Es ist mal wieder die Zeit gekommen: Ich bin auf der Suche nach einem neuen WG-Zimmer und mal wieder ist es, als würden sich Suche und Angebote in ihrer Absurdität selbst übertreffen. Da ich leider keinen Teppichboden im Badezimmer oder die Toilette unter dem Duschkopf möchte, wird es wohl noch ein wenig dauern, bis ich eine neue Behausung finde. Natürlich kann man als chronisch geldloser Studierender nicht erwarten, direkt in eine Villa unter dem Heidelberger Schloss zu ziehen (es sei denn, man ist männlich, hat nichts gegen Frauenfeindlichkeit, Alkoholismus, Rassismus oder Fechten), aber ein kleines bisschen Selbstachtung wird ja wohl noch drin sein.
Ich möchte ungern dem Vermieter „Ganzkörperbilder“ schicken und für weniger Miete unentgeltlich in seiner Pizzeria arbeiten. Das Acht-Quadratmeter-Durchgangszimmer für 400 Euro kalt kommt für mich auch erst dann in Frage, wenn sich irgendwann keine andere Möglichkeit mehr findet, als mich zu den Gänsen an der Neckarwiese zu gesellen. Gibt es da draußen noch andere, die alle zehn Minuten auf den orangenen Ladebildschirm der WG-Gesucht-App starren und verzweifelt auf eine Nachricht hoffen?
Wenigstens ist das Nachrichtentool der App anschaulich gestaltet, denn eine Antwort ist hier genauso wahrscheinlich wie das Ankommen der Flaschenpost von Robinson Crusoe. Bitte schickt mir trotzdem keine „Danke für deine Anfrage, aber wir haben schon jemand anderes gefunden“-Nachricht, die mir zuerst falsche Hoffnungen macht und mich dann zurück in die Hölle der Zimmersuche entlässt.
Hoffentlich lande ich nicht auf dem fleckenbesetzten Teppichboden in einem Zimmer in der Ringstraße, der letzte Ausweg, bevor die Gänse drohen – doch selbst da ist gerade nichts frei. Zur Not könnte ich noch bei der netten Familie in Neuenheim unterkommen, die ein Zimmer in ihrem Keller vermietet, dabei aber erwartet, ihre drei Kinder zu betreuen und diesen bei den Hausaufgaben zu helfen. Also quasi wie ein Au-pair, nur ohne freie Wochenenden, Städtetrips oder Bezahlung. „Ja, ich wohne noch bei Anette und Harald, aber ich habe meine eigene Wohnung im Keller!“. Wenn ich die erfolglose Mittzwanzigerin im alten Fahrradkeller eines Boomer-Gespanns hätte sein wollen, hätte ich auch bei meinen Eltern bleiben können. Außerdem ist für unterirdischen Lohn und Schwarzarbeit für uns Studierende immer noch die Gastro da.
Die nächsten Wochen werde ich nun in Küchen von studentischen Wohngemeinschaften verbringen, Leitungswasser im Senfglas, mir gegenüber die ein oder anderen Lehramtsstudent:innen, mit dem Klemmbrett in der Hand fragend, welches Tier ich wäre, wenn ich denn ein Tier wäre. Ein Karpfen?
Hier ein kleiner Vorschlag an die IT von „WG-Gesucht“, den Tipp kriegt ihr sogar umsonst: Gestaltet doch mal euer Logo und den netten Ladebildschirm mit Flammen und Mistgabel, denn diese App ist das Tor zur Hölle, das darf man beim Eintreten auch ruhig direkt mitbekommen, sonst macht man Erstsemestern auf Wohnungssuche falsche Hoffnungen auf eine nervenschonende, einfache Suche.
Eventuell könnte man auch mal über eine Triggerwarnung nachdenken. Vorsicht; Belästigung, Betrug, Abzocke und Burschis, zumindest in Heidelberg.
Ein Kommentar von Josefine Nord
...studiert Politikwissenschaften und Literaturwissenschaft und schreibt seit dem Wintersemester 2021/22 für den ruprecht. Nach langer Zeit in der Leitung widmet sie sich nun hauptsächlich Meinung, investigativen Recherchen und gesellschaftskritischen Themen.