Eine halbe Million kostet das Equipment schon“, sagt Moritz und zeigt auf die Brauanlage. Wir sind auf einem alten Hofgut bei Bammental, ein paar Kilometer östlich von Heidelberg. Hier steht eine kleine Brauerei und hier arbeiten „die Jungs“, wie sich die vier jungen Männer gerne nennen: Moritz, Oli, Kim und Nils. Eigentlich sind sie keine Brauer: Nils ist Bauleiter, die drei anderen studieren Geografie auf Lehramt.
Das Bierbrauen haben sie sich selbst beigebracht. „Das allererste Bier war eine Katastrophe. Es war richtig schlecht“, erzählt Oli. Das war 2018. Damals experimentierten sie mit einem Brew-your-own-Beer-Set. Viele Anpassungen und YouTube-Tutorials später hatten sie ein ausgefeiltes Rezept und mieteten Ausrüstung in einer professionellen Brauerei.
2020 verkaufte Heerlijk das erste Bier. Corona spielte den Brauern in die Karten: Die Kneipen waren dicht, der Durst aber vorhanden. Bier online zu bestellen und frei Haus geliefert zu bekommen, war eine social-distancing-kompatible Lösung. Inzwischen wird das Bier in mehreren Kneipen und Bars ausgeschenkt. Seit Dezember ist es im Marstall-Café zu haben.
In der Dossenheimer Landstraße betreibt Heerlijk einen kleinen Laden. Dort herrscht reger Betrieb. Vor dem Laden steht eine Gruppe Studierender, alle mit einem Heerlijk in der Hand. Man kennt sich. Der Satz „Das geht aufs Haus“ fällt mehr als einmal. Eiskalte Geschäftsleute sind aus den Jungs offensichtlich nicht geworden.
Anders als viele andere Start-ups hat sich Heerlijk ohne Kredit finanziert: „Aus unseren Gastro-Nebenjobs haben wir einfach zur Seite gelegt und uns den ersten Sud gekauft“, sagt Oli: „Was wir an Gewinn machen, stecken wir wieder rein in neue Produkte, Designs und den Laden.“
Das Brauen kostet viel Zeit und Energie. Kann man da nebenher noch studieren? „Man lässt ab und zu eine Vorlesung sausen“, gibt Oli zu, aber es funktioniere: „Bis jetzt hat noch keiner daran gedacht, das Studium zu schmeißen.“ Und ihr Unternehmen schon gar nicht, auch wenn eine Großbrauerei anklopft. „Da steckt viel zu viel Herzblut drin“, sagt Oli.
Der Geschmack des Bieres soll an die junge Generation angepasst sein. Oli erklärt: „Junge Menschen nehmen Bitterstoffe viel intensiver wahr als ältere Leute und die meisten Braumeister in der Bierszene sind sehr alt. Deswegen sind die meisten Biere einfach zu bitter für mich.“ Der Biergeschmack sei in Deutschland sehr einheitlich. Das müsse aber nicht so sein. „Die Aromenvielfalt der Pflanze Hopfen ist gigantisch“, sagt Oli. Zum Beispiel präge sich der Hopfen in der Sorte Hendesse Hell in Richtung Zitrus und Melone aus: „So kriegen wir fruchtigen Geschmack ohne Früchte zu verwenden“, denn Heerlijk braut nach dem Reinheitsgebot: Wasser, Malz, Hopfen und Hefe kommen ins Bier und sonst nichts.
Jede einzelne Zutat gibt es in verschiedensten Varianten, die über Geschmack und Aussehen des Bieres entscheiden. Malz ist gekeimte und danach wieder getrocknete Gerste. Je nach Intensität der Trocknung variiert das Malz im Geschmack von neutral-säuerlich bis geröstet.
Beim Maischen wird das Malz mit Wasser vermischt. Zur flüssigen Maische wird Hopfen gegeben. An diesem Punkt ist das zukünftige Bier eine süßlich-bittere Flüssigkeit ohne Alkohol. Erst dann wird die Hefe zugegeben. Sie vergärt den Zucker zu CO2 und Alkohol. Das eigentliche Brauen dauert bei Heerlijk einen Arbeitstag, die Gärung je nach Biersorte 3 bis 10 Tage. Danach lagert das Bier mehrere Wochen in 600 Liter großen Tanks, bis es abgefüllt wird. Jedes Heerlijk enthält mehrere Sorten Malz und Hopfen. Die Namen deuten den Geschmack an: Citra-Hopfen, Hüll-Melon-Hopfen, Sauermalz, Caramalz.
Regional produzierte Zutaten zu verwenden ist den „Jungs“ wichtig, auch wenn das nicht immer möglich ist. „Hopfen ist schwierig“, sagt Oli. Die gewünschten Sorten würden in der Region nicht angebaut.
Was in einer Großbrauerei voll automatisiert läuft, erfordert hier viele Handgriffe. Beim Etikettieren der Flaschen hat der Kleber selten die richtige Konsistenz und die Flaschen kippen gerne um.
Die vier Biersorten von Heerlijk konkurrieren mit mehreren lokalen Anbietern: Klosterhof und Vetter produzieren gleichermaßen hochwertige Biere zu einem niedrigeren Preis. Bei Heerlijk kostet ein Liter Bier stolze 7,50 Euro. Das ergibt sich aus lokaler Produktion und aufwendigen Brau-techniken. „Beim Kalthopfverfahren wird der Hopfen über Wochen hinweg bei null Grad in den Tank gegeben. Das macht die Industrie nicht, weil sich das nicht rechnet“, sagt Oli und gibt zu: „Deswegen haben wir leider recht hohe Preise.“
Oli sieht Heerlijk auch nicht als Bier für den Massengenuss: „Man soll sich bewusst für eine Flasche entscheiden, dem Produkt seine Aufmerksamkeit geben und genießen.“ Da stellt sich natürlich sofort die Frage: Haben sich die Brauer mit ihrem eigenen Bier schon mal besoffen? „Natürlich. Wir mussten ja, ähmmm, das Produkt ausgiebig erproben“, gesteht Oli und stellt fest: „Ich behaupte bis heute, dass ich von diesem Bier viel weniger Kater habe als von anderen!“
von Nicolaus Niebylski
Nicolaus Niebylski studiert Biowissenschaften. Beim ruprecht ist er seit dem Sommersemester 2017 tätig – meist als Fotograf. Er bevorzugt Reportagefotografie und schreibt über Entwicklungen in Gesellschaft, Kunst und Technik. Seit November 2022 leitet er das Ressort Heidelberg. Zuvor war er, beginnend 2019, für die Ressorts Studentisches Leben, PR & Social Media und die Letzte zuständig, die Satireseite des ruprecht.