PRO
Ronald Blaschke, Mitgründer des Netzwerks Grundeinkommen
Das bedingungslose Grundeinkommen ist ein Einkommen für alle Menschen, das Existenz sichert und gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht, auf das ein individueller Rechtsanspruch besteht, das ohne Bedürftigkeitsprüfung und ohne Zwang zu Arbeit oder anderen Gegenleistungen garantiert wird. Das Bildungsgeld für alle Studierenden ist kein Grundeinkommen, aber möglicherweise ein Schritt dahin: Denn es ist daran gebunden, dass man studiert. Es ist somit nicht bedingungslos, auch nicht für alle Menschen. Es wäre aber eine Absicherung für alle Studierenden: elternunabhängig, rückzahlungsfrei, individuell und in ausreichender Höhe (mind. Armutsrisikogrenze, weit über 1.200 Euro netto im Monat). Das Bildungsgeld ist etwas ganz anderes als das BAföG. Wen aber die mit dem Bildungsgeld verbundenen Streitereien, Kontrollen und Bürokratien stören (wer hat wann wie lange Anspruch), sollte für das Grundeinkommen streiten.
These 1: Ein Studium ist mit einem Vollzeitjob zu vergleichen, welcher der Gesamtgesellschaft später nutzt und entlohnt werden sollte.
Ein Studium ist ein „Vollzeitjob“, bei jeder späteren Anwendung der erworbenen Kompetenzen hoffentlich nicht so gemeinwohl- und klimaschädlich, wie manch heutige Erwerbs- bzw. Lohnarbeit. Junge Menschen opfern die schönste und aufregendste Zeit ihres Lebens und sitzen stattdessen stundenlang auf harten Stühlen, in Hörsälen und Bibliotheken. Ein Bildungsgeld ist ein allen Studierenden zustehende Entschädigung für diese Mühen, keine Entlohnung dafür. Der Erwerb von Bildung, von Fähigkeiten und Kompetenzen ist nicht – wie Erwerbs- oder Lohnarbeit – in Preisen auszudrücken. Zur notwendigen Reform gehört, dass Studierende über das Was und Wie des Studiums umfangreich und wirkmächtig mitbestimmen können. Das Bildungsgeld sichert auch die dafür nötigen Zeiten ab, müsste doch kein/e Studierende/r mehr neben dem Studium jobben.
These 2: Das niedrige BAföG-Budget verwehrt den Zugang zu sozialer Teilhabe und gesundem Ausgleich durch Freizeitaktivitäten.
Dass das bisherige BAföG-System soziale Ungleichheiten sowohl beim Zugang zum Studium als auch während des Studiums erzeugt, beziehungsweise verstärkt, ist bekannt. Die Fakten sind klar: Welche Schichten sind benachteiligt, wer muss neben dem Studium noch jobben? Wenn jeder Mensch das Recht auf Bildung hat, muss jeder Mensch auch das Recht auf eine existenzielle Absicherung von Bildungszeiten haben – und zwar unabhängig vom Geldbeutel und von sozialer Position der Eltern, auch unabhängig von nervenaufreibender Bittstellerei bei BAföG-Behörden. Deren Mitarbeiter/innen können dann nach Abschaffung des BAföG-Systems und nach erfolgreicher Umschulung bei den zuständigen Finanzbehörden arbeiten, die die entsprechend veränderten Vermögens- und Erbschaftsteuern zur finanziellen Absicherung des Rechts auf Bildung (inkl. Bildungsgeld) eintreiben.
These 3: Ein Grundeinkommen führt zu neuen Ungleichheiten in der Gesellschaft. Es ist schwer zu entscheiden, wer ernsthaft studiert.
Die Einführung eines Bildungsgeldes würde allen Studierenden die Möglichkeit eines erfolgreichen Studiums, einer materiellen Absicherung der Existenz und gesellschaftlicher Teilhabe bieten. Es würde auch denjenigen Zugangsmöglichkeiten eröffnen, denen ihre soziale Herkunft hohe Hürden in den Weg stellt. Es wäre ein erster Reformschritt. Das Bildungsgeld ist aber kein Grundeinkommen. Es ist an ein Studium gebunden, immer wieder auch mit der Frage und Kontrolle konfrontiert, wer „ernsthaft“ studiert. Schon die Bestimmung, was „ernsthaft“ meint, dürfte konfliktreich sein – ebenso die Ausgestaltung von Entscheidungsinstanzen. Deswegen ist das Bildungsgeld für alle Studierende eben nur ein Schritt hin zu einem Grundeinkommen, das allen Menschen (universell) bedingungslos und individuell zusteht.
CONTRA
Marianna Hofmeier, Neue Vorsitzende der Liberalen Hochschulgruppe Heidelberg
In der Studienfinanzierung gibt es viel zu tun. Klar ist: Sowohl die Hochschulen bedürfen Geld für den Lehrbetrieb, als auch die teilnehmenden Studenten. Jedem sollte ein Studium ermöglicht werden, wenn er die nötige Begabung und Motivation hat. Bildung ist ein Bürgerrecht, das den sozialen Aufstieg sichert. Die bedingungslose Gießkanne ist sicherlich nicht der Weg dazu. Im Grunde geht es um Chancengleichheit in unserer Leistungsgesellschaft. Der Lebenslauf sollte nicht von dem der Eltern determiniert sein, Begabung und Leistung sollten über Bildungschancen entscheiden. Die Unterhaltspflicht leistungsfähiger Eltern muss aber nur in Ausnahmen ersetzt werden. Stattdessen sollte sichergestellt werden, dass jeder Student einen angemessenen Betrag zur Verfügung hat. Dafür sollte notfalls die Staatskasse flexibel und bürokratiearm herhalten, mit einem elternunabhängigen Baukasten-BaföG.
These 1: Ein Studium ist mit einem Vollzeitjob zu vergleichen, welcher der Gesamtgesellschaft später nutzt und entlohnt werden sollte.
Das Studium ist die Zeit, in der wir uns Vollzeit unserem Durst nach Wissen widmen dürfen und dabei für die Gesellschaft nützliche Qualifikationen erlangen. Primär ist das ein persönliches Vorhaben und ein Privileg. Der Nutzen eines Studiums bemisst sich an persönlichen Werten. Der gesamtgesellschaftliche Gewinn kann sich erst später herausstellen. Entlohnung geschieht meistens für erbrachte Leistungen, die unmittelbar einen Mehrwert für Dritte bieten. Die Höhe dieser Vergütung regelt Markt. Ein Studium ermöglicht es, den Nutzen der Leistungen für andere und damit die Entlohnung zu steigern. Deswegen ist ein Studium nicht mit einem Vollzeitjob vergleichbar und das Konzept des Lohns nicht darauf übertragbar. Ich bin stolz in einer sozialen Marktwirtschaft mit Leistungsprinzip groß geworden zu sein, in der der Nutzen meiner Leistung nicht vorzeitig vom Staat bestimmt wird.
These 2: Das niedrige BAföG-Budget verwehrt den Zugang zu sozialer Teilhabe und gesundem Ausgleich durch Freizeitaktivitäten.
Welches Budget jeder für seine soziale Teilhabe als notwendig definiert, ist individuell. Die Studienzeit ist keine Zeit des materiellen Luxuslebens. In Zeiten hoher Inflationsraten ist eine regelmäßigere Anpassung der Freibeträge und Bezüge des BAföGs an Preisniveauentwicklungen zu fordern. Laut dem statistischem Bundesamt sinkt die Zahl der BAföG-Empfänger. Das ist vor allem während der Pandemie ein Skandal, den die neue Bundesministerin für Bildung und Forschung Bettina Stark-Watzinger anerkennt und mich mit ihren Plänen zuversichtlich stimmt. So soll ein Anstieg der Freibeträge für eine Erhöhung der Gefördertenanzahl sorgen, eine Flexibilisierung der Regelstudienzeiten und Altersgrenzen kommen, sowie die ausufernde Bürokratie in Zaum gehalten werden. Begrüßenswert wäre die Einführung eines Starterpack-Zuschusses für Erstis aus finanzschwachen Umständen.
These 3: Ein Grundeinkommen führt zu neuen Ungleichheiten in der Gesellschaft. Es ist schwer zu entscheiden, wer ernsthaft studiert.
Ein bedingungsloses Grundeinkommen für Studenten lädt zu Missbrauch ein. Das eröffnet jedem mit Abitur den Zugang zu einem Grundeinkommen durch Immatrikulation, so impliziert die Bedingungslosigkeit. Gegenüber Menschen ohne Hochschulzugangsberechtigung führt das zu einem unwürdigem Parallelsystem. Sozialleistungen, die über die Sicherung des absoluten Existenzminimums hinausgehen, müssen an Bedingungen geknüpft sein. Keine Sozialleistung wird sich ganz ohne Schlupflöcher entwicklen lassen, außer der Staat vergräbt sich im Mikromanagement.Aus Respekt vor dem Steuerzahler ist die Bedingungslosigkeit eines Grundeinkommens untragbar. Die Kassen unseres Staats sind nicht unendlich. Unser Sozialstaat sollte ein Sprungbrett sein und nicht nach dem Prinzip der Hängematte konstruiert sein.
Studentische Meinungen:
Paulin, 22
Germanistik
„Ich finde es gut, dass der Staat Studenten Geld gibt. Er sollte einen Anreiz zum Studieren bieten, aber auch Ausbildungen sollten so gefördert werden.“
Jakob, 19
PoWi, VWL
„So ein Basisgrundeinkommen wäre schon cool, das ist ne gute Idee. Das Problem ist nur, wie man das dann umsetzt.“
Leo, 20
Politikwissenschaften und Anglistik
„Ich finde das eine gute Idee, man müsste das aber auch an Leistungsnachweise koppeln, also dass man an Prüfungen teilnimmt oder so.“
...studiert Physik und schreibt seit Oktober 2019 für den ruprecht. Besonders gerne widmet sie sich Glossen, die oft das alltägliche Leben sowie wissenschaftlichen oder politischen Themen. Sie leitete erst das Ressort Hochschule und später das Ressort Wissenschaft.
...studiert Physik im Master und fotografiert seit Herbst 2019 für den ruprecht. Von Ausgabe 200 bis Ausgabe 208 leitete er das Online-Ressort, von Ausgabe 205 bis 210 die Bildredaktion.