Alex ist 19 Jahre alt und neu auf dem College, 500 Meilen von zu Hause weg. Es ist Freitagabend und es steigt nur eine einzige Party in einem Wohnheim namens „Shithouse“. Der gleichnamige Debütfilm von Cooper Raiff beginnt wie ein typischer College-Film, mit legendären Partys, auf denen man die Freiheit des Erwachsenseins feiert, doch schnell nimmt er eine realistische Wendung: Alex fühlt sich einsam, zwingt sich praktisch auf die Party, wobei er lieber daheim bei seiner Familie wäre. Doch dann lernt er im „Shithouse“ die extrovertierte Maggie, gespielt von Dylan Gelula („Unbreakable Kimmy Schmidt“), kennen. Die beiden spazieren schließlich die ganze Nacht durch die Stadt und tauschen Gedanken aus, die sie bis dahin niemanden erzählt hatten. Am nächsten Morgen sieht sich Alex gezwungen, sich endlich mit seiner Situation, seiner Einsamkeit, am College auseinander zu setzen.
Raiffs Film zeigt: das Erwachsenwerden, das Loslassen von daheim, neuerworbene Freiheit sind gar nicht so einfach zu handhaben. Die Protagonisten im Film gehen auf unterschiedliche Arten damit um. Die einen geben vor, jemand zu sein, der sie nicht sind, die anderen versuchen die Einsamkeit durch Alkohol und Drogen zu verdrängen. Doch irgendwann muss jede*r sich damit auseinandersetzen.
„Shithouse“ ist deswegen ein so guter Film, weil er es schafft, auf eine humorvolle Weise auch die negativen Seiten des Studentenlebens zu zeigen. Er spricht über (Selbst-)Isolation und die Einsamkeit zu Beginn des Studiums sowie die Suche nach echten Freundschaften. Die Szenen und Dialoge sind erfrischend echt, tiefgründig und zugleich witzig. Die Stärke des Films liegt in seiner Ehrlichkeit, über Schwächen zu reden, ohne sich darüber lustig zu machen, was sonst oft bei College-Filmen der Fall ist. Er brilliert mit einem sehr guten Drehbuch: mit realistischen Charakterentwicklungen, die von starken Schauspieler*innen dargestellt werden.
Drehbuch, Regie und die Rolle des Protagonisten übernahm der 23-jährige Raiff und leistete darin eine bemerkenswerte und hervorragende Arbeit. Außerdem war er an Produktion und Schnitt beteiligt. Sein Debüt ist für ihn ein sehr persönlicher Film: beim Schreiben orientierte er sich sehr an seiner eigenen College-Erfahrung. „Dort musste ich erstmal lernen, wie man auf sich selbst aufpasst, bevor ich Beziehungen einging und mich auch um andere kümmern konnte“, erzählt er in einem Interview. Die ersten Monate habe er sich, wie Alex in seinem Film, lange einfach nur treiben lassen.
„Shithouse“ lief in den USA in den Kinos und erntete zurecht viele gute Kritiken. Sowohl beim South by Southwest Film Festival als auch beim Filmfestival in Florida – seinen ersten beiden Festivalauftritten – gewann er jeweils den Großen Preis der Jury. Die Junge Jury des Internationalen Film Festivals Mannheim-Heidelberg zeichnete „Shithouse“ mit einer lobenden Erwähnung aus: Der Film beeindrucke durch seine direkten und authentischen Dialoge und sein gekonntes und bewusstes Spiel mit den Konventionen seines Genres.
Ein sehr empfehlenswerter Film für Studierende, da er über Themen spricht, mit denen sich jede*r identifizieren kann, der mal neu an einer Uni war und die gerade im Moment so präsent sind wie noch nie: Einsamkeit, Isolation und das Auseinandersetzen mit sich selbst.
Von Ruth Fuentes
Ruth Lang Fuentes studiert Mathematik. Sie schreibt seit dem SoSe 2020 für den ruprecht über politische Anliegen der Studierenden, sowie über Film und Kino in Heidelberg. Nebenbei schreibt sie einen Blog über Film und Feminismus, ein Thema, das sie auch im ruprecht mehr aufgreifen möchte. Seit dem WiSe 2020/21 leitet sie das Ressort Online.