Als „gemeinnützige Bildungsinstitution zur Förderung und Vermittlung der chinesischen Sprache und Kultur“ beschreibt sich das Heidelberger Konfuzius-Institut auf seiner Homepage. Als „Trojanische Pferde der Volksrepublik China“ bezeichnet die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) die weltweit verteilten chinesischen Institutionen.
Anfang Dezember, zum Tag der Menschenrechte, demonstrierten die Jungen Liberalen und die Liberale Hochschulgruppe gegen eine solchen Kooperation an der Heidelberger Universität. Propaganda, Zensur, Einschränkung der im deutschen Grundgesetz verankerten Wissenschaftsfreiheit – die Vorwürfe gegen die chinesischen Bildungseinrichtungen sind nicht neu. Schon 2011 befürchtete die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) eine Beeinträchtigung der Unabhängigkeit der westlichen Universitäten durch die Institute. Die Konfuzius-Institute würden von der Kommunistischen Partei Chinas (KPC) dazu instrumentalisiert werden, ein geschöntes Bild der Volksrepublik China im Ausland zu vermitteln. Während zum Beispiel Schweden die Kooperation mit den Instituten mittlerweile komplett beendet hat, gibt es in Deutschland noch 17 solcher Bildungseinrichtungen. Die Universitäten Düsseldorf und Hamburg stellten ihre Kooperationen vergangenes Jahr ein.
Das Konfuzius-Institut an der Universität Heidelberg bietet hingegen weiterhin Veranstaltungen und Sprachkurse an. 2009 wurde es gemeinsam mit der Heidelberger Partneruniversität Jiao Tong in Shanghai gegründet. Das Institut befindet sich in der Heidelberger Bahnstadt und wird geleitet von einem deutsch-chinesischen Team: der deutschen Direktorin Dr. Petra Thiel sowie dem chinesischen Direktor Prof. Dr. Zhai Yijiang, Professor für Chinesisch-Didaktik an der Jiao Tong Universität Shanghai. Neben Mitarbeiter:innen aus Deutschland arbeiten auch aus China entsandte Lehrkräfte am Konfuzius-Institut. Diese wähle – laut Pressestelle der Universität Heidelberg – das Direktorium des Konfuzius-Instituts nach Sichtung der jeweiligen Bewerbungsunterlagen und in Vorgesprächen selbst aus. Ein wichtiges Anliegen der Institute ist die Vermittlung der chinesischen Sprache und die Durchführung international anerkannten Sprachprüfungen. Dafür arbeiten zur Zeit 15 Sprachlehrer:innen für das Institut, fünfmal so viele wie im Zentralen Sprachlabor der Uni Heidelberg.
Das Konfuzius-Institut selbst beschreibt sich als „gemeinsames Projekt der Universität Heidelberg, des Hanban in Beijing und der Shanghai Jiao Tong University“ und betont damit auf ihrer Homepage ausdrücklich die Mitwirkung des Hanban – des staatlichen Führungsgruppenbüros für die internationale Verbreitung der chinesischen Sprache. Etwas, das die Uni Heidelberg in ihrer Beschreibung des hiesigen Institutes auf ihrer Homepage verschweigt. Hanban – das ist die Abkürzung einer außenpolitischen Kulturorganisation der Volksrepublik China, die dem Bildungsministerium zugeordnet ist und in deren Leitungsrat unter anderem Zuständige für die Auslandspropaganda vertreten sind. Dem Hanban steht Politbüromitglied des Zentralkomitees der KPC Sun Chunlan vor, die zuvor die wichtigste Propaganda-Einrichtung der Partei, das United Front Work Department, leitete. Das chinesische Bildungsministerium sorgt unter anderem dafür, dass Tibeter:innen, Uigur:innen, Falun Gong-Praktizierenden, Befürworter:innen der Eigenstaatlichkeit Taiwans sowie Anhänger:innen der Demokratiebewegung untersagt wird, an Bildungseinrichtungen wie den Konfuzius-Instituten zu unterrichten. Nicht nur die Personalauswahl, auch die jährlichen Programmpläne und die Veranstaltungen der Institute sind von Hanban zu genehmigen.
Die Konfuzius-Institute werden gerne mit den deutschen Goethe-Instituten verglichen. Jedoch hinkt der Vergleich, da die chinesischen Institute nicht eigenständig arbeiten, sondern immer in Kooperation mit dem Gastland – meistens mit einer dortigen Universität. Chinesische Regierung und jeweilige Partnerorganisation des Gastlandes teilen sich die Leitung und Finanzierung. Das Konfuzius-Institut an der Uni Heidelberg erhält seit 2015 vonseiten der Universität keine laufende Finanzierung mehr und finanziert sich durch Projektmittel von Hanban und laufende Einnahmen wie Kursgebühren.
Neben Chinesisch-Sprachkursen soll auch in Heidelberg das Institut dem Dialog zwischen den Kulturen und Gesellschaften dienen. Ob eine kritische Auseinandersetzung über die politische Lage Chinas hier erfolgen kann, sei dahingestellt. Auf Nachfrage erklärt die Pressestelle der Uni Heidelberg, dass es keine Einflussnahme durch die chinesische Regierung oder die Kommunistische Partei Chinas gebe und die Freiheit von Forschung, Lehre, Kunst und Kultur gewahrt werde. Themen wie Hong-Kong, Tibet oder Menschenrechtsverletzungen, wie zum Beispiel gegen die verfolgte Minderheit der Uiguren in der Volksrepublik China, werden jedoch verschwiegen. Auch auf der Homepage des Heidelberger Konfuzius-Instituts finden sich keine Veranstaltungen oder Erwähnungen dazu. Neben den immer wieder auftretenden Propagandavorwürfen vermuten Menschenrechtsorganisation wie die IGFM, dass die Institute auch zur chinesischen Spionage missbraucht werden. Im September 2019 wurde in Brüssel aufgrund eines solchen Verdachts dem Leiter des dortigen Instituts das Visum entzogen.
Die Pressestelle der Uni Heidelberg verneint ohne Begründung die mögliche ideologische Einflussnahme durch die chinesische Regierung und gibt auf weitere kritische Fragen zu den Konfuzius-Instituten nur ausweichende Antworten. Die Vorwürfe der Propaganda und Selbstzensur sowie die Vermutungen der Spionage seien unzutreffend.
Anders sieht jedoch die Stellungnahme der Wissenschaftsministerin Theresia Bauer aus: Auf eine Anfrage des Landtagsabgeordneten Nico Weinmann (FDP) antwortet sie, der Landesregierung sei bekannt, dass der chinesische Staat beziehungsweise die Kommunistische Partei Chinas über das Hanban über Einflussmöglichkeiten auf Veranstaltungen, Lehrinhalte und Lehrmaterialien der Konfuzius-Institute in Deutschland verfügt. Vonseiten des Baden-Württembergischen Landtages werde dieses Risiko sehr ernst genommen.
Finanzierung durch die Kommunistische Partei Chinas, Kontrolle über Lehrpersonal und Programmpläne, das bewusste Verschweigen kontroverser Themen wie Hong-Kong oder Menschenrechtsverletzungen, starke Kritik von Studierenden, Politikern, Menschenrechtsorganisationen und sogar die Beendigung der Kooperationen an anderen deutschen Universitäten stehen hier der Aussage der Universität Heidelberg entgegen, alle Vorwürfe seien unzutreffend. Vonseiten der Universität scheint eine Beendigung der Kooperation nicht in Frage zu kommen, selbst eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema nicht erwünscht.
Von Konfuzius selbst soll die Aussage stammen: „Wenn über das Grundsätzliche keine Einigkeit besteht, ist es sinnlos, miteinander Pläne zu machen.“ Nun bekennt sich die Universität Heidelberg in ihrem Profil zu „ihrer Verantwortung gegenüber Mensch, Gesellschaft und Natur.“ Sie wolle „ihr Wissen und Können in einer offenen, vorurteilsfreien Haltung gegenüber Menschen und Ideen entwickeln, nutzbar machen und an nachfolgende Generationen weitergeben.“ Andererseits scheint sie kein Problem damit zu haben, eine Kooperation mit einer von einem autoritären Staat wie China geleiteten und finanzierten Bildungseinrichtung einzugehen.
Ruth Lang Fuentes studiert Mathematik. Sie schreibt seit dem SoSe 2020 für den ruprecht über politische Anliegen der Studierenden, sowie über Film und Kino in Heidelberg. Nebenbei schreibt sie einen Blog über Film und Feminismus, ein Thema, das sie auch im ruprecht mehr aufgreifen möchte. Seit dem WiSe 2020/21 leitet sie das Ressort Online.