Im Campus Bergheim kann man vieles, nur nicht essen. Über das Verhungern und Verzweifeln inmitten von Bauarbeiten
Hach, Bergheim. Ein Mekka der Gesellschaftswissenschaftlerinnen aus Nah und Fern. Mit seiner detailliert verzierten rosa Fassade verlockt das Institut eine jede Studierende, ihre Nachmittage in seinem Glaskasten zu verbringen. In der Bibliothek verbergen sich Bücher zu jedem erdenklichen Thema; der Innenhof bietet einen perfekten sonnigen Rastplatz für die Lernpause in der sommerlichen Klausurenphase. Was will man da schon mehr?
Die Universität Heidelberg ist ständig neuen Veränderungen offen: Ob und wie man an Präsenzveranstaltungen teilnehmen kann, das wird man bald von den Mondphasen abhängig machen. Aber in Bergheim, da bleibt die Zeit stehen. Dort kann man sich auf Stabilität verlassen. Und neben der schönen Kulisse bleibt seit Jahren vor allem eines in Bergheim stabil: der Hunger. 2017 schrieb die RNZ, das Dezernat der Universität Heidelberg plane eine „ganztätig geöffnete ‚Mensaria‘“ im Ostflügel des Campus Bergheim. Ab 2020 sollten da bis zu 150 Studierende Platz nehmen können, zusätzlich zu einem „großen Außenbereich“. Nun, es braucht keinen Sherlock Holmes, um darauf schließen zu können, was diesem Plan für 2020 dazwischengekommen sein könnte.
In Bergheim, da bleibt
die Zeit stehen
Aber Corona ist eine billige Ausrede. Zu meinem Studienbeginn 2019 war der Ostflügel immer noch eine verlassene Zone. „Ostblock“ hätte es auch ganz gut getroffen. Niemand ging dort ein und aus, geschweige denn eine Bauarbeiterin. Ich wusste damals nicht einmal, dass dieser Flügel mal benutzt werden sollte. Seien wir doch mal ehrlich: Wer glaubte, der Campus Bergheim würde im geplanten Zeitraum fertig werden, von dessen Optimismus möchte ich mir gerne eine Scheibe abschneiden. Eher würde Friedrich Merz eine parteiinterne Wahl gewinnen, als dass ich irgendwann mal nicht die Bäckerei Riegler von gegenüber für eine Mahlzeit in meiner Bib-Pause aufsuchen muss.
Aber das ist auch nicht die ganze Wahrheit: Schließlich gibt es das Café Pur, ein kleines, aber feines Café im Eingang des Gebäudes, das bei mir vor allem für seine Schoko-Muffins bekannt ist. Vor Corona-Zeiten gab es auch dort zwei heiße Mittagsgerichte (falls man einen Platz bekam). Auch dort geht keiner mehr ein und aus. Laut der Uni rentiere es sich nicht mehr, das Café zu betreiben. Nun, ich kenne viele Menschen, die dort gerne essen gehen würden.Stattdessen müssen wir uns wohl mit Riegler zufriedengeben. Aber ich nehme es dem Institut auch nicht übel. Damit sich das Café lohnt, müsste man ja auch regulären Präsenzbetrieb anbieten. Und das, wie wir gelernt haben, ist dem geliebten, trägen Bergheim einfach zu viel Veränderung.
Von Natascha Koch
Natascha Koch studiert Politikwissenschaften und Geschichte und schreibt seit 2019 für den ruprecht. In ihren Artikeln dreht es sich um aktuelle politische und gesellschaftliche Trends und alles, was die Welt bewegt – oder auch nur das Internet. Seit 2020 leitet sie das Ressort für die Seiten 1-3.
...studiert Physik im Master und fotografiert seit Herbst 2019 für den ruprecht. Von Ausgabe 200 bis Ausgabe 208 leitete er das Online-Ressort, von Ausgabe 205 bis 210 die Bildredaktion.