Seit 2018 besteht zwischen dem Land Baden-Württemberg und der Stadt Heidelberg eine sogenannte „Sicherheitspartnerschaft“. Auch Stuttgart und Freiburg gehen diesen Weg. Die Städte erhalten zusätzliche Ressourcen für die Polizeiarbeit. In Heidelberg unterstützen Einheiten der Bereitschaftspolizei die Heidelberger Kräfte. Was bewirkt dieses Abkommen in Heidelberg und wie beeinflusst es das Verhältnis der Bürger:innen zur Polizei?
„Die Sicherheitspartnerschaft ermöglicht es uns, den öffentlichen Raum stärker zu kontrollieren und Gefahren zu verhindern“, erklärt Uwe Schrötel. Er ist Polizeidirektor und Leiter des Polizeireviers Mitte in Heidelberg.
Die Partnerschaft sei nötig gewesen, da die Polizei damals vor allem in der Innenstadt Tumultlagen, Alkoholexzesse und Probleme mit geflüchteten Personen aus eigener Kraft nicht mehr bewältigen konnte. Zudem hätte sich damals das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung dramatisch verschlechtert.
„Inzwischen verzeichnen wir aber stark rückläufige Zahlen“, sagt Schrötel. „Die Sicherheitspartnerschaft verhilft uns zu ganz neuen Möglichkeiten.“ Gleichzeitig habe es wegen der Covid-19 Pandemie weniger gemeldete Straftaten gegeben.
Tatsächlich ist die Zahl der Kriminaldelikte rückläufig. In den Jahren 2020 und 2021 sank die Zahl der Straftaten um insgesamt 25,2 Prozent. Das geht aus dem Kriminalitätsbericht des Polizeipräsidiums Mannheim (dem Heidelberg unterstellt ist) hervor. Der Bericht führt das auf die Sicherheitspartnerschaft und eine verstärkte „Bestreifung“ des öffentlichen Raumes zurück.
„Viel Polizei ist kein Garant für eine sichere Stadt“
Nur: Bereits 2018 war die Zahl der Straftaten in Heidelberg vergleichsweise niedrig. Auch das Sicherheitsgefühl in Heidelberg war gut, 2017 fühlten sich 92 Prozent der Heidelberger:innen in der Stadt sicher.
Auch der direkte Vergleich mit Mannheim wirft Fragen auf. Dort sank die Zahl der Kriminaldelikte im gleichen Zeitraum sogar um 26,9 Prozent – ganz ohne Sicherheitspartnerschaft. Abgesehen von den Zahlen gibt es aber noch grundsätzlichere Kritik an der Heidelberger Polizeistrategie.
Diese steht für Mario Bachmann auf einer fragwürdigen Grundlage. Bachmann ist Lehrstuhlvertretung für Kriminologie an der juristischen Fakultät Heidelberg. Einen besonders hohen Bedarf für mehr Polizei in Heidelberg kann er nicht erkennen – im Gegenteil: „Eine hohe Polizeipräsenz ist kein Garant für eine sichere Stadt. In Fällen stark erhöhter, aber lokal begrenzter Polizeipräsenz sehen wir oft nur Verdrängungseffekte, die Wurzel des Problems besteht dann weiter“, gibt er zu bedenken.
Zwar sei es staatliche Aufgabe, Gefahren abzuwehren, dies könne mit einer einseitigen Strategie aber nur unzureichend erfüllt werden. Einige Probleme entstünden erst durch das Gefühl konstanter Kontrolle und das veränderte soziale Klima. „In Heidelberg braucht man wohl eher einen konstruktiven gesamtgesellschaftlichen Ansatz“, sagt Bachmann. Die Stadt müsse sich mehr um das soziale Klima kümmern. Dies verhindere Straftaten von vornherein. Nur auf Repression zu setzen sei demgegenüber teuer und ineffizient.
„Heidelberg gehört zu den sichersten Städten Deutschlands“
Auch Uwe Schrötel sieht die Stadt in der Pflicht: „Ich wünsche mir ein vermehrtes Engagement der Stadt, um das soziale Klima in Heidelberg zu verbessern.“ Die Polizei müsse dennoch für größtmögliche Ordnung sorgen. Dies sei nur mit erhöhten Ressourcen der Sicherheitspartnerschaft möglich.
Vorfälle wie auf der Neckarwiese an Pfingsten 2021 verdeutlichten den Bedarf an Polizeipräsenz und Angeboten für junge Menschen. Damals randalierten vor allem Jugendliche und es kam zu Vandalismus. Die Polizei wirkte zeitweise überfordert. Schrötel begrüßt, dass die Sicherheitspartnerschaft 2021 verlängert worden ist.
Mario Bachmann betont hingegen, dass vor allem das konstruktive Zusammenspiel der kommunalen Behörden wichtig sei. Selbst die Polizei müsse sich manchmal zurücknehmen. Dies gewährleiste den sozialen Frieden oft besser als strenge Ordnungspolitik.
Die Stadt lässt auf Anfrage mitteilen, dass Heidelberg zu den sichersten Städten Deutschlands gehöre. Die Zusammenarbeit mit der Polizei laufe hervorragend. Defizite bei der Schaffung weiterer Lösungsstrategien sehe man keine. Die städtischen Ordnungsdienste habe man sogar um 30 Prozent aufgestockt.
Pfingsten kann kommen.
...studiert Physik im Master und fotografiert seit Herbst 2019 für den ruprecht. Von Ausgabe 200 bis Ausgabe 208 leitete er das Online-Ressort, von Ausgabe 205 bis 210 die Bildredaktion.