Auf Instagram wird gerne ein bisschen geflunkert. Die Bilder zeigen besonders glückliche Menschen an besonders sonnigen Stränden und mit besonders inszeniertem Essen. Hinter den Flunkereien verbirgt sich manchmal rechte Ideologie. Das Recherchenetzwerk Correctiv hat in seiner jüngsten Analyse herausgefunden, dass sich Rechte munter auf Instagram miteinander verbinden und dabei den Kontakt zu besonders extremen Gesichtern und Ansichten suchen. Die Hochglanzästhetik der Beiträge vorwiegend weiblicher Influencerinnen soll neue Anhänger anlocken und in einen Strudel rassistischer und hasserfüllter Ideologie ziehen.
Correctiv hat herausgefunden, dass hinter den Instagram-Auftritten der rechtsextremen Szene ein System steckt. In Workshops lernen rechte Influencer*innen, wie sie ihre Ideologie wirksam in Szene setzen können. Sie lernen, wie man mit Photoshop umgeht, welche Symbole sie zeigen dürfen und welche nicht und welche Kleidung sie tragen sollen. Das neue Wissen nutzen vornehmlich Frauen: Sie fungieren als Köder, indem sie hübsche Fotos mit rechten Hashtags versehen. Sobald Nutzer*innen anbeißen, tut der Algorithmus von Instagram sein Übriges und schlägt weitere Bilder rechter Influencerinnen vor. Ein bekanntes Phänomen: Die Vorschläge für neue Inhalte basieren auf eigenen Neigungen. Bald findet man sich in einer Meinungsblase wieder.
Correctiv dokumentiert, dass die Hashtags auch als Erkennungszeichen dienen. Sie sind wie ein Stempel mit dem Hinweis „Guck mal, was für ein schönes Foto. Und übrigens: Ich sympathisiere auch mit der Identitären Bewegung“. Dieser Hinweis lädt Rechte ein, sich zu vernetzen und dem Benutzer oder der Benutzerin zu folgen.
Die rechte Szene verdient durch diese Struktur sogar Geld. Hashtags wie „DefendEurope“, die die Zugehörigkeit zu rechten Gruppen signalisieren, werden von rechten Bekleidungsmarken verwendet. Sympathisant*innen finden so den Weg zu Onlineshops und können sich mit Kleidung versorgen.
Correctiv hat in der Analyse „Kein Filter gegen Rechts“ eine Stichprobe von 4500 Accounts genommen. Es beobachtet also einen Ausschnitt der rechten Instagram-Szene. Anschließend wurde untersucht, wie die Konten miteinander verbunden sind. In über 830 000 Posts samt Bildunterschrifren und Hashtags suchte das Netzwerk nach typisch rechtem Sprachgebrauch. Um ideologiefreie Formulierungen auszublenden, verglichen sie die Beiträge mit einer Kontrollgruppe aus „normalen“ Influencer*innen. Da einige Konten des rechten Spektrums nicht öffentlich sind, legte sich Correctiv zusätzlich ein eigenes Konto an und gab sich als rechtsgerichtete Person aus. Dadurch konnten auch private Instagram-Konten in die Analyse aufgenommen werden.
Außerdem sprach Correctiv mit Insidern und Vertretern rechter Gruppierungen, wie der Jugendorganisation der AfD. Aus den Gesprächen geht hervor, wie wirksam die Medienstrategie ist: Der Landesverband Berlin der „Jungen Alternative“ hat die Hälfte seiner neuen Mitglieder über Instagram angeworben.
Die Recherchen zeigen außerdem, dass die Verbindung der AfD und ihrer Jugendorganisation in die rechtsextreme Szene viel enger ist, als sie öffentlich zugibt und duldet. Die AfD erlaubt zum Beispiel keine Mitglieder der rechtsextremen „Identitären Bewegung“ in der Partei. Auf Instagram stehen sich Junge Alternative und die Identitäre Bewegung jedoch sehr nahe. Eine „klare Kante gegen Rechtsextreme“, die der AfD-Bundesvorsitzende Jörg Meuthen 2019 in einem Interview mit dem Deutschlandfunk beschrieb, ist in der Netzwerkstruktur der Rechten auf Instagram nicht erkennbar.
Es bleibt die Frage, warum Instagram nicht gegen die Verbreitung dieser Ideologie vorgeht. Die Richtlinien der Plattform verbieten „Hassorganisationen“, die zum Beispiel die „ethnische Herkunft“ anderer Personen angreifen. Dazu gehören auch Symbole der Organisationen.
Correctiv wandte sich an Instagram und meldete ein Foto mit einem Sonnenrad, ein Symbol der rechtsextremen Szene, das aus mehreren Hakenkreuzen besteht. Die Plattform reagierte, löschte das Foto, bedankte sich für den Hinweis und bat darum, weiterhin ähnliche Inhalte zu melden, sollten sie dem Recherchenetzwerk auffallen. Die rechten Influencer*innen posten und rekrutieren derweil munter weiter.
von Thomas Degkwitz
Thomas Degkwitz will seit 2019 die Netzwerke der Stadt verstehen. Das hat er für zwei Jahre auch als Ressortleiter “Heidelberg” versucht. Ihm ist das Thema Studentenverbindungen zugelaufen, seitdem kümmert er sich darum. Außerdem brennt er für größere Projekte wie die Recherche zur Ungerechtigkeit im Jurastudium. Lieblingsstadtteil: die grünflächige Bahnstadt (*Spaß*)