Gegen prekäre Arbeitsbedingungen und niedrige Löhne: Die Kampagne TVStud will die Situation der Hiwis verbessern
Am Donnerstag, dem 2. Dezember, zieht eine ungewöhnliche Demonstration durch die Straßen Heidelbergs. „Hilfskräfte aller Fakultäten, vereinigt euch!“ steht auf den Plakaten, daneben „Wir halten den Laden am Laufen.“ Es handelt sich um einen von der Gewerkschaft Verdi organisierten Streik, an dem die studentischen Hilfskräfte (Hiwis) der Universität Heidelberg zusammen mit Auszubildenden des Psychiatrischen Zentrums Nordbaden teilnehmen.
Anlass für die Aktion ist die Tarifrunde der Länder, die vom 8. Oktober bis zum 29. November stattfand. In ihr werden unter anderem die Arbeitsbedingungen der Hiwis und Auszubildenden diskutiert. Mit zu den Menschen, die mit Bannern und Sprechchören auf sich aufmerksam machen, gehören Leo und Leander. Leo ist seit mehreren Semestern Tutor an der Fakultät für Mathematik und Informatik, Leander arbeitet als Hiwi am Historischen Seminar.
Die beiden Studierenden sind Teil der Initiative „TVStud“, die sich für einen Tarifvertrag für studentische Mitarbeitende einsetzt. Es war nicht die erste Aktion, an der sie teilgenommen hatten: Am Donnerstag, dem 11. November, fand der erste der beiden Streiktage statt. Statt durch eine Demonstration wurde damals nur institutsintern kommuniziert, dass die Hiwis streiken – durch Emails und Abwesenheitsbenachrichtigungen. Vorbild für solche Aktionen ist Berlin, wo 2018 ein Tarifvertrag durch einen vierwöchigen Streik durchgesetzt wurde. Für Leander steht fest: Die Arbeitsbedingungen für studentische Hilfskräfte müssen sich ändern. „Wir wollen einfach, dass unsere Arbeitsbedingungen sich verbessern und abgesichert sind durch einen Tarifvertrag. Und ich finde das nicht zu viel verlangt.“
Da Studierende in keinem Tarifvertrag inkludiert sind, gelten für sie die Arbeitsgesetze des Bundes. Neben dem dadurch festgelegten geringen Lohn kritisieren Leo und Leander vor allem die kurze Vertragslaufzeit von einem Semester, welche die langfristige Planung für Studierende verhindert.
Ebenso fehlen verbindliche Regelungen zu Urlaub und Krankheit. Es sei stark von dem oder der Vorgesetzten abhängig, wie viel Urlaub Hiwis nehmen dürfen und ob sie dabei vertreten werden oder ob sie die Arbeit nacharbeiten müssen. Im Krankheitsfall wird der Lohn oft nicht fortgezahlt.
„Die Kritik richtet sich nicht an die Profs oder an die Lehrstühle an sich, sondern an die Arbeitsbedingungen, die festlegen, in welchem Rahmen unsere Arbeit stattfindet“, sagt Leander. „Wir müssen mobil machen, wir müssen streiken, wir müssen Druck ausüben. Sonst passiert nichts.“
Leo stimmt ihm zu: „Wenn man tatsächlich mehrere Leute mobilisieren kann, dann ist bei der Sache auch viel durchsetzbar für Studierende.“
Bisher haben die beiden Engagierten sehr viel positive Rückmeldung für ihren Einsatz erhalten – ob von Professor:innen, anderen Studierenden oder Mitgliedern der Verwaltung. Auch der Stura unterstützt die Forderungen von TVStud. Vereinzelt wird ihr Kampf um einen Tarifvertrag aber auch kritisiert. Durch höhere Löhne und längere Vertragslaufzeiten können insgesamt weniger Hiwis eingestellt werden. Die Planbarkeit für Studierende bedeutet auf der anderen Seite weniger Flexibilität auf Seiten der Lehrstühle.
Laut Leander und Leo gehört eine Stärkung der Hilfskräfte zur allgemeinen Verbesserung der Arbeitsbedingungen an Hochschulen: „Was daran hängt, sind weitere politische Fragen, zum Beispiel die Finanzierung der Uni: Die Lehrstühle sollten mehr Geld haben und nicht ihre Hiwis ausbeuten müssen, um Projekte fertigzustellen. Es sind ja nicht nur die Hiwis, die prekär beschäftigt sind; es sind ganz viele Leute im Mittelbau, selbst Leute, die schon promoviert sind.“
In der inzwischen abgeschlossenen Tarifrunde mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) konnte kein Tarifvertrag für Studierende durchgesetzt werden. Stattdessen heißt es in der Tarifeinigung: „Nach Abschluss der Redaktion werden die Tarifvertragsparteien in eine Bestandsaufnahme über die Beschäftigungsbedingungen der studentischen Hilfskräfte eintreten.“
Leo und Leander sind enttäuscht von diesem Ergebnis, sie hätten sich zumindest eine Verhandlungszusage gewünscht. Ihr Ziel ist es nun, die Mobilisierung aufrecht zu erhalten und sich eventuell in einer Hochschulgruppe zu institutionalisieren.
„Das ist jetzt wirklich die Langzeitaufgabe: Studierende, vor allem Hilfskräfte, für die Kampagne zu begeistern.“ Nur so könne auch bei der nächsten Tarifrunde wieder Druck auf die Länder aufgebaut werden.
Von Julia Liebald
...studiert Geschichte und Germanistik und ist seit 2020 beim ruprecht aktiv. Nach der Leitung der Ressorts Studentisches Leben und Weltweit interessiert sie sich inzwischen vor allem für das Layout.