„Manche finden, es [war] zu viel Stoff, zwei haben schon abgebrochen. Es ist wirklich viel, aber nicht schwer. Meine feste Gruppe kenne ich seit der Einführungswoche und wir sprechen in der Klausurenphase viel darüber, was wir lernen. Wir treffen uns auch oft zum Kochen und hatten sogar eine kleine Weihnachtsfeier.“
Für Studienanfänger:innen des Wintersemesters 20/21 gleicht dieses Szenario einem Science-Fiction Streifen. Das Coronavirus treibt seit Ende 2019 weltweit sein Unwesen. Seitdem gilt: „AHA + L + C“. Was wie eine chemische Reaktionsformel klingt, ist letztlich aber die Begründung, warum die Universitäten bundesweit gezwungen waren, den Präsenzbetrieb im Wintersemester weiterhin einzustellen und auf Online-Lehre umzusteigen. Besonders hart trifft das die Neuen an der Uni. Einführungswochen fanden – wenn überhaupt – nur zum Teil statt, Kneipentouren und Ersti-Partys mussten ausfallen. Vor allem Kontakte zu knüpfen stellte unter diesen Umständen für viele ein großes Problem dar.
So meint die Mathematik- und Theologiestudentin Aimée Faix: „Studieren hängt in meinen Augen maßgeblich mit dem Kontakt zu anderen Studierenden zusammen. Sowohl in Bezug auf das soziale Miteinander in der Freizeit, welches eingeschränkt ist, aber natürlich auch im Austausch über das Studienfach und dessen Inhalte, insbesondere in Mathe das Rechnen der Übungsblätter“. Der Einstieg in ein Leben als Student:in, der unabhängig von der gegenwärtigen Situation ohnehin eine Herausforderung darstellt, wurde damit immens erschwert.
Diese Schwierigkeiten schlagen sich auch in anderen Lebensbereichen nieder. So berichtet Aimée weiter, dass vor allem das Selbstmanagement und Erstellen eines geregelten Alltags schwerfiel. Gerade die Balance zu finden die Zeit sinnvoll zu nutzen, aber auch nicht den ganzen Tag vor dem Laptop zu hängen, sei nicht einfach gewesen. Das deutete sich auch an einer Instagram-Umfrage des ruprecht an, bei der 88 Prozent der Befragten angaben, dass sie keinen Ausgleich finden konnten. Denn nicht selten missachtete man es als anfänglich überengagierter Ersti auch mal Pausen zu machen. Der fehlende Austausch untereinander – soziale Kontakte vorausgesetzt – sorgte für eine durchgehende Unsicherheit, gerade in den ersten Wochen. Gedanken, wie „Mache ich zu wenig?“, oder „Kann ich es mir echt erlauben, heute mal den halben Tag für meinen Ausgleich frei zu nehmen? Die Anderen sind sicherlich schon viel weiter!“, wurden zur Regel und führten zu immensem Druck.
Lobenswerterweise wussten sich die Fakultäten dieser Situation zumeist anzupassen. Man bemühte sich mit Discord-Spieleabenden oder ähnlichen digitalen Veranstaltungen den Neulingen entgegen zu kommen, um zumindest digital eine Plattform zum Kennenlernen zu bieten. Allerdings gab es hierbei zwischen den Fakultäten ein gewisses Gefälle: Einige versuchten so gut es geht Ersatzveranstaltungen zu organisieren, anderswo kam man sich ein wenig allein gelassen vor. So eine Sportstudentin auf die Frage, ob sie sich mehr Entgegenkommen vonseiten der Uni gewünscht hätte: „Gewünscht vielleicht schon, aber ich denke kaum, dass man sonderlich viel mehr hätte machen können. Ich finde, in Anbetracht der Lage war es gar nicht so schlecht gelöst. Es gab ja tatsächlich auch ein paar organisierte Veranstaltungen, aber leider konnte ich keine davon besuchen.“
Tatsächlich stellte sich die Online-Lehre gerade für Erstsemester in manchen Bereichen aber auch als äußerst hilfreich heraus. Zum Beispiel dürften viele von ihnen in den nächsten Semestern noch einmal ihren persönlichen Ersti-Moment erleben, wenn sie das erste Mal in einer Präsenzveranstaltung simultan mitschreiben müssen – asynchron hochgeladene Vorlesungen können nämlich noch einmal gestoppt, zurückgespult oder auch einfach gespeichert werden. Wie sich herausstellte, sind die asynchronen Lehrangebote jedoch Fluch und Segen zugleich. Sie können zwar immer beliebig abgerufen werden, „wobei das auch ein Nachteil sein kann, wenn man nicht konsequent genug ist.“, wie die zuvor erwähnte Studentin im ersten Semester betonte.
Wie darf man also ein Semester, in dem so vieles anders lief als üblich, bewerten? Nun, ich glaube kaum, dass es für die Situation, in der vor allem wir Erstis uns dieses Wintersemester befanden, passende Maßstäbe gibt. Schließlich gab es zuvor keine vergleichbaren Semester mit Ausnahme des vorigen Semesters, das jedoch weniger streng reguliert wurde. Aber ganz ohne Zweifel – für Erstsemester war studieren in dieser Zeit eine Zumutung. Der Umzug in eine neue Stadt, das fehlende Kennenlernen neuer Leute, die Einsamkeit und der Druck aus der Uni waren für viele sehr belastend. Nichtsdestotrotz meine ich, dass die Uni sich durchaus Mühe gegeben hat, das Beste aus der Situation herauszuholen. Sowohl die Organisation der Online-Lehre, als auch die Kommunikation zwischen Studierenden und Lehrenden funktionierte in den meisten Fällen recht zufriedenstellend, wobei das auch nur der Eindruck aus der Perspektive von Leuten ist, die die Uni bisher nicht anders kennen.
Jonas Stil studiert Theologie und Philosophie. Seit dem Wintersemester 20/21 schreibt und fotografiert er für den ruprecht. Besonders gerne widmet er sich philosophisch-theologischen Themen, aber auch aktuellem Zeitgeschehen und Kultur in und außerhalb Heidelbergs.