Als wir anrufen, sind Anusha und Jana an der Tankstelle. Nicht an irgendeiner Tanke, sondern an einer Wasserstofftankstelle. Sie sind mit einem Wasserstoffauto auf einer Rallye. „Es geht darum, zu zeigen, dass man mit Wasserstoffautos gut fahren kann“, sagt Anusha. Sie studiert nachhaltige Rohstoff- und Energieversorgung an der RWTH Aachen und ist Ende September zusammen mit Prozessingenieurin Jana und zwei anderen Frauen per Wasserstoffauto quer durch Baden-Württemberg unterwegs.
Die Rallye ist weniger ein Wettrennen und eher eine PR-Aktion der Industrie, um für die Alltagstauglichkeit wasserstoffbetriebener Autos zu werben. Wasserstoffantriebe werden von der Autoindustrie seit einigen Jahren als Alternative zum traditionellen Verbrennungsmotor angepriesen, da sie nicht vom fossilen Brennstoff Erdöl abhängig sind und kein CO₂ emittieren. In den 2000er Jahren experimentierte etwa BMW damit, Verbrennungsmotoren mit Wasserstoff zu betreiben. Neuere Fahrzeuge gewinnen Energie aus einer Brennstoffzelle. So auch Anushas und Janas Auto.
Wie funktioniert eine Brennstoffzelle?
In einer Brennstoffzelle reagiert Wasserstoff aus einem Drucktank mit Sauerstoff aus der Umgebungsluft zu Wasser. Es ist grundsätzlich dieselbe Reaktion wie bei einer unkontrollierten Verbrennung von Wasserstoff, jedoch führt eine Brennstoffzelle die Stoffe in kleinen Mengen kontrolliert zusammen. Durch die Verwendung von Katalysatoren und teildurchlässigen Materialien werden die Elektronen vom Wasserstoff abgespalten und sofort als elektrischer Strom genutzt.
Der Prozess ist effizient: Ein Antrieb mit Brennstoffzellen besitzt einen hohen Wirkungsgrad von 45-60 Prozent. Ein Verbrennungsmotor hat höchstens einen Wirkungsgrad von ungefähr 40 Prozent.
Der Strom aus der Brennstoffzelle treibt den Wagen über einen Elektromotor an. Beim Fahrverhalten entspricht ein Brennstoffzellenfahrzeug also in etwa einem Elektroauto. Es lässt sich aber in wenigen Minuten betanken, statt über Stunden aufgeladen werden zu müssen.
Als einziges Abfallprodukt entsteht beim Wasserstoffantrieb reines Wasser. Das wird gern als Argument für seine angebliche Umweltfreundlichkeit genutzt, doch bei der Herstellung von Wasserstoff fällt Kohlenstoffdioxid an. Ausgangsstoff für die Produktion ist meistens Methan, der Hauptbestandteil von Erdgas. Die Gewinnung von Wasserstoff geschieht mittels Dampfreformierung. Dabei wird in mehreren Schritten unter Verbrauch von Sauerstoff und Wasser der Wasserstoff vom Methan abgespalten und als Gas gespeichert, während der Kohlenstoff in Form von CO₂ abgegeben wird – keine sehr klimafreundliche Technik.
Grüner Wasserstoff
Es gibt VorschlägeIdeen, wie sich das Problem zu lösen ließe. „Wir wollen grünen Wasserstoff aus Biogas herstellen, also den Wasserstoff, der die Brennstoffzellen antreibt“, sagt Anusha auf der Rallye.
Anders als der “graue” Wasserstoff aus Erdgas ist “grüner” Wasserstoff umweltverträglich. Das bei der Produktion abgegebene CO₂wurde von den Organismen, aus denen Biogas gewonnen wird, aus der Luft entnommen. Damit wird der Prozess letztlich klimaneutral.
Eine weitere Möglichkeit, Wasserstoff zu produzieren, ist die Elektrolyse von Wasser. Bei der Verwendung von erneuerbaren Energien ist auch diese Technik weitgehend umweltfreundlich.
Aktuelle Lage in Deutschland
Das klingt gut, allerdings beträgt der Anteil an Wasserstoffautos in Deutschland gerade einmal 0,001%, wie Der Spiegel berichtet. Das sind knapp über 500 Fahrzeuge. Nur drei PKW-Modelle von Hyundai und Toyota sind erhältlich. Sie kosten zwischen 64.000 und 80.000 Euro.
Im Vergleich seien die ostasiatischen Länder, insbesondere Japan, diesbezüglich deutlich besser aufgestellt. Warum hinkt Deutschland in der Produktion von Wasserstoffautos hinterher? Zu teuer, zu ineffizient und zu aufwendig – so steht das auf vielen Automobil-Webseiten. Zu viele Nachteile stünden einem wirtschaftlichen Einsatz entgegen. Gleichzeitig gebe es starken Konkurrenzdruck: Die Produktion und der Verkauf von Elektroautos seien weit vorangeschritten, aber die Infrastruktur sei für Wasserstoffautos in Deutschland noch nicht genügend ausgebaut.
Die vorhandenen 80 Wasserstofftankstellen befinden sich meistens nur in der Umgebung von Großstädten wie Berlin, München, Hamburg und Köln. Seit Februar gibt es auch eine in Heidelberg. Dort können täglich 40 Fahrzeuge mit Wasserstoff betankt werden. 9,50 Euro kostet das Kilo Treibstoff – der Preis ist festgeschrieben und deutlich höher als für Benzin und Diesel, allerdings reicht ein Kilo Wasserstoff für etwa 100 km Fahrt. Auf den Kilometer gerechnet ergeben sich so vergleichbare Kosten wie bei herkömmlichen Treibstoffen.
Im Interview betonten Anusha und ihre Mitfahrerinnen, dass Schwerlastfahrzeuge, Busse des öffentlichen Nahverkehrs sowie Müllsammelfahrzeuge eher für einen Wasserstoffantrieb geeignet sind. Diese würden eine konstante Nachfrage schaffen. „Dann kann man das Konzept sehr gut mit einer Biogasanlage kombinieren, die auch immer gleich viel Wasserstoff produziert”, sagt Jana auf der Wasserstoffrallye.
Vielleicht ergibt es für größere Fahrzeuge, besonders auf langen Strecken, mehr Sinn, Strom für einen Elektroantrieb durch eine Brennstoffzelle zu produzieren. LKWs mit Wasserstoffantrieb kämen auf eine deutlich höhere Reichweite als batteriebetriebene Schwerlastfahrzeuge.
Aussichten
Mehrere Unternehmen wollen den Wasserstoffantrieb vermehrt für Schwerlastfahrzeuge einsetzen. Das ist unter Klimagesichtspunkten auch dringend notwendig: Der LKW-Verkehr ist der Tagesschau zufolge mittlerweile für 40 Prozent aller Klimagas-Emissionen im Gesamtverkehr verantwortlich. Der Straßengüterverkehr ist laut Umweltbundesamt im Zeitraum zwischen 1995 und 2018 um 81% Prozent gestiegen. Dagegen habe der PKW-Verkehr “nur” um knapp 14% zugenommen.
Branchenexperten zufolge wird Wasserstoff mit Weiterentwicklung der Technologie deutlich günstiger werden. Um die Wasserstoffwirtschaft zu fördern, plant die Bundesregierung ein Konjunkturpaket in Höhe von 9 Milliarden Euro.
von Nicolaus Niebylski und Linda Fröhlich
Nicolaus Niebylski studiert Biowissenschaften. Beim ruprecht ist er seit dem Sommersemester 2017 tätig – meist als Fotograf. Er bevorzugt Reportagefotografie und schreibt über Entwicklungen in Gesellschaft, Kunst und Technik. Seit November 2022 leitet er das Ressort Heidelberg. Zuvor war er, beginnend 2019, für die Ressorts Studentisches Leben, PR & Social Media und die Letzte zuständig, die Satireseite des ruprecht.