Änderungen im Landeshochschuldgesetz legitimieren Universitäten, eigenhändig die Bedingungen für Online-Prüfungen zu regeln. Ein Blick auf die Prüfungssituation in Heidelberger Fakultäten.
Das Coronavirus kam mit einer zweiten Welle und schickte die Studierenden auch ins zweite Online-Semester. Vorlesung, Arbeitsgemeinschaft, Praktikum, Klausur – all das findet seit einer Weile in den häuslichen vier Wänden statt. Was Universitäten zunächst nach eigenen Vorstellungen regelten, wurde Ende Dezember 2020 rechtlich legitimiert: Online-Prüfungen. Man fügte die §§ 32a und 32b ins Landeshochschulgesetz (LGH) ein. Hochschulen können die unter Einsatz elektronischer Geräte stattfindenden Prüfungen demnach selbst regeln und haben die benötigten Informations- und Kommunikationssysteme bereitzustellen.
„Der Präsenz-Studienbetrieb der Universität, inkl. Prüfungen, bleibt bis zum Ende des Wintersemesters 2020/2021 ausgesetzt.“ heißt es auf der Homepage der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Also sollten am besten alle Studierenden mit ruhigem Arbeitszimmer, Computer sowie stabiler Internetverbindung ausgerüstet sein. Kann das eine Uni erwarten? Schließlich sollten trotz aller Infektionsschutzmaßnahmen Chancengleichheit und faire Bedingungen herrschen.
Aus diesem Grund sind die Online-Prüfungen laut der Anpassung des Landeshochschulgesetzes freiwillig. Als Alternative soll nach § 32a LHG eine Vor-Ort-Prüfung angeboten werden. Um in Heidelberg eine Prüfung in Präsenz zu absolvieren, muss ein triftiger Grund vorliegen und eine Ausnahmegenehmigung beantragt werden. Dies bestimmen die Regelungen der Uni unter Berücksichtigung der Corona-Verordnung Studienbetrieb sowie der Corona-Verordnung des Landes Baden Württemberg zum Schutz gegen die Ausbreitung des Virus SARS-CoV-2 in ihren gültigen Fassungen. Studierende, die eine Genehmigung beantragen, bestätigen damit das zwingende Erfordernis einer Präsenzveranstaltung sowie das Vorliegen eines Hygienekonzepts oder einer „Gefährdungsbeurteilung Corona“ mit Lüftungskonzept (Quelle: https://www.uni-heidelberg.de/de/newsroom/informationen-zum-coronavirus). Klausuren vor Ort schreiben geht also nur in Ausnahmefällen. Dies gilt seit 1. November 2020 bis voraussichtlich zum Ende des Wintersemesters 2021.
„Kompetenzorientierte Prüfungsformate sorgen dafür, dass weniger routiniert dasselbe abgefragt wird und mehr Transferleistungen gefordert sind.“
Julius-David Friedrich vom Centrum für Hochschulentwicklung (CHE)
Trotz der Ungewissheit kann die Situation den Studierenden auch Vorteile bringen. „Kompetenzorientierte Prüfungsformate sorgen dafür, dass weniger routiniert dasselbe abgefragt wird und mehr Transferleistungen gefordert sind. Für den Lernerfolg wäre das in vielen Fächern sogar besser als die reine Wissensabfrage“, sagt Julius-David Friedrich, Bildungsexperte am Centrum für Hochschulentwicklung (CHE), bei einem Interview mit SPIEGEL. Bei der letzten Hochschulrektorenkonferenz wurde sogar beschlossen, neue Prüfungsformate auch nach der Pandemie zu diskutieren sowie neue Möglichkeiten zu erproben, um Studium und Lehre innovativ weiterzuentwickeln.
Wie haben also die Heidelberger Studierenden in den Online-Semestern ihre Prüfungen absolviert und hat es funktioniert? Einige studentische Erfahrungen.
Ethnologie/Philosophie
„Also das mit den Klausuren dieses Semester ist tatsächlich ein bisschen chaotisch“, beschreibt ein Ethnologie- und Philosophiestudent aus dem dritten Semester seine Prüfungslage. Bei einer Klausur sei noch immer nicht klar, wann sie geschrieben wird. Eine andere wurde durch eine dreitägige Hausarbeit ersetzt. Insgesamt sind die Termine nicht ganz verlässlich oder werden erst kurzfristig bekannt gegeben, weil unsicher ist, wie sich die Lage verändert.
Jura
Seit Beginn der Pandemie finden sowohl Vorlesungen als auch Prüfungen für Jurastudierende online statt. Teilweise muss eine Selbstständigkeitserklärung unterschrieben werden, teilweise wird auf Open-Book-Klausuren zurückgegriffen. Manche Klausuren sind dadurch schwieriger. „Auch wenn man theoretisch Definitionen und Meinungsstreits nachschauen kann, fehlt dafür in der Praxis die Zeit“, erklärt Jurastudentin Michelle (5. Semester). Zudem teilten Lehrstühle mit, dass die abgefragten Themen nicht in Lehrbüchern oder im Internet zu finden sind, um eine übliche Klausursituation zu gewährleisten, in der man selbst die Lösung erarbeiten muss. Der Zeitraum für eine Klausur um 30 bis 45 Minuten verlängert, um eventuell auftretende technische Probleme zu beseitigen und genug Zeit zum Einscannen und Hochladen zu haben.
VWL/Economics
Die Fakultät „VWL/Economics“ hat Anträge an die Universitätsleitung gestellt, um Prüfungen in Präsenz abzuhalten. Vier Wochen vor der Klausur sind diese noch nicht final genehmigt, sodass auch die Termine für die Klausuren unter Vorbehalt stehen. Eine Planung ist für alle schwierig.
Physik
Die Klausuren bestanden in Physik ausnahmsweise aus Multiple-Choice-Aufgaben. Die Bedingungen für die Bearbeitung waren wie im Hörsaal: Ein Formelzettel und drei Stunden Zeit. „Es war keine Open-Book-Klausur, aber Abschreiben hätte auch nichts gebracht. Wir mussten viel rechnen“, erzählt Physikstudent Jan (3. Semester). Nach der Klausurbearbeitung stand noch ein Zeitraum zur Verfügung, in der die ausgefüllte Prüfung per Mail zurückgeschickt werden musste. Jans Meinung nach hätten diejenigen ein Problem, bei denen das Zurückschicken wegen schlechtem Internet nicht funktioniert. Das sei bei seinen Klausuren zum Glück noch nicht vorgekommen.
Grundschullehramt (PH)
Auch an der PH werden Prüfungen zu Hause absolviert. „Es hat alles sehr gut geklappt“, meint Paulina, Studentin für Sport und Deutsch auf Grundschullehramt im zweiten Semester. Die Fakultäten verlangten für eine Prüfung eine Selbstständigkeitserklärung sowie eine Zustimmung, dass die Klausur online durchgeführt wird. An die verschiedenen Plattformen musste sich Paulina erst gewöhnen, aber ansonsten kamen jegliche Informationen von den Lehrstühlen rechtzeitig an.
Von ziemlich chaotisch bis gut organisiert ist bei den Fakultäten also alles dabei. Neben viel Durchhaltevermögen und Zusammenhalt eint doch alle die Hoffnung, dass vielleicht schon bald alle Pläne für das Online-Studieren nicht mehr gebraucht werden.
von Julia Bierlein
Julia Bierlein studiert Jura. Sie schreibt seit Anfang 2021 für den ruprecht, am liebsten über die Uni und das studentische Leben in Heidelberg.