Vorlesungen im Schlafanzug hören und Klausuren im Bett schreiben. Genial, oder etwa nicht? Seit dem Beginn des Corona-Semesters wissen wir vor allem eins: Im Homeoffice herrscht Chaos, Verwirrung und Angst. Was das für die Klausurenphase bedeutet und welche Rechte Studierende geltend machen können, haben wir den Leiter des juristischen Prüfungsamts, Daniel Kaiser, gefragt.
Wenn während der Klausur plötzlich der Laptop spinnt, kann kaum einer einen kühlen Kopf bewahren. „Grundsätzlich muss jeder Studierende im Rahmen seiner ‚Mitwirkungspflicht‘ die Voraussetzungen für die Ausarbeitung der Klausur schaffen“, sagt Kaiser. „Bei einer Online-Klausur muss die Universität letztlich davon ausgehen, dass die Studierenden mit einem funktionierenden Laptop und schnellem Internet ausgerüstet sind.“
Wer diesem Idealbild nicht entspricht, der kann im Bedarfsfall auf vorhandene Ressourcen der Universität zurückgreifen. „Soweit hierfür Kapazitäten wie öffentliche PCs, Räume, Personal zur Verfügung stehen, sollten diese auch genutzt werden. Man hat aber keinen Anspruch darauf, dass hierfür neue Ressourcen geschaffen werden.“ Im Zweifel muss schon vor der Klausur klar sein, ob man mit der Technik zurechtkommt.
Der Nutzungsanspruch gilt nicht universell. Andere Studierende dürfen nicht gestört werden. „Dies schließt beispielsweise die Teilnahme an einer mündlichen ‚Online-Prüfung‘ in öffentlichen Räumen wie der Bibliothek aus“, erklärt Kaiser. Auch wenn während der Klausur die kleinen Geschwister stören, ist das Recht klar. Jeder ist grundsätzlich für sein Wohnumfeld selbst verantwortlich. Klar ist jedoch auch, dass Störungen die Chancengleichheit beeinträchtigen. „Solche Störungen sind daher soweit möglich abzustellen oder auszugleichen, etwa durch Schreibzeitverlängerungen“, sagt Kaiser.
„Die Chancengleichheit lässt sich oft nicht vollständig realisieren.“
„Zu beachten ist aber, dass die Studierenden eine Mitwirkungsobliegenheit trifft, insbesondere eine unverzügliche ‚Rügepflicht‘. Wem also plötzlich das Geschwisterkind dazwischenplärrt, der muss dem Prüfungsleiter schnellstmöglich darauf aufmerksam machen. Bis dieser eine Entscheidung trifft, kann die Klausur allerdings schon beendet sein. „Die Chancengleichheit lässt sich oft nicht voll realisieren. Das Recht kann die tatsächlichen Grenzen leider nicht ändern“, sagt Kaiser.
Eine gefühlte, zum Himmel schreiende Ungerechtigkeit: Komiliton:innen durften bei der Klausur länger schreiben. Dennoch ist dies rechtlich unbedenklich. „Im Recht führen auch kleinere Änderungen des Sachverhalts oft zu einer ganz anderen rechtlichen Bewertung“, erklärt Kaiser. Bei Störung während der Klausur müssten etliche einzelfallspezifische Details beachtet werden. Daher könne auch eine unterschiedliche Behandlung von Personen und von Studiengängen gerechtfertigt sein.
Während der Klausur muss die Kamera angeschaltet werden. Ein Horrorszenario, nicht nur für die, denen der Datenschutz am Herzen liegt. Einen Haufen Wäsche in der Ecke oder einen Nervenzusammenbruch während der Klausur, der Prof sieht alles. Jedoch kann hier entwarnt werden. Nach § 32 a Abs. 1 Satz 3 Landeshochschulgesetz (LHG) ist die Teilnahme an einer Online-Prüfung freiwillig. Laut § 32 a Abs. 1 Satz 4 LHG muss zudem „eine termingleiche Vor-Ort-Prüfung als Alternative angeboten werden, soweit eine solche rechtlich zulässig ist“. Darin liegt jedoch die Krux. Aufgrund von Abstandgeboten ist eine Präsenzklausur zeitweilig gar nicht zulässig. Den Studierenden bleibt die Möglichkeit, das Gelernte so lange zu wiederholen, bis eine Präsenzklausur wieder möglich ist, oder den Wäschekorb kurz wegzustellen.
Von Lina Abraham
...hat während der Coronapandemie ihre Liebe zum Schreiben und zum ruprecht entdeckt und war bis zum Ende ihres Studiums in Heidelberg Teil der Redaktion. Sie leitete das Ressort „Seite 1-3“ und erlebte, wie der ruprecht im Jahr 2021 als beste Studierendenzeitung Deutschlands ausgezeichnet wurde. Besonders in Erinnerung geblieben ist ihr eine Recherche über das Unternehmen „Heidelberg Materials“ und dessen Umgang mit Menschenrechten in Togo. Lina ist weiterhin journalistisch aktiv und schreibt für das Onlinemagazin Treffpunkteuropa. Zudem ist sie als Podcast Autorin beim BdV tätig und berichtet über Flucht und Vertreibung in Europa.