Kind, studier‘ was Anständiges‘, ‚Lehrer:in also?‘ und ‚Zukünftige:r Taxifahrer:in‘ – Klischees, wie sie Studierende der Geisteswissenschaften kennen. Auch Familientreffen werden zunehmend lästig, wenn die übereifrig-interessierte Verwandtschaft erneut auf die vermeintlich schlechten Berufsaussichten anspielt, begleitet von mitleidigen Blicken. Dabei hat eine Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft offengelegt, dass sich geisteswissenschaftliche Studiengänge karrieretechnisch durchaus lohnen. Aber wie können Geisteswissenschaftler:innen das Studium nutzen und entsprechend vermarkten?
Simone Lasser und Kristina Biebricher zeigen im Gespräch Wege zum Erfolg auf: Gemeinsam mit einer dritten Kollegin sind sie im Career Service für rund 29 000 Studierende der Universität Heidelberg im Einsatz. Ihr Ziel ist es, bei den Studierenden die positive Motivation zu wecken, die Geisteswissenschaftler:innen im Hinblick auf berufliche Chancen selten vermittelt bekommen. Und dieses Ziel verfolgen sie mit viel Energie, Engagement und Eifer.
Rund fünfzig Prozent der Studierenden, die die Angebote des Career Service nutzen, kommen aus den Geisteswissenschaften. Perspektivlos, ahnungslos, nutzlos – nicht allen, aber einigen Studierenden begegnen diese Vorurteile im Laufe ihres Studiums: „Die meisten wissen gar nicht, welche Möglichkeiten sie haben,“ erklärt Biebricher, „aber im Gespräch können wir aufzeigen, dass ganz unterschiedliche berufliche Branchen in Frage kämen – denn die Schlüsselqualifikationen eines geisteswissenschaftlichen Studiums sind wichtige Skills in der Berufswelt“. Obwohl die Theorie bei den Geisteswissenschaften im Fokus steht, werden gleichzeitig wichtige praktische Kompetenzen erlernt. Geisteswissenschaftler:innen sind Profis der Recherche, entwickeln Sprachgefühl, erlernen das Reduzieren von komplexen Ideen auf Kernaussagen. Hinzu kommen fachübergreifendes Denken, das Strukturieren und Verknüpfen von Inhalten und sich eine Meinung zu bilden und dafür argumentieren zu können.
„In vielen Stellenanzeigen wird aber nicht direkt nach Absolvent:innen der Germanistik oder der Philosophie gesucht“, so Lasser. Trotzdem sollte man sich bewerben und die Motivation hervorheben. Denn egal wie viele Jahre Berufserfahrung man hat, eine Qualifikation wird immer fehlen. „Hauptsache, man sieht die Chancen – den nötigen Motivationsschub bekommen Studierende in unserer Beratung“. Darüber hinaus klärt Lasser über den Irrglauben auf, dass nur BWL-Studierende Jobs ergattern: „Wer gut im Studium ist, bekommt auch den Job, denn was man mit Leidenschaft macht, tut man erfolgreich und ist glücklich dabei.“
Dennoch ist es wichtig, im Studium Zusatzqualifikationen zu sammeln. An dieser Stelle holt uns der Career Service mit vielfältigen Angeboten ab. Zusätzlich zu kostenlosen Workshops für das richtige Bewerben, den Umgang mit Xing, LinkedIn und vielen weiteren Möglichkeiten, gibt es Kurse, die zum Beispiel Grundlagen in BWL, Projektmanagement und Öffentlichkeitsarbeit vermitteln. Sie werden für Studierende zu einer reduzierten Teilnahmegebühr angeboten und mit einem Zertifikat abgeschlossen. Neben diesen Kursen ist auch die individuelle Beratung von Studierenden ein wichtiger Teil der Unterstützung, ebenfalls die Jobbörse ‚CareerMatch‘. Hier werden Stellenanzeigen hochgeladen, die für Studierende der Universität Heidelberg von Interesse sind. Hinzu kommen vom Career Service organisierte Messen wie die beliebte ‚IT-Messe‘ und ‚CareerStart‘, die sich speziell an die Geisteswissenschaften richtet.
In Kooperation mit Unternehmen und Fachschaften organisiert das Team des Career Service viele Veranstaltungen, die für alle Studierenden offen sind. So zum Beispiel die ‚Berufsperspektive Anglistik‘, die in Zusammenarbeit mit der Fachschaft Anglistik jedes Semester stattfindet. In dieser Veranstaltung sprechen eingeladene Alumni der Heidelberger Anglistik über ihren beruflichen Weg und geben hilfreiche Tipps, wie man während des Studiums den erfolgreichen Berufseinstieg vorbereiten kann. Über all diese Angebote informiert ein Newsletter Studierende aller Fachrichtungen per E-Mail. Man kann ihn auf der Website des Career Service abonnieren und so regelmäßig über alle Veranstaltungen des Career Service, aber auch auf studien- und berufsrelevante Angebote, aufmerksam gemacht werden.
Für Studierende der Geisteswissenschaften ist kein spezieller Beruf festgelegt, stattdessen findet man sie in nahezu allen Branchen. Diese Offenheit ist Fluch und Segen zugleich: Man muss herausfinden, was einen begeistert und dem nachgehen. Wenn man weiß, was man will, dann sind die Geisteswissenschaften der ideale Weg, um sich allgemein zu bilden und gleichzeitig die eigenen Talente zu einem individuellen Profil für eine bestimmte Branche zu formen. Berufliche Orientierung findet man beispielsweise über Praktika: „Sie bieten erste Berufserfahrung, zusätzlich kann man Kontakte knüpfen“, so Biebricher.
An dieser Stelle bleibt zu sagen: Geisteswissenschaftler:innen, nutzt die vielen beruflichen Hilfsangebote, individuelle Beratung, Jobbörsen und Berufsmessen. Sammelt schon während des Studiums praktische Erfahrungen für den späteren Berufseinstieg und beansprucht euren Platz in der Gesellschaft mit viel Motivation und einer großen Portion Selbstbewusstsein!
von Daniela Rohleder
...studiert Editionswissenschaft & Textkritik im Master und ist im Herbst 2021 beim ruprecht eingestiegen. Zwischen Oktober 2022 und November 2023 leitete sie das Ressort „Studentisches Leben“. Auch thematisch widmet sie ihr Zeichenlimit gerne dem studentischen Blick auf die Umwelt – wobei sie einiges über Radiosender, Feierkultur und Elternschaft gelernt hat.