Wie ist es wohl, wenn man sich gar nicht bewegen kann – wenn man nicht einmal dazu in der Lage ist, ein Auge zu öffnen? Was, wenn man trotzdem hellwach ist und alles mitbekommt, was um einen herum geschieht? Mit einem Mann in dieser Situation kann man sich nun unterhalten.
Forscher:innen um den Neurowissenschaftler Niels Birnbaumer am Wyss Center for Bio and Neuro Engineering in der Schweiz veröffentlichten im März eine Studie über einen Mann, der an einer fortgeschrittenen Form von amyotropher Lateralsklerose erkrankt ist.
Amyotrophe Lateralsklerose, kurz ALS, ist eine neurodegenerative Erkrankung, die zum voranschreitenden Kontrollverlust über die Muskeln führt. Nach einer Weile müssen Betroffene künstlich beatmet werden. Dies führt zusammen mit dem Verlust der Kontrolle über Gesichts- und Kiefermuskeln dazu, dass sie nicht mehr sprechen können.
Ein Betroffener war der britische Physiker Stephen Hawking, der bis zuletzt einen Sprachcomputer mit seinen Augen steuerte. Die computergenerierte Stimme, die seine Botschaften wiedergab, wurde mit der Zeit sein Markenzeichen. Im Fall des Patienten von Birnbaumer war selbst das zuletzt nicht mehr möglich.
Das Team implantierte Sensoren in das Gehirn des Patienten. Damit wurde die Rate gemessen, mit der die Neuronen feuern. Zunächst war es nicht möglich, die Sensoren zur Kommunikation zu nutzen, da verwendete Methoden (der Patient soll sich Bewegung der Zunge, Hand oder Füße vorstellen) zu keinerlei klassifizierbaren Signalen führte.
Nach 86 Tagen wechselten die Forscher die Strategie. Über akustisches Feedback – einen Ton, der sich mit der gemessenen Rate in der Höhe veränderte – lernte der Patient schnell, die Rate zu modulieren, um Buchstaben auszuwählen und somit Wörter und Sätze zu formulieren. Um einen Buchstaben auszuwählen, brauchte er etwa 56 Sekunden.
Am einhundertsiebten Tag nach der Implantation buchstabierte der Patient eine Dankesnachricht an Birnbaumer. Weitere Botschaften betrafen seine Familie – oder seine Pflege.
So wünschte er sich ein neues Bett („mein groesster wunsch ist eine neue bett und das ich morgen mitkommen darf zum grillen”) und ein Menü für die Magensonde: “gulasch suppe und dann erbsensuppe”, “und jetwzt ein bier”.
Er freute sich auch über den Fortschritt: „jungs es funktioniert gerade so muehelos“.