Corona hat die Welt zu Grunde gerichtet und zwingt uns zu Hause zu bleiben, doch Ende 2021 wurde uns ein Lichtblick geschenkt: TV total kam zurück. Allein die Titelmelodie der Kult-Show löst bei vielen Nostalgie aus und heilt vielleicht sogar die ein oder andere Panik-Attacke treuer Zuschauer:innen in diesen turbulenten Zeiten. „Zeiten des Aufbruchs“, wie es Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner Neujahrsansprache ausdrückt. Aufbruch, Fortschritt, Veränderung – das hört sich nach Stress an. Gut, dass in der Neuauflage von TV total sowohl die Gags als auch das Studio per Copy-and-Paste aus dem Original übernommen wurden. Eigentlich hat sich nur Stefan Raab verändert – er heißt jetzt Sebastian Pufpaff und ist zehn Jahre jünger. Nach Raabs unwiderrufbarem Rückzug als Entertainer im Jahr 2015 ist Pufpaff nun, zugegebenermaßen, ein solider Ersatz. Er hat lediglich einen einzigen, großen Makel: Er ist nicht Stefan Raab. Mit zynischem Humor ist TV total nach eigener Aussage „zurück, um zu richten und zu strafen“. Aber ist das wirklich unser Bedürfnis – wird die Sendung nicht nur ausgeschlachtet, weil sie jahrelang gut funktioniert hat?
Nach einem sehnen sich viele Menschen gerade vielleicht sehr: mal wieder so richtig unbeschwert lachen zu können. Dabei können die Albernheiten bei TV total mit Sicherheit nachhelfen, auch wenn der Humor öfter unter die Gürtellinie fällt. Die Frage ist aber: Brauchen wir Sebastian Pufpaff als Richter über den Medienquatsch, wenn heutzutage sowieso jeder denkt, er könne andere nach Belieben verurteilen? Querdenker:innen verurteilen die Regierung, sämtliche Generationen verurteilen sich gegenseitig, ich verurteile gerade, dass andere Leute so viel verurteilen und anscheinend verurteilt das ganze Internet Leute, die gerne Ananaspizza essen. Ist das nicht genug? Vor allem auf Social Media werden wir ununterbrochen mit grenzwertigen Inhalten und Meinungen überhäuft, das hat es 1999 bei der Erstausstrahlung von TV total in diesem Ausmaß noch nicht gegeben. Damals hieß es über Raabs Witze häufig noch schockiert: „Darf er das?“. Die jüngsten Generationen gewinnt man damit vermutlich nicht mehr ins Stammpublikum.
Was uns fehlt ist also nicht zwingend der Inhalt, sondern eher das Geborgenheitsgefühl, welches das Altbekannte in uns hervorruft. Für 2021 kann die Liste der Comebacks und Revivals und Reunions, angefangen mit TV total, in etwa so fortgeführt werden: Das neue Album von ABBA, der neue Matrix-Film, Spiderman Teil 38928, eine weitere allerletzte Folge „Wetten, dass..?“, die Friends-Reunion, die Harry-Potter-Reunion, Fast and Furious Teil 9, noch ein James-Bond-Film und so weiter. Vielleicht hätte sich die Medienindustrie ohne Pandemie anders weiterentwickelt. Aktuell scheint sie eher auf Nummer sicher zu gehen. Nach zwei Jahren Lockdown-Hin-und-Her haben die meisten Konsument:innen eben sämtliche Angebote der Streamingdienste, die sie sich leisten können oder weiterhin unentdeckt schnorren, durchgeschaut.
Genug der nervigen Veränderungen, genug der unberechenbaren Einzelfilmproduktionen – wir wollen etwas Neues sehen, das wir gleichzeitig schon kennen und das uns nicht mehr großartig überraschen kann! Wir wollen wissen, was wir für unsere Zeit und unser Geld bekommen. Wir brauchen eine sichere Konstante in unserem Leben. Die Produzent:innen reiben sich im Hintergrund schon die Hände: Sie wissen schließlich am besten, was funktioniert und wie man es bis zum Gehtnichtmehr ausschlachten kann. Und wenn sie es nicht wissen, fragen sie einfach bei ProSieben nach. Das ist schade, denn so werden interessante neue Formate und Filme um eine Chance auf Erfolg gebracht. Allerdings bestimmt hier die Nachfrage vermutlich das Angebot – und vor allem das Geld. Eines gilt für viele Medienproduktionen mit Sicherheit nicht: Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist.
Von Mona Gnan
...studiert Germanistik im Kulturvergleich und Geschichte. Sie schreibt seit 2021 für den ruprecht. Mona berichtet gerne über Kultur, die Welt und alle möglichen Diskurse. Eigentlich über alles, was die Gesellschaft gerade bewegt - oder bewegen sollte.