„Die Ehe ist veraltet und eine Falle“, soll die geschiedene Schauspielerin Catherine Deneuve einmal gesagt haben. Trotzdem heirateten deutschlandweit dem statistischen Bundesamt nach in den letzten fünf Jahren jährlich um die 400 000 Menschen. Das Durchschnittsalter liegt zwischen 31 und 34 Jahren. Heiraten gilt mittlerweile vor allem in studentischen Kreisen als etwas sehr Konservatives und Veraltetes. Etwas, das man vielleicht später einmal macht, wenn man „erwachsen“ ist und eine eigene Familie gründen möchte. Im Jahr 2020 waren dennoch laut statista immerhin 1,8% der deutschen Studierenden verheiratet. Das bedeutet für die Uni Heidelberg fast 400 Studierende, die ihren Partner:innen schon das Ja-Wort gegeben haben. Was bewegt diese jungen Menschen, dieser Tradition zu folgen? Warum so jung heiraten? Und ist die Ehe wirklich eine Falle? Wir haben mit drei Heidelberger Studierenden geredet, die schon im Studium geheiratet haben.
Maria (26, in der Promotion):
„Wir haben die Entscheidung, vor allem den Zeitpunkt der Entscheidung, zu heiraten hauptsächlich aus monetären Gründen getroffen. Ich war damals 23, wir waren schon vier Jahre zusammen und wahrscheinlich hätten wir ohnehin drei oder vier Jahre später geheiratet. Peter, mein Mann, hat sich damals zum ersten Mal mit seinem Steuerbescheid auseinandergesetzt und bemerkt, dass wir richtig viel Geld an Steuern sparen würden, wenn wir verheiratet wären. Ziemlich überstürzt haben wir dann geheiratet, kurz nach der Abgabe meiner Masterarbeit. Mit den Ersparnissen habe ich dann noch mein weiteres Studium finanziert.
Er hat mir tatsächlich einen klassischen Antrag gemacht, mit Ring und Kniefall. Das hat mich dann doch sehr überrascht. Geheiratet haben wir standesamtlich, keiner von uns beiden gehört einer bestimmten Konfession an. Die Feier haben wir möglichst klein gehalten, auf das ganze ‚Hochzeitzeug‘ hatte ich gar keine Lust. Für mich war das nie dieser Traum vom ‚schönsten Tag meines Lebens‘. Diese Einstellung fand ich immer grenzdebil. Das europäische Verständnis von der Frau in der Ehe ist meiner Meinung nach wirklich nicht, wie ich mich als junge Frau sehen will und das will ich auch nicht übernehmen.
Man merkt schon noch bei vielen Menschen in ihren Reaktionen, dass sie ein veraltetes Verständnis von Ehe haben. Viele denken, dass wir jetzt Kinder bekommen wollen, was nicht der Fall ist. Was mir auch aufgefallen ist, ist, dass man von der Gesellschaft als Ehepartner einen ganz anderen Stellenwert zugeschrieben bekommt — vor allem im Vergleich zu einem unverheirateten Paar.
Ich würde sagen, dass viele die Ehe überbewerten. Ich habe sie nie als einen krassen Einschnitt in mein, unser Leben gesehen. Das Einzige, das sich vielleicht geändert hat, ist, dass wir jetzt ein Gemeinschaftskonto haben. Monogamie, die oft sehr eng mit Ehe verknüpft ist, empfinden wir als kein zwingendes Muss. Unsere Nachnamen haben wir beide jeweils behalten.
Hinsichtlich Hochzeit, sollte man sich von gesellschaftlichen Vorstellungen, von kulturell vorgelegten Idealen lösen und sich lieber fragen: Was will ich selbst? Dabei darf man sich nicht in ein Rollenmuster drängen lassen. In der Ehe ist es wie in jeder anderen Partnerschaft: Das Gefängnis schaffst du dir letzten Endes immer selbst!“
Julia (27, Staatsexamen Lehramt):
„Wir haben letztes Jahr geheiratet, kurz vor Ende meines Studiums und ich war dabei, mich für das Referendariat zu bewerben. Paul hatte seine Stelle schon hier in Heidelberg und ich wollte die Sicherheit, auch hier bleiben zu können. Wir waren schon sechs Jahre zusammen, das Referendariat war vor allem der Auslöser, zu heiraten. Die Ehe war uns beiden nicht so wichtig. Wir wussten, wir müssen es nicht tun, können es aber. Vor allem hinsichtlich des Refs dachten wir uns dann: ‚Warum nicht heiraten, wenn es auch Vorteile hat?‘
Unsere Freunde haben sich auf jeden Fall alle sehr über die Hochzeit gefreut, waren zum Teil motivierter als wir selbst. Zu unserer standesamtlichen Trauung wollten wir eigentlich noch eine freie Trauung mit einem von der Kirche unabhängigen Trauredner organisieren. Wegen der Corona-Pandemie war dann doch leider nur eine kleine Feier möglich.
In unserer Beziehung hat sich nichts geändert, aber das Umfeld sieht die Beziehung jetzt mit anderen Augen. Viele denken, wir seien uns jetzt viel sicherer damit als davor, nähmen es jetzt ernster. Das stimmt bei uns aber nicht. Wir haben nicht geheiratet, weil wir etwas ändern wollten. Unsere Beziehung war davor gut und ist es auch jetzt. Außerdem gibt die 100% Sicherheit ja nie. Man muss auch in der Ehe offen sein für Veränderungen und dem Partner Platz für seine Entwicklung geben.
Ich würde schon sagen, dass Heiraten konservativ und altmodisch ist, obwohl es von vielen Paaren mittlerweile anders vorgelebt wird. Es gibt von der Gesellschaft dieses Idealbild der Ehe, dieses klassische Leben von Ehefrau, Haus und Kindern, das ich nie wollte. Aber schließlich liegt es an einem selbst, was man daraus macht. Und tatsächlich werden durch das Heiraten einem viele Dinge erleichtert und man bekommt mehr Rechte zugesprochen. Es ist zum Beispiel völlig normal, wenn ich jetzt einen Termin für meinen Mann beim Arzt ausmache. Und auch um einen Referendariatsplatz in Heidelberg musste ich nicht mehr bangen.
Apropos altmodisch: Paul hat übrigens meinen Nachnamen übernommen, was seine Familie sehr schlimm fand. Ringe wollten wir eigentlich nicht tragen, aber letztlich haben wir einen Ringschmiedekurs von meinen Eltern geschenkt bekommen und jetzt tragen wir unsere selbst angefertigten Ringe.“
Álvaro (30, Master of Science):
„Meine Frau und ich sind schon seit einer ganzen Weile zusammen, seit Ende des Gymnasiums. Wir haben vor einigen Jahren nach Ende meines Bachelorstudiums und ihres Masterstudiums standesamtlich geheiratet. Wir wollten auch nicht zu alt heiraten und da wir schon so lange zusammen waren, dachten wir, dass das der richtige Zeitpunkt war. Mit dem Abschluss in der Tasche haben wir uns auch halbwegs selbstständig gefühlt. Unsere Kommilitonen und Freunde haben auch hauptsächlich positiv darauf reagiert. Sie kennen uns alle gut und wissen, dass wir eine ziemlich stabile Beziehung haben und freuten sich mit uns. Für unsere Beziehung an sich hat sich gar nichts geändert, aber für die Außenwelt stehen wir als familiäre Einheit anders da als vorher.
Ich denke heiraten ist einfach eine Lebensentscheidung. Wenn man eine Person trifft und weiß: ‚Okay, mit dieser Person möchte ich gerne mein Leben aufbauen und älter werden‘, dann tut man es einfach, auch wenn der Zeitpunkt ein bisschen früh ist.
Wenn man aber als junger Mensch noch nicht in der festen Beziehung ist, in der man sich sicher ist, sollte man sich auf jeden Fall die Zeit nehmen und schauen, dass man erstmal das eigene Leben im Griff hat und sich genug mit sich selbst beschäftigt hat, bevor man sich einem anderen Menschen widmet. Heutzutage, dadurch, dass Heiraten und Beziehungen so leicht gehandhabt werden, ist es manchmal schwierig eine feste Beziehung am Leben zu halten, weil man immer der Meinung ist: ‚Wenn das nicht klappt, dann schaue ich noch weiter, ich bin ja noch jung.‘ Das hat natürlich den Vorteil, dass man Vieles kennenlernen kann und Vieles erleben, bevor man diese wichtige Lebensentscheidung trifft. Andererseits hat es auch den Nachteil, dass man dann nie tief genug in eine Beziehung reingehen kann, weil man oft bei den kleinsten Schwierigkeiten schon geht. Das kann dazu führen, dass man nur oberflächliche Beziehungen hat und sich dann Stress macht und fragt: ‚Wen werde ich heiraten?‘ ‚Warum finde ich denn niemanden?‘ Meiner Meinung nach leiden viele junge Menschen heutzutage darunter, weil viele dann doch eine feste, stabile, liebevolle Beziehung haben wollen.
Das ist vielleicht das Altmodische beim Heiraten, was ich eigentlich nicht schlecht finde. Man sagt: ‚Okay, das ist die Person und jetzt ziehen wir es durch.‘ Ich habe das Gefühl, dass viele in der Beziehung ein Produkt und weniger die Liebe selbst suchen, mehr nach dem, was sie von der anderen Person bekommen können und weniger, was sie ihr geben können. Wenn man sich von Anfang an in eine feste Beziehung einlässt, sollte man mehr den Fokus darauf legen, wie man zusammen, in der Partnerschaft wachsen kann, ohne ständig auf die Idee zurückzugreifen, den anderen zu verlassen und nochmal von vorne zu beginnen.“
von Ruth Fuentes
Ruth Lang Fuentes studiert Mathematik. Sie schreibt seit dem SoSe 2020 für den ruprecht über politische Anliegen der Studierenden, sowie über Film und Kino in Heidelberg. Nebenbei schreibt sie einen Blog über Film und Feminismus, ein Thema, das sie auch im ruprecht mehr aufgreifen möchte. Seit dem WiSe 2020/21 leitet sie das Ressort Online.