Stabile Renten und satte Zinsen waren gestern. Spätestens seitdem das Schreckgespenst „Inflation” wieder in aller Munde ist, sehen sich viele nach modernen Investitionsmöglichkeiten um. Auch die Begeisterung der Erstwähler:innen für die FDP, die bei der Bundestagswahl mit Themen wie der Aktienrente warb, deutet auf ein großes Interesse für die Finanzwelt hin. Doch wie sieht es außerhalb der Blase liberaler Finanzliebhaber:innen aus? Ist das Investieren auch für Durchschnitts-Studierende sinnvoll – gerade in Anbetracht der Tatsache, dass einige jeden Cent zweimal umdrehen müssen? Wir haben mit zwei Experten gesprochen, die bereits mit Anfang 20 investieren: Matthias legt in Aktien an, Linus setzt auf die Kryptowährung Bitcoin.
Einstieg in den Aktienmarkt
Matthias Heiming (21) studiert Maschinenbau in Aachen. Er legt seit fast zwei Jahren an, zuerst über die App „Trade Republic“, mittlerweile aber auch über andere Webseiten. Freunde, die investieren, brachten ihn dazu, es auch mal selbst zu versuchen. Seine erste Aktie war eine des Reiseunternehmens TUI, die er kurz vor der Corona-Krise kaufte. Das ist aus ersichtlichen Gründen nicht ganz so gut gelaufen.
Mittlerweile hat er sich allerdings ein Portfolio verschiedenster ETFs, was für „Exchange Traded Funds” steht, zugelegt. Dieses soll die Branchen der Weltwirtschaft weitgehend abdecken, um das globale Wirtschaftswachstum zu erfassen. Enthalten sind beispielsweise Branchen wie Wasser, Rohstoffe, Edelmetalle, Gesundheit oder auch IT. Ein ETF ist ein börsengehandelter Investmentfonds, welcher die Wertentwicklung eines spezifischen Indexes nachbildet. Ein Wasserstoff-ETF bildet demnach die zusammengefasste Entwicklung der im Index enthaltenen Wasserstoffaktien ab. Somit investiert man nicht spezifisch in eine Aktie, sondern kann sich zukunftsversprechende Branchen aussuchen. Das ist für unerfahrene Anleger einfacher.
Matthias will vor allem für seine Altersvorsorge planen, aber auch Erfahrungen mit der Börse sammeln. Da biete es sich an, jünger und mit kleineren Beträgen anzufangen, statt später und dann ohne viel Wissen direkt größere Summen anzulegen. Die Rendite wäre in beiden Fällen die gleiche, denn ein potentieller Gewinn verselbstständigt sich über die Jahre. So werden weitere Gewinne erwirtschaftet, ohne dass mehr Geld angelegt werden muss. Zusätzlich zum Sammeln von Erfahrungen sei das „emotionale“ Gewöhnen an den Aktienmarkt wichtig. Es geht selbstverständlich nicht immer nur bergauf – das muss man verkraften können. Grundsätzlich gibt es seiner Meinung nach zu viele Menschen, die ihr Geld auf dem Konto liegen lassen, welches durch die stetige Inflation mit den Jahren an Wert verliere. Für Matthias ist das Anlegen mit dem Ziel einer langfristigen Altersvorsorge selbst als Student eine echte Alternative, wenn man am Monatsende überraschenderweise etwas zu viel auf dem Konto hat.
„Ein bisschen Bitcoin braucht jeder“
Die Welt der Kryptowährungen spielt sich eigentlich online und anonym ab. In Esslingens Fußgängerzone, etwa 100 Kilometer von Heidelberg, gibt es seit letztem Jahr jedoch eine Anlaufstelle für den Krypto-Vorreiter Bitcoin „Wir haben den Store eröffnet, weil der Bitcoin ein Thema ist, das jeden beschäftigt, aber es kaum Ansprechpartner gibt“, erklärt Co-Geschäftsführer Linus Orszulik (21). Zu den angebotenen Leistungen gehören der Kauf der Kryptowährung sowie die richtige Sicherung. Dabei ist es Linus wichtig, das Geld der Kund:innen nicht zu verwalten, sondern sie bei der Einrichtung eines sogenannten „wallets“ zu unterstützen. Mit einem eigenen Schlüssel haben sie ihre Coins dann selbst in der Hand – ganz getreu dem populären Bitcoin-Motto „not your key, not your coin“.
Linus hat bereits 2017 angefangen, sich intensiv mit dem Bitcoin zu beschäftigen. „Es war etwas ganz Neues, Innovatives und ich habe sofort den Sinn dahinter erkannt: Alles läuft dezentral, man braucht also keine Institute und Banken mehr“. Einen weiteren Vorteil sieht er in der Begrenzung der Währung, denn in der Technologie wurde festgelegt, dass niemals mehr als 21 Millionen Bitcoins existieren können. Bei steigender Nachfrage führt dies also zu einem höheren Kurs. Während ein Bitcoin momentan circa 60. 000 Dollar wert ist (Stand 02. November 2021, Anm. d. Red.), rechnet Linus in zwei bis drei Jahren mit einem Kurs von 100. 000 Dollar. Gut zu wissen: Ein Bitcoin ist bis auf die achte Nachkommastelle teilbar, man muss also keine horrenden Summen investieren.
Gerade für kleinere Beträge funktioniere der Kauf unkompliziert über eine Broker-App, die man sich wie einen Börsenmakler vorstellen kann. Im Prinzip brauche man nur ein Bankkonto, und das Wichtigste finde man auch auf Youtube, meint Linus. Trotzdem empfiehlt er das Investieren ausdrücklich nur mit Risikokapital, also Geld, auf das man nicht angewiesen ist: „Es kann natürlich sein, dass der Kurs für einige Monate mal um 50 Prozent sinkt. Wenn du das investierte Geld dann dringend brauchst, müsstest du mit Verlust verkaufen.“ Als langfristige Altersvorsorge, gesteht Linus ein, eignen sich andere Investitionsformen daher besser.
Dass der Bitcoin-Kurs vor Schwankungen nicht sicher ist, hat Tesla-Chef Elon Musk schon öfter bewiesen: Als er im Mai per Tweet verkündete, sein Unternehmen werde Bitcoin zukünftig nicht mehr als Zahlungsmittel akzeptieren, fiel der Kurs binnen weniger Minuten um mehr als 15 Prozent – eine starke Schwankung. Linus ist dennoch überzeugt: „Ein bisschen Bitcoin braucht jeder und wird in ein paar Jahren auch jeder haben. Wenn man gerade etwas Geld übrig hat, lohnt es sich, früh anzufangen.“
Luzie Frädrich studiert Politikwissenschaft und Economics. Sie schreibt seit 2021 für den ruprecht. Ihr Interesse gilt insbesondere politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen, darunter auch feministische Themen.