Der Amoklauf am 24. Januar erschütterte die Studierenden in Heidelberg. Seitdem sind über vier Monate vergangen. Mittlerweile haben die Staatsanwaltschaft Heidelberg und die Polizei Mannheim ihre Ermittlungsergebnisse veröffentlicht. Sie gehen von einem Einzeltäter mit psychischer Störung aus.
Trotzdem bleiben für viele Studierende noch Fragen offen: Warum wurde nicht über offizielle Uni-Kanäle gewarnt? Warum erschienen keine Informationen auf Englisch? Wird es in Zukunft ein Ort des Gedenkens geben?
Die Pressesprecherin der Universität, Marietta Fuhrmann-Koch, war zwei Stunden lang mit der Polizei im Lagezentrum vor Ort. Die Sachlage war zu diesem Zeitpunkt noch unklar. „Ich habe sofort angeboten, dass wir unsere Kommunikationskanäle zur Verfügung stellen, da wir ja per Email alle erreichen können: sowohl die Studierenden als auch Mitarbeiter und Einrichtungen.”
Die Polizei habe damals betont, dass sie die Situation auf polizeieigenen Kanälen kommunizierte. In so einem Fall entscheide der Staat über das Vorgehen. Die Priorität der Polizei sei verständlicherweise zunächst gewesen, eine weitere Gefahrenlage auszuschließen und sich um die unmittelbar Betroffenen zu kümmern.
Die Polizei Mannheim erklärt auf Anfrage, dass die „Informationshoheit über offizielle Statements bei derartigen Einsatzlagen bei der Polizei liegen muss“. Für die Polizei Mannheim war dieser Weg auch mit vier Monaten Abstand der Richtige. Es hätten sich bisher keine Anhaltspunkte ergeben, dass „notwendige Informationsquellen nicht bedient worden wären“. Allerdings könnten solche Statements „frei geteilt und weiterpubliziert werden“. Diese Möglichkeit wurde durch die Universität nicht wahrgenommen.
Polizei: keine Anhaltspunkte für Fehlkommunikation
Gerade für internationale Studierende wäre eine Weiterverbreitung und vor allem eine Übersetzung auf Englisch eine große Hilfe gewesen. Viele von ihnen blieben am Tag des Amoklaufs ohne Informationen. Diana Zhunussova vom Referat für internationale Studierende hätte sich in diesem Be-reich mehr Initiative von der Universität gewünscht. „Wir haben von den internationalen Studierenden die Rückmeldung bekommen, dass Informationen auf Englisch gefehlt haben“, erklärt Zhunussova. Mit der internationalen Ausrichtung der Universität wird immer wieder geworben. Vor diesem Hintergrund sei es angemessen, dass auch internationale Studierende Informationen auf Englisch bereit gestellt bekommen, findet Diana Zhunussova. Von dem Amoklauf hätten die meisten internationalen Studierende aus Gruppen in den sozialen Medien erfahren.
Auch der Doktorandenkonvent der Universität schließt sich der Kritik an. Sowohl für Ausnahmesituationen wie dem 24. Januar als auch für den Alltag sei eine „zweisprachige Kommunikation für die Universität entscheidend“.
„Wir haben am Nachmittag des Attentats eine Übersetzung angesichts der Fülle von Aufgaben nicht für prioritär erachtet“, erklärt Fuhrmann-Koch. „Die internationalen Studierenden sind ja nicht abgeschottet, sie haben deutschsprachige Kommilitonen, mit denen sie sich austauschen können.“ Die Herausforderung, auch auf Englisch zu kommunizieren und die internationalen Studierenden zu versorgen, sei der Universität aber bewusst.
Im Nachgang zu den Ereignissen hätten Uni, Staatsanwaltschaft, Polizei und Innenministerium vereinbart, in nächster Zeit für den Ernstfall eine abgestimmtere Informationsstrategie zu entwickeln: „Aus heutiger Sicht wäre es gut gewesen, frühzeitig über die Kanäle der Universität auf die Polizei zu verweisen”, so Fuhrmann-Koch. Auch zwischen den Akteuren im Neuenheimer Feld gebe es zurzeit Abstimmungsgespräche, um im Falle einer Gefahrenlage verlässliche Informationswege sicherzustellen.
Vor wenigen Wochen wurden außerdem gemeinsam mit der Polizei die unterirdischen Gänge im Neuenheimer Feld besichtigt. Hätte der Täter von ihnen gewusst, wäre er laut Fuhrmann-Koch nie gefasst worden.
Neben der Manöverkritik mit der Polizei beschäftigt sich die Universität gerade damit, das Gedenken an den 24. Januar zu gestalten. Der Hörsaal soll umgestaltet und möglicherweise mit einem Kennzeichen des Gedenkens versehen werden. In erster Linie solle es laut Fuhrmann-Koch um die Gemeinschaft gehen, nicht um die Tat. „Diese schreckliche Erfahrung hat bei vielen ein ganz starkes Gefühl von gemeinsamer Ge- und Betroffenheit ausgelöst. Das wollen wir neben dem individuellen Gedenken an die getötete Studentin in einem gemeinschaftlichen Gedenken lebendig werden lassen.”
Ein konkretes Datum für die Fertigstellung der Gedenkstätte steht noch nicht fest. Das Campusleben ist ins Feld zurückgekehrt, am ehemaligen Kerzenmeer ist nun eine Baustelle. Auch ohne sichtbares Zeichen wird dieses Ereignis immer Teil der Geschichte der Heidelberger Studierendengemeinschaft sein.
Joshua Sprenger studiert Politikwissenschaft und öffentliches Recht und schreibt seit dem Sommersemester 2021 für den ruprecht. Er interessiert sich vor allem für Politik, die unterschiedlichsten Sport-Themen und alles was unsere Gesellschaft gerade so umtreibt. Seit dem Wintersemester 2021/22 leitet er das Ressort Weltweit.
...studiert Physik und schreibt seit Oktober 2019 für den ruprecht. Besonders gerne widmet sie sich Glossen, die oft das alltägliche Leben sowie wissenschaftlichen oder politischen Themen. Sie leitete erst das Ressort Hochschule und später das Ressort Wissenschaft.