Heidelberg ist neben Würzburg die einzige deutsche Stadt, die einen Klimabürgermeister hat. Was macht das Amt so besonders?
Das Besondere an den Klimadezernaten ist, dass sie dem wichtigsten Thema unserer Zeit, dem Klimaschutz, mehr Gewicht geben und Kompetenzen bündeln, die mit dem Thema Klimaschutz zu tun haben. Eigentlich bräuchte jede Kommune einen Klimabürgermeister – denn Verkehr, Energie, Sanieren, Abfallwirtschaft, Grünflächen und Forst sind ganz entscheidende Themen auf dem Weg zu einer klimaneutralen Kommune. Was das angeht, sind Heidelberg und Würzburg Vorreiter. Ich denke, es wird in Zukunft mehr Klimabürgermeister geben.
Heidelberg hat 2019 einen Aktionsplan für Klimaschutz verabschiedet. Wie würden Sie die bisherige Umsetzung beschreiben?
Mit unserem 30 Punkte umfassenden Klimaschutz-Aktionsplan haben wir Themen definiert, bei denen wir schnell zu Erfolgen kommen möchten. Die Debatte der letzten Monate hat gezeigt, dass die Maßnahmen darin bei Weitem nicht ausreichen, um klimaneutral zu werden. Wir müssen die Maßnahmen schärfen, weitere definieren und noch viel konkreter werden. Aber bei den im Aktionsplan verankerten Punkten sind wir zum Teil schon relativ weit, vor allem bei Energie und Wärme, und das ist auch gut so. So ist zum Beispiel die Fernwärme der Stadtwerke bereits zu 50 Prozent „grün“. Alle Kundinnen und Kunden der Stadtwerke erhalten 100 Prozent Ökostrom. Es gibt eine Kooperation mit Trianel Wind und Solar, das ist ein bundesweiter Zusammenschluss von 20 Stadtwerken. Trianel produziert Wind- und Solarenergie und speist sie in Heidelberg ein.
Wir haben viele städtische Gebäude saniert und deren Energiebedarf um die Hälfte gesenkt. Die jüngsten Erfolge im Bereich Mobilität sind der Ausbau des ÖPNV und der Fahrradangebote. In einigen Dingen sind wir also gut, da müssen wir den Pfad weiter beschreiten. Hier brauchen wir aber die Unterstützung der gesamten Stadtgesellschaft sowie von Bund und Land.
Das Klimawäldchen sowie Bio-Essen in Schulen und Kantinen führen laut einem Gutachten nur zu einer CO2-Reduktion von 0,001 beziehungsweise 0,01 Prozent. Lag der Fokus bisweilen zu sehr auf solchen kleinen Projekten?
Es ist uns allen klar, dass wir mit kleinen Dingen wie Bio-Essen in Kantinen nicht die Klimaneutralität herstellen werden. Wir müssen uns auf die Bereiche konzentrieren, in denen die Effekte wesentlich größer sind. Das sind die großen Themenfelder Energie, Verkehr, Mobilität sowie Bauen und Sanieren. Hier können wir wirklich viel CO2 einsparen. Außerdem hat in Heidelberg der Tourismussektor eine große Bedeutung. Bereiche wie Ernährung sind vergleichsweise kleinteilig – lassen sich aber schnell und relativ kostengünstig umsetzen. Da spielt zudem die Sensibilisierung der Menschen eine Rolle. Aber Sie haben recht: Die großen Effekte erzielen wir in anderen Bereichen. In denen sind wir deshalb ja auch auf dem Weg. Die Erfolge sind aber nur langsam sichtbar.
Was diese besonders wichtigen Bereiche angeht: Welche neuen Maßnahmen will die Stadt dort jetzt konkret treffen?
Unser Klimaschutz-Aktionsplan hat wie gesagt nach der jüngsten Auswertung nicht die ganz großen Effekte. Stadtintern wollen wir ämterübergreifend verbindliche Fahrpläne für den Weg zur Klimaneutralität beschreiben. Im Laufe dieses Jahres wollen wir Zeitpläne und Projekte entwickeln, wie wir dieses Ziel erreichen.
Parallel arbeiten wir natürlich weiter an den Maßnahmen, von denen wir wissen, dass sie große Effekte erzielen. Wärme ist beispielsweise ein riesiges Thema. Im Stadtteil Pfaffengrund gibt es den neuen Energie- und Wärmespeicher. Gerade arbeiten wir zudem an einem Standort für ein Flusswärmekraftwerk. Die Energieversorger MVV und ENBW arbeiten aktuell am Thema Geothermie in der Region, um Wärme aus der Erde zu gewinnen.
Wir werden intensiv Sanierungskampagnen fahren, um Hauseigentümerinnen und -eigentümer dazu zu motivieren, ihre Gebäude zu sanieren. Wir haben vor Kurzem mit dem Förderprogramm „Rationelle Energieverwendung“ zusätzliche Anreize dazu geschaffen, Photovoltaik auf Dächer zu bauen. Wir haben ein Stadt- und ein Verkehrsentwicklungsprojekt, und wir werden die Themen Radverkehrsplanung und Verkehrsplanung im Allgemeinen weiter optimieren. Wir sind in die Diskussion zur Parkgebührenerhöhung eingestiegen, weil die Kosten eines Parkplatzes in der Stadt einen massiven Effekt darauf haben, welches Verkehrsmittel die Menschen nutzen. Kurz gesagt: Wir kalkulieren, bis wann Heidelberg klimaneutral sein kann und wie der Weg dahin aussehen kann. Das ist unsere nächste große Aufgabe. Neben dem Klimaschutz wollen wir insbesondere soziale Gesichtspunkte im Auge behalten. Klimaschutz geht alle an: Auf dem Weg zur klimaneutralen Kommune braucht die Stadt die Unterstützung aus der Bürgerschaft sowie von Akteuren aus Wissenschaft und Wirtschaft.
Das Gespräch führte Lukas Jung.
Lukas Jung studiert Philosophie und Politikwissenschaft. Er schreibt seit SoSe 2018 für den ruprecht – vor allem über Wissenschaft, Investigatives und Stadtentwicklung. Seit SoSe 2019 leitet er das Ressort Wissenschaft. ruprecht-Urgestein.