„Bezahlbarer Wohnraum – Streit um die Vorgehensweise von United Capital“, titelte die Leipziger Hochschulzeitung luhze in ihrer Dezemberausgabe. Damals ahnte noch keines der Redaktionsmitglieder, dass sie aufgrund des besagten Artikels einen Monat später vor Gericht geladen würden.
Ausgangspunkt der Auseinandersetzung war ein Artikel über die Immobilienfirma United Capital RE GmbH, die Wohnungen kauft und als WGs für Preise von bis zu 18 Euro pro Quadratmeter vermietet. In dem Artikel kamen neben United Capital auch die Mieter:innen zu Wort, die gegen die Methoden der Immobilienfirma vorgehen wollen. Kurz vor Weihnachten traf dann ein Unterlassungsantrag bei der Hochschulzeitung ein, in dem United Capital forderte, bestimmte Passagen des Artikels zu streichen. Man fühle sich in seinem Unternehmenspersönlichkeitsrecht verletzt. Da luhze darauf nicht einging, folgte wenig später der Antrag auf einstweilige Verfügung. Der Termin für die mündliche Verhandlung vor dem Landgericht Leipzig wurde für den 21. Januar 2022 angesetzt.
Die Redaktion sei geschockt gewesen, erzählt die Vereinsvorsitzende Luise Mosig. Hatte es früher Auseinandersetzungen aufgrund ihrer journalistischen Arbeit gegeben, so hätten diese immer außergerichtlich gelöst werden können. Tatsächlich stellte der Rechtsstreit für die unabhängige Hochschulzeitung, die sich lediglich aus Mitgliedsbeiträgen und Anzeigen finanziert, eine große Herausforderung dar. Eine Niederlage gegen United Capital hätte das Ende von luhze bedeuten können. Auf United Capitals Forderungen eingehen wollten die Studierenden aber auch nicht.
Die Autorin des Artikels, Leonie Beer, steht hinter ihrem Text. „Ich habe mir keine Aussagen zu eigen gemacht. Ich habe durch indirekte Rede nur Meinungen anderer wiedergegeben. Dagegen ist nichts zu sagen“, erklärt sie. Auch Mosig betont, dass sie einen ganz normalen redaktionellen Ablauf verfolgt hätten. In der Klage sieht die Hochschulzeitung deshalb nicht nur einen Angriff auf sich, sondern auf den gesamten freien Journalismus. Aus diesem Grund sind die Studierenden mit dem Fall an die Öffentlichkeit gegangen und haben um Unterstützung gebeten – und die erhielten sie sowohl von erfahrenen Leipziger Journalist:innen als auch dem Deutschen Journalistenverband und überregionalen Zeitungen. „Es spricht viel dafür, dass es United Capital vor allem um Einschüchterung einer ehrenamtlich organisierten Hochschulzeitung mit kleinem finanziellen Spielraum geht. Die Berichterstattung der luhze in diesem Fall ist – kritischer Journalismus“, twitterte der Deutsche Journalistenverband Sachsen.
Doch es sollte zu einer weiteren überraschenden Wendung kommen. Am Abend des 20. Januar, einen Tag vor der Gerichtsverhandlung, teilte United Capital der Hochschulzeitung mit, ihren Antrag auf einstweilige Verfügung nun doch zurückziehen zu wollen. Leonie Beer zeigte sich erleichtert und vermutet, der Druck sei durch die ganze Berichterstattung wohl einfach zu groß geworden. Gegenüber dem ruprecht wollte United Capital keine Stellungnahme abgeben. In einer Pressemittelung begründet das Unternehmen seinen Schritt damit, dass sich „das Ganze auf eine Ebene mit vorgeblichen Einschränkungen und Angriffen auf die Pressefreiheit verselbstständigt“ habe. Luise Mosig beschreibt den Fall als ein prägendes Ereignis für die gesamte Redaktion. Insgesamt hätten die Geschehnisse ihr Verständnis von journalistischer Recherche und kritischer Berichterstattung aber nur bestärkt.
Laura Kress studiert Jura und schreibt seit dem WiSe 2020 für den ruprecht. Besonders gerne widmet sie sich Themen im Hochschulbereich oder verfasst Glossen.