen.
Die Namenssuche war dann sehr langwierig und es waren zwischendurch die wildesten Vorschläge im Umlauf. Mit klischée sind wir aber doch sehr glücklich geworden, was auch irgendwie eine neue Phase des Arbeitens eingeleitet hat. Auf jeden Fall sind die unter klischée publizierten Nummern doch sehr anders geworden als das, was noch unter Abriss erschien. Aber unserem ursprünglichen Vorhaben sind wir natürlich treu geblieben, das läuft jetzt einfach nur unter anderem Namen weiter.
Franziska: Ich kam mit der vierten Ausgabe dazu, also mit der ersten, die klischée hieß. Für mich war das der richtige Zeitpunkt, weil bei der Zeitschrift selbst gerade viel im Umbruch war und ich mich nicht so sehr als „Eindringling“ gefühlt habe, sondern mich gut mit neuen Ideen einbringen konnte.
R: Eure sechste Ausgabe ist gerade in Bearbeitung. Ist es vielleicht langsam an der Zeit, Bilanz zu ziehen und auszuwerten, ob ihr mit eurer Entwicklung zufrieden seid?
C: Bilanz ziehen wollen wir nicht unbedingt – das klingt immer so nach Abschluss! Ich denke aber, dass es selbstverständlich ist, nach jeder Ausgabe auszuwerten, wie es gelaufen ist. Wir sind ja auch ein Stück weit darauf angewiesen: Wir müssen schauen, dass sich das Projekt trägt; wie viele Ausgaben wir verkauft haben. Und da wir die Aufgaben immer wieder neu verteilen müssen, und am Anfang ja alle mit Aufgaben konfrontiert sind, die sie so vorher noch nie bewältigt haben, lässt sich da direkt ansprechen, reflektieren und neu formulieren, wie Aufgaben in Zukunft angegangen werden.
Wir können aber auf jeden Fall zufrieden sein, mit dem, was wir bisher geschaffen haben. Wir haben damit ja völlig „out of the blue“ angefangen und wenn man sich dann die inzwischen fünf Ausgaben und den Sonderdruck (die neueste Ausgabe) anschaut, würde ich schon sagen, dass wir stolz sein können, auf das, was wir geleistet haben. Ich hoffe natürlich, dass es auch so weitergeht!
F: Ja, also eine Sache, die wir auf jeden Fall mitnehmen können, ist, wie wichtig es ist, sich zu vernetzen. Einerseits überregional in der Literaturszene, nicht zuletzt, um von überall her Einsendungen zu bekommen; andererseits in Heidelberg, wo ja auch unsere Veranstaltungen stattfinden, wo wir in verschiedenen Buchhandlungen zum Verkauf ausliegen und wo wir Unterstützung bekommen von verschiedensten Institutionen.
R: Euer neustes Heft ist eine Sammlung der Beiträge der Schreibwerkstatt mit Ulf Stolterfoht. Was kommt in dieser Ausgabe auf Eure Leserschaft zu? Wie kam es zu dieser Kooperation?
F: Ulf Stolterfoht hat letztes Jahr die Poetikdozentur in Heidelberg gehalten und daher wussten wir, dass er sich auch für Formate wie Schreibwerkstätten interessiert. Wir hatten dann Unterstützung durch das Germanistische Seminar und natürlich das DAI, in dem die Schreibwerkstatt dank Hygiene-Konzept sogar unter Corona-Bedingungen stattfinden konnte.
C: Ja, die Schreibwerkstatt war eine spannende Sache, weil total unterschiedliche Autorinnen und Autoren aufeinandergetroffen sind. Man konnte sich ja einfach bewerben; es gab also in diesem Sinne kein Auswahlverfahren, bei dem man Texte einreichen musste. Das heißt, die Leute wurden einfach so zusammengewürfelt. Mit Ulf hatten sie natürlich einen grandiosen Dichter, der das Ganze zusammengehalten und angeleitet hat. So unterschiedlich wie die Teilnehmer*innen waren, sind auch die Texte geworden und das ist denke ich das Spannende an dieser Ausgabe.
Aber das ist ja auch das, was uns in unseren regulären Ausgaben immer reizt: möglichst unterschiedliche Formen von Texten mit verschiedensten Themen nebeneinanderzustellen. Da ist natürlich mit dieser Ausgabe vielleicht sogar ein noch viel wilderer Mix entstanden als unsere regulären Ausgaben, weil wir dieses Mal eigentlich keine Lektoratsarbeit geleistet haben. Die Texte wurden so gedruckt, wie sie aus der Schreibwerkstatt hervorgegangen sind. Wir bemühen uns ja sowieso mit möglichst geringen Filtern zu arbeiten, aber diese Ausgabe ist wahrscheinlich unsere ungefiltertste bisher. Wir sind auf jeden Fall gespannt wie das aufgenommen wird.
R: Worauf kann sich das Publikum für die Zukunft gefasst machen?
C: Wir arbeiten gerade an unserer sechsten regulären Ausgabe bzw. fangen damit Anfang nächsten Jahres an. Natürlich haben auch wir unter Corona zu leiden; die Zukunftsplanung ist also momentan nicht wahnsinnig euphorisch. Unser Projekt lebt von leibhaftigen Treffen und von der Diskussion (und auch dem Streit) um Texte, was unserer Meinung nach mit Videokonferenzen nicht ganz einzuholen ist.
Auch Veranstaltungen sind sehr wichtig für das, was wir machen. Wir freuen uns immer, wenn wir bei den Lesungen die Autor*innen persönlich kennenlernen können. Es ist einfach unglaublich bereichernd, wenn man die Autor*innen ihre Texte lesen hört. Oft hat man sich so viel mit einem Text auseinandergesetzt und meint, ihn gut zu kennen, und dann hört man ihn gelesen und auf einmal ist es nochmal ein ganz anderer Text. Ich hoffe sehr, dass wir all das bald wieder haben können.
Das Gespräch führten Williams Rothvoss-Buchheimer und Lukas Schutzbach.
Lukas Schutzbach
Williams Rothvoss-Buchheimer studiert Anglistik und Germanistik im Master. Außerdem ist er Juror und Organisationsmitglied für den Heidelberger Autor:innenpreis 2021, Redaktionsmitglied für die Literaturzeitschrift klischée und schreibt seit 2020 für den ruprecht.