„Fair, sustainable, unisex“ lautet das Motto, unter dem Steffi und Julia ihre handgemachten Ketten, Armbänder und Ringe verkaufen. Seit 2014 stellt das Paar Schmuck aus recycelten Materialien wie Messing, Kupfer oder Edelstahl her. Auf Nachhaltigkeit zu achten, ist für Gründerin Julia selbstverständlich: „Ich bin da vielleicht auch in meiner Bubble drin. Manchmal vergesse ich, dass es außen ganz anders aussieht“, erzählt sie uns in ihrer Werkstatt. Wo sich der Nachhaltigkeitsgedanke in der Modebranche langsam aber sicher zu etablieren scheint, fehle er in der Schmuckbranche noch häufig. Viele Teile werden aus Asien importiert, was das Nachvollziehen der Lieferketten verkompliziert. „Die Ressourcen sind endlich“, betont Julia. Ein fremdes Format muss her.
Das Heidelberger Unternehmen setzt daher auf lokale Produktion. „Wenn alle Materialien von lokalen Firmen stammen, ist das am einfachste
n und am günstigsten. Vieles kaufen wir zu Schrottpreisen. Und wir checken unsere Lieferketten ab. Es ist alles aus recycelten Materialien.“ Ein Teil davon stammt aus der metallverarbeitenden Industrie, ein anderer Teil besteht aus aufgekauften übrigen Schmuckteilen oder aufbereitetem Elektroschrott. „Wir betreiben Upcycling. Zum Beispiel haben wir aus fehlerhaften Produkten einer Heidelberger Blechfabrik Armbänder angefertigt.“ Das erfordert handwerkliches Feingefühl.
Julia hat sich das meiste selbst beigebracht, wie die Arbeit mit der Metalllegierung Messing. „Es war viel Lernen, Scheitern und Weiterlernen. Irgendwie haben wir uns da durchgefuchst und uns sogar das Löten selber beigebracht, was ein pain in the ass war!“
Da Julia damals keinen Ausbildungsplatz zur Goldschmiedin findet, beginnt sie das Herstellen von Schmuck als Hobby. Ihre Lebensgefährtin Steffi ist selbst Künstlerin und war in der Vergangenheit auf vielen Kunstmärkten unterwegs. „Auf so einen Kreativmarkt hat Steffi mich damals mitgenommen. Da hat dann tatsächlich jemand etwas gekauft und ich war total überrascht. So hat schrittweise alles angefangen.“ Als Julia merkt, dass eine Nachfrage für ihr Handwerk besteht, beginnt sie, den Schmuck online zu verkaufen. „Wir haben zuerst vor allem die Miete gescheut, die in Heidelberg auf uns zukommen würde.“
„Du machst dich verwundbar“
Seit drei Jahren führen sie ein Studio in Bergheim, das Verkaufsort und eine offene Werkstatt zugleich ist. Durch die Coronapandemie habe sich der Kundenverkehr im Studio aber reduziert. „Ich arbeite schon besser, wenn mir keiner auf die Finger schaut“, gibt Julia zu. Die Schmuckstücke fertigen die Unternehmerinnen erst auf Bestellung an, um eine Überproduktion zu vermeiden. Dabei überlegt sich das Paar die Designs im Vorhinein gemeinsam. „Das war schon immer so, dass wir das zusammen gemacht haben“, sagt Julia. Unter dem Label-Namen hat Partnerin Steffi damals ihre Kunst verkauft. „Den Namen habe ich mir einfach angeeignet und ein bisschen auch geklaut“, sagt Julia lachend.
Fremdformat ist ein „queer-owned-Business”, wie sie sich selbst auf ihrer Website bezeichnen. Im Juni schmücken sie das Schaufenster mit Barbies, die eine Pride-Parade darstellen. „Mir ist wichtig, den Pride-Month im Heidelberger Stadtbild sichtbar zu machen“, sagt Julia. „Das erste Jahr habe ich fast im Laden geschlafen, weil ich Angst hatte, dass mir jemand die Scheibe einschlägt. Es ist provokant. Aber queere Menschen und vor allem lesbische Frauen sind oft genug unsichtbar.“ Obwohl Julia sich wünscht, dass sich mehr Unternehmen zur LGBTQ+-Community bekennen, hat sie Verständnis: „Du machst dich verwundbar. Du bekommst dumme Kommentare von Vorbeilaufenden, und an manchen Tagen habe ich da auch keinen Bock drauf.“ Trotzdem wollen sie die queere Szene repräsentieren und Geschlechterrollen aufbrechen.
Mit ihrem Schmuck möchten sie auch Männer und nichtbinäre Menschen erreichen. „Für viele gibt es noch die festgefahrene Kategorie, dass Schmuck nur etwas für Frauen ist. Seitdem wir draußen ausgezeichnet haben, dass unser Schmuck unisex ist, trauen sich auch mehr Leute rein. Für uns war aber immer klar, dass jeder tragen kann, was er will.“
Carla Scheiff interessiert sich für Kultur und Politik und studiert deshalb Germanistik im Kulturvergleich und Politikwissenschaften. Seit 2021 schreibt sie für den ruprecht und leitet Seite 1-3. Am liebsten widmet sie sich gesellschaftspolitischen Themen und Fragen, die unsere Generation bewegt.