Geimpft mit AstraZeneca – eine Entscheidung, die bei einigen Studierenden in den letzten Wochen für Trubel sorgte. Auf die anfängliche Begeisterung über ein Impfangebot folgte schnell ein Dämpfer. Zuerst setzte das Gesundheitsministerium den Impfstoff am 15. März vorsorglich aus, um die AstraZeneca-Impfungen am 19. März wieder aufzunehmen. Letztlich sprach die Ständige Impfkommission (Stiko) am 1. April ihre endgültige Empfehlung aus: Sie rät den unter 60jährigen von einer Impfung mit AstraZeneca ab. Bereits Geimpfte sollen einen mRNA-Impfstoff als Zweitdosis bekommen.
Der Ratschlag zur sogenannten „Kreuzimpfung“ wirft Fragen auf. Nicht zuletzt, weil die WHO eine andere Meinung vertritt. Eine Kombination von Impfstoffen könne nicht empfohlen werden, weil die Datenlage zu schlecht sei. Damit lehnt die WHO zwar nicht direkt eine Kreuzimpfung gegen das Coronavirus aus, unterstützt sie allerdings auch nicht.
Com-Cov-Studie
Diese Datenlage veränderte sich mit einer Publikation des britischen National Institute for Health Research am 12. Mai in The Lancet. In der Com-Cov-Studie untersucht es seit Anfang Februar die Vergabe verschiedener Impfstofftypen ohne feste Abfolge. Die Zwischenergebnisse zeigen, dass Studienteilnehmer, die eine Kombination der Impfungen von Astra Zeneca und BioNTech erhalten hatten, mehr Nebenwirkungen entwickelten. Sie klagten nach der Zweitimpfung häufiger über Fieber, Schüttelfrost, Kopfschmerzen und Erschöpfung. All das war jedoch vorübergehend und trat hauptsächlich 48 Stunden nach der Zweitimpfung auf. Die Impfreihenfolge spielte keine Rolle.
Die veröffentlichten Ergebnisse lassen nur eingeschränkte Aussagen über mögliche Nebenwirkungen in der Gesamtbevölkerung zu. Sie beziehen sich auf einen Impfabstand von vier Wochen, der bei keiner der beiden Impfungen angewendet wird. Ein weiterer Teil der Studie berücksichtigt ein Intervall von zwölf Wochen, hier stehen die Ergebnisse noch aus. Die Untersuchungen lassen keine festen Schlüsse für die Gesamtgruppe der Unter-60jährigen zu, da alle 463 Teilnehmer 50 Jahre oder älter sind.
Bessere Schutzwirkung?
Versuche mit Mäusen deuten darauf hin, dass eine Kombination von Impfstoffen die Immunantwort verstärkt. Es gibt bereits Impfstoffe gegen andere Krankheiten, die auf ein sogenanntes „heterologes Impfschema“ setzen. Ein Beispiel ist ein erst vor kurzem zugelassener Ebola-Impfstoff. Ähnlich wie bei der augenblicklich empfohlen Kreuzimpfung gegen das Coronavirus werden zwei Impfstoffe kombiniert, die dasselbe Antigen des Ebola-Virus ansteuern.
Die Wirksamkeit von Kreuzimpfungen gegen das Coronavirus bleibt damit weiter unklar. Virologen gehen dennoch davon aus, dass keine verminderte Wirkung eintritt. Zuletzt lösen die Impfstoffe von AstraZeneca und BioNTech eine Immunantwort auf das gleiche Antigen aus — nur auf unterschiedlichen Wegen.
Von Sarah Ellwardt
Sarah Ellwardt studiert Humanmedizin und schreibt seit März 2020 für den ruprecht – vor allem für das Ressort Wissenschaft. Ihr Antrieb ist es, einen Zugang zu aktuellen wissenschaftlichen Themen zu schaffen, um die Welt verständlicher zu machen. Seit Dezember 2020 leitet sie das Ressort Studentisches Leben.
Link zu vorläufigen Ergebnissen der breiter angelegten CombivacS Studie. Mit immunologischen Daten:
https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=3854768
Ja, aktuell und COVID betreffend, kommt man in bestimmten Situationen wohl nicht um Preprints oder gar educated guessing herum.
Die Empfehlung der STIKO zum heterologen Schema für <60Jährige nach Erstimpfung mit AZ zeigt das ja. Als die kam, gab es ja noch nicht einmal die Daten zu Nebenwirkungen.
Nun gibt es auch etwas zur Immunantwort, Uni Ulm. Leider nur mit kleiner Datenbasis (26 Personen) und natürlich als Preprint:
https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2021.05.30.21257971v1.full.pdf
Das Charité-Preprint ist nun auch um vorläufige Daten für den immunologischen Teil ergänzt worden:
https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2021.05.19.21257334v2.full.pdf
Ich denke man kann zum jetzigen Zeitpunkt annehmen, dass zumindest keine wesentlichen Nachteile in der Wirksamkeit des AZ+BNT-Schemas gegenüber eines mit 2x BNT erkennbar sind.
Aus persönlicher Erfahrung kann ich bei mir milde Nebenwirkungen bestätigen, bei AZ lokale Reaktion an der Einstichstelle, leicht Müdigkeit am nächsten Tag, 9 Wochen später BNT: Lokale Reaktion geringer, dafür etwas mehr Müdigkeit. Nichts wirklich Einschränkendes.
Noch ein interessantes Preprint, zu Dauer und Breite der Immunität von Genesenen und zusätzlich mRNA-geimpften Genesenen. Leider auch mit kleiner Probandenzahl:
https://www.biorxiv.org/content/10.1101/2021.05.07.443175v2.full.pdf
Mich stimmt das sehr hoffnungsvoll, was die Virusvarianten, nötige Impfstoffanpassungen und Auffrischungsintervalle betrifft.
Nun, die Datenlage sah schon am 28.5. etwas besser aus, jedenfalls was die Nebenwirkungen von heterologen Impfschemata betrifft. Wenn man ein Preprint der Studie an der Charité und eine Pressemeldung der CombivacS-Studie einbeziehen möchte.
Eine davon ist auch altersmässig wesentlich näher an der Gruppe der Studierenden.
In beiden Studien werden die erhöhten Nebenwirkungen aus den Vorabergebnissen der Com-Cov-Studie nicht bestätigt. Im Gegenteil scheinen sogar weniger aufzutreten als bei homologem Schema mit BNT. Als ursächlich wird der längere Impfabstand vermutet, der sich viel näher an der STIKO-Empfehlung bewegt.
Demographie: Bei der Studie an Mitarbeitern der Charité median 34 years, 60% female, bei der ComCov median 57 years, 46% female und bei CombivacS lag das Altersmittel bei 44. Was vielleicht auch zu Unterschieden in der Verträglichkeit beiträgt.
Bei CombivacS lassen die Pressemeldungen auch eine erhöhte Wirksamkeit (Antikörperlevel) der dort untersuchten heterologen Impfschemata vermuten.
https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2021.05.19.21257334v1.full
Wer das Wesentliche lieber auf Twittwer liest 😉
https://twitter.com/Sander_Lab/status/1396445524077776902
Nature Artikel zu CombivacS:
https://media.nature.com/original/magazine-assets/d41586-021-01359-3/d41586-021-01359-3.pdf
Weist am Rande auch auf die Frage hin, wie es denn weitergeht wenn Auffrischungen angesagt sind.
Hey Josch, danke für deinen Beitrag. Beide Studien lagen mir zu dem Zeitpunkt, als ich den Artikel geschrieben habe, leider noch nicht vor. Um zu beurteilen, inwiefern ein heterologes Impfschema mehr oder weniger Nebenwirkungen hervorruft, verweise ich auf die Quellen in meinem Text und auf die bei dir verlinkte Studie aus dem Nature. Die Studie der Charité ist noch nicht Peer-reviewed, was du aber auch eingangs erwähnt hast. Zuletzt trifft die Studie im Nature natürlich auch eine Aussage über die Immunantwort heterologer Impfschemata. Der Vergleich zu einer Immunantwort, die von zwei Dosen eines mRNA-Impfstoffs ausgelöst wird, wird jedoch nicht gezogen — was keine generelle Aussage ermöglicht.