Folge drei von acht kommt mit dem Titel „Im Schlachthaus“ um die Ecke. Darunter die flotte Zeile: „Öko-Romantik versus Realität.“
Öko-Romantik? Realität? In Realität ist Tönnies einer der größten Schweineschlachter Deutschlands. Über 20 000 Schweine gehen täglich am Hauptsitz in Rheda -Wiedenbrück über die Bänder. Der Firma werden häufig schlechte Arbeits- und Tierhaltungsbedingungen vorgeworfen. Öko-Romantik klingt anders.
Das macht auch die aufgesetzt kritische Moderations-Stimme in „Tönnies & Tönnies“ klar. Sie säuselt aus dem Off: „Trotz aller Transparenz muss sich die Tönnies-Group regelmäßig Kritikern stellen. Umweltschützer, Tierrechtler und Veganer.“
Die Fronten sind klar. Fleisch gegen Umwelt, Fleisch gegen Recht, Fleisch gegen kein Fleisch – alles Feinde für immer. Clemens argumentiert: „Einem Fleischgegner kann ich nicht das Fleischessen beibringen.“ Max legt nach und philosophiert über die Stallbuchten der Massentierhaltung („Mikrokosmos für das Schwein“).
In ihren Schweinefantasien vergessen sie, dass Tönnies lange Zeit vor allem für seine schlechten Arbeitsbedingungen bekannt war. Subunternehmen warben Arbeitskräfte aus Osteuropa an, die für Hungerlöhne Schwerstarbeit verrichteten. Betten in Sammelunterkünften der Subunternehmen kosteten mehrere Hundert Euro im Monat.
Clemens und Max reden lieber über den „Respekt vor dem Lebensmittel“ als über Respekt vor ihren Arbeitskräften. Dabei frieren neben den Schweinen vor allem jene in den Schlachthäusern.
Es folgen denkwürdige fünf Minuten, in denen sie gar nicht oft genug betonen können, wie verständnisvoll Clemens sei und wie gerne er sich überzeugen lasse. Als Clemens dann doch ein „Zanken geht, Streiten ist schlecht“ herausrutscht, räuspert sich Max hörbar. Clemens korrigiert sich hastig: „Selten! Weil ich mich auch bewusst zurücknehme.“ Streiten geht, aber bitte nicht zu oft!
Ganz am Ende der Folge dann das Aufreger-Thema. Stimme aus dem Off: „Der Corona-Ausbrauch hat sich tief in die DNA der Tönnies-Group geschrieben.“ Was auch immer das bedeutet. Dann kommt Lagerfeuerstimmung auf: „Clemens und Max erinnern sich.“ Als wäre es ein zweites Sommermärchen – ach was waren das für Zeiten!
Erinnern wir uns etwas ehrlicher an den „Superspread“ im Juni 2020: Mehr als 2000 Menschen aus dem Umfeld der Tönnies-Fabrik in Rheda-Wiedenbrück infizieren sich in kürzester Zeit mit dem Virus, der komplette Landkreis Gütersloh muss in den Lockdown. Der Ausbruch offenbart einmal mehr die schlechten Wohn- und Arbeitsbedingungen der Angestellten.
Clemens könnte jetzt entweder die Vorwürfe bestreiten oder versuchen, das Ganze wegzuwischen. Er könnte die Schuld auf alle anderen schieben oder sich entschuldigen und einen zweiten Ausbruch verhindern. Clemens wählt die Alles-auf-einmal-Strategie.
Kurz vor dem Ausbruch habe ihm sein Arzt Ruhe und Entspannung verschrieben, doch dann kam das gemeine Coronavirus und die gemeine Öffentlichkeit, die sich nun an Tönnies „vergriff“. Da musste er sich wehren. Am 20. Juni kündigt er an, Verantwortung zu übernehmen und die Branche zu verändern. Wurde auch höchste Zeit.
Clemens kann es sich nicht verkneifen, über die fiesen Politiker zu klagen, die fiese Dinge sagen. Anton Hofreiter von den Grünen fordert am 21. Juni einen Boykott der Tönnies-Produkte. Clemens fällt da nur eine Antwort ein: Er halte das für einen deutschen Politiker gleich welcher Partei für unanständig. „Diese Worte haben uns schon mal ins Verderben geführt. So was macht man nicht“, sagt er.
Hat sich Clemens Tönnies da gerade mit den unrechtmäßig verfolgten Juden in der Nazi-Diktatur verglichen? Die Antwort kennt wahrscheinlich nur er selbst. Falls ja: So was macht man nicht.
Ob das eines der angekündigten Highlights aus dem Trailer war? Erfährt man wahrscheinlich nur, wenn man sich die anderen sieben Folgen antut. Oder man kauft sich in diesem wunderschönen Januar einfach ein Eis. Unpassend ist irgendwie beides.
Von Thomas Degkwitz
Thomas Degkwitz will seit 2019 die Netzwerke der Stadt verstehen. Das hat er für zwei Jahre auch als Ressortleiter “Heidelberg” versucht. Ihm ist das Thema Studentenverbindungen zugelaufen, seitdem kümmert er sich darum. Außerdem brennt er für größere Projekte wie die Recherche zur Ungerechtigkeit im Jurastudium. Lieblingsstadtteil: die grünflächige Bahnstadt (*Spaß*)