Beim Studi-Gipfel diskutierten Studierende mit Theresia Bauer und Winfried Kretschmann über Öffnungsperspektiven an Hochschulen
Onlinelehre: „Was soll gehen, was soll bleiben?“ Das war die zentrale Frage, um die es beim neu eingeführten Studi-Gipfel BW am 20.5. ging. Zur Veranstaltung hatte das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg eingeladen. Hierzu fanden sich Vertreter*innen der Studierendenschaft, der Hochschulen und Studierendenwerke sowie Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Ministerin Theresia Bauer zu einer Plenumsdiskussion zusammen.
Sowohl die Veranstaltung als auch die vorangegangenen Workshops konnten online mitverfolgt und mitgestaltet werden. So bediente sich die Moderatorin Denise Burgert eines Online-Abstimmungstools, um ein Stimmungsbild von den größtenteils studentischen Zuschauern zu erhalten. Auf die Frage, wie es den meisten aktuell gehe, antwortete eine deutliche Mehrheit mit „erschöpft“. Auch in der Diskussion kamen die Teilnehmer*innen immer wieder darauf zu sprechen, wie zermürbend die Situation für Studierende zurzeit ist.
„So langsam ist die Luft raus“
Sabine Köster, Mitarbeiterin der Psychosozialen Beratungsstelle am Studierendenwerk Karlsruhe, betonte, wie wichtig Öffnungsperspektiven für die Studierenden seien. „Die Belastung seit letztem Herbst hat stark zugenommen.“ Viele Studierende berichteten, dass sie Schwierigkeiten hätten, morgens aus dem Bett zu kommen. Deswegen sei eine baldige Öffnungsperspektive für die psychische Gesundheit vieler sehr wichtig. „So langsam ist die Luft raus“, sagte auch Kai Moltzen, Student an der Hochschule Esslingen. „Ohne Perspektive, ohne konkrete Pläne fehlt die Motivation, sich jeden Tag vor den Bildschirm zu setzen.“
Theresia Bauer konterte, dass ständig darüber nachgedacht wurde, welche Öffnungen verantwortbar seien, „aber die Pandemie hat uns permanent ins Nachsteuern gezwungen. Ich hätte mir zu Beginn des Wintersemesters nicht ausmalen können, dass das noch so lange bleibt.“ Diese Aussage wurde – wie viele andere auch – mit einem Nicken der anderen Diskussionsteilnehmer*innen begleitet. Es herrschte in vielen Fragen ein Konsens: Die Unis benötigten laut allen einen Öffnungsplan, aus der Onlinelehre versuchten alle für die Zukunft etwas Gutes zu gewinnen. Nur in der Umsetzung des gemeinsamen Konsens gab es Uneinigkeit und sehr unterschiedliche Konzepte.
„Die Pandemie hat uns permanent ins Nachsteuern gezwungen. Ich hätte mir zu Beginn des Wintersemesters nicht ausmalen können, dass das noch so lange bleibt.“
So kritisiere Kai Moltzen, dass die aktuellen Öffnungsschritte nicht im Verhältnis zu anderen Öffnungen stünden. „In der Bibliothek 20 Quadratmeter pro Person, im Restaurant viel weniger.“ Bauer und Kretschmann stellten weitere Öffnungen von Seminarräumen als Lernorte in Aussicht. Dies wurde sehr begrüßt, da die Bibliotheks-Lernplätze zurzeit stark reduziert sind. Viviana von den Driesch, Studentin an der Uni Mannheim, lenkte den Blick auch auf die Wohnsituation: „Man darf nicht vergessen, dass viele in Studentenwohnheimen auf wenig Platz wohnen.“ Da sei die Bibliothek sehr wichtig. Pohl bekräftigte: „Unsere Bibliotheken sind (…) Informationsquelle und Lernort, wo ich mich hin zurückziehen kann.“
Als wichtigsten Schritt für die nächsten Monate sahen die meisten Diskussionsteilnehmer*innen eine zügige Durchimpfung der Studierendenschaft. Es wurden Impfslots für Studierende in Impfzentren vorgeschlagen, auch eine Impfung am Campus wurde diskutiert. Kretschmann wollte aber keine Versprechen machen: „Es ist in erster Linie eine Frage, wie gut wir mit Impfdosen beliefert werden.“ Auch Bauer meinte, eine garantierte Durchimpfung bis Herbst sei nicht möglich.
Generell sei laut Bauer in der Krise sehr viel erreicht worden: Die Umstellung auf Onlinelehre sei ein enormer Kraftakt gewesen. Doch es gab auch Negatives: Im Rückblick an eine Gesprächsrunde im März mit Heidelberger Studierenden sagte Kretschmann: „Mir ist bewusst geworden, dass wir die wenig im Blick hatten.“ Damals wurden seine Äußerungen von vielen als taktlos empfunden. „Ich muss mich für dieses Wahrnehmungsdefizit entschuldigen.“ Er habe gleich am Tag nach diesem Gespräch die Öffnung der Bibliotheken als Lernort veranlasst.
Positiv sehen alle, dass der generelle Austausch und die Zusammenarbeit zwischen Studierenden und Dozierenden aber auch zwischen Universitäten sich verbessert habe. Aber: „Wir sind jetzt alle erschöpft“, betonte Prof. Dr. Thomas Puhl, Rektor der Uni Mannheim. Die einzige Hoffnung sei, dass die Abstandsvorschriften gelockert werden. „Das funktioniert nur, wenn (…) geimpft wird, wie der Teufel.“
Als Ziel für die nächste Zeit setzte Bauer die gemeinsame Gestaltung der Lehre: „Wir werden im großen Stil über Hochschule in der digitalen Welt reden: Was muss sie können, was muss sie leisten, um die jungen Leute auf die großen Aufgaben unserer Gesellschaft vorzubereiten.“
von Lena Hilf
...studiert Physik und schreibt seit Oktober 2019 für den ruprecht. Besonders gerne widmet sie sich Glossen, die oft das alltägliche Leben sowie wissenschaftlichen oder politischen Themen. Seit April 2021 leitet sie das Ressort Hochschule.