Seit bald einem Jahr leiden wir unter dem geschmacklosen Versuch Baden-Württembergs, Lokalpatriotismus zu erzeugen. THE LÄND. Das sagt man ja nicht einfach so daher, nein, man senkt die Stimmlage zu einem heiser-verschwörerischen „THE LÄÄÄÄÄND“.
THE LÄND steht angeblich für Baden-Württemberg als führenden Standort für Technologie und Innovation in Deutschland. Worin das Land offenbar nicht führend ist: Werbeagenturen. Welcher Hirnfurz es auch immer war, der das Land Baden-Württemberg zu einer derart geschmacklosen Imagekampagne bewegt hat – falsche Rechtschreibung ist nicht „in“, sie wird auch nicht weniger peinlich, wenn man sie in Großbuchstaben druckt. Besonders peinlich wird es, wenn man versucht, damit seriöse Veranstaltungen zu bestreiten: In die Liederhalle nach Stuttgart hatte man eingeladen, um die neuen Professoren des Landes Baden-Württemberg feierlich in THE LÄND willkommen zu heißen. Die armen frisch gebackenen Lehrstuhlinhaber muss es innerlich geschüttelt haben.
Man könnte auch sagen, dass es eine nett gemeinte Idee war, ein bisschen holprig in der Umsetzung, aber immerhin ist es witzig. Besonders witzig, wenn eine Gemeinde das Land Baden-Württemberg wegen der Ähnlichkeit der THE LÄND-Plakate mit einem Ortsschild verklagt. Oder wenn die Grünen zur Bürgermeisterwahl in THE HEIDELBÖRG antreten wollen. Reicht wohl nicht, wenn überall ein Ä eingebaut ist. Ein billiger Abklatsch mit minimalem Twist hat ja schon immer gut funktioniert.
Aber noch nicht genug der Peinlichkeiten: „Die 70 Jahre sieht man THE LÄND gar nicht an“, verkündet die CÄMPAIGN auf ihrer Webseite. Ach, wirklich? Die unbeholfene Art, mit der man versucht, Social Media einzubinden, ist schon ziemlich 1952: Wollt ihr #UNDERSTÄNDTHELÄND? Dann schaut mal auf Insta, da posten die LÄNDFLUENCER regelmäßig, what’s #HäppeningInTHELÄND und spannende #LändFäcts.
So wird erklärt, was „licking a quarter“ in THE LÄND bedeutet, frei übersetzt: „a Viertele schlotza“. Das ist nicht nur für jeden Badener eine Zumutung, der hier hemmungslos mit den Schwaben über einen Kamm geschert wird. Es ist auch eine Vergewaltigung der englischen Sprache, die man angeblich so gut beherrsche.
„Auch wenn man es natürlich kaum vermuten mag: Englisch ist nicht Landessprache in #THELÄND“, steht auf Twitter. Ernsthaft? Mit diesem grauenvollen Denglisch haben sie erreicht, dass ein Teil der Einheimischen die eigene Imagekampagne nicht versteht. International wird durch die grammatikvergessenen Slogans wohl niemand zu dem Schluss kommen, dass man in Baden-Württemberg Englisch kann.
Aber es hilft ja nichts, sich darüber aufzuregen, die Kampagne ist da und das Merchandise auch. Vielleicht wird ja der Wohnraum billiger, wenn wir möglichst viele potenzielle Zuzügler abschrecken. Also schnappt euch eure TÄSCH und zieht die Sandalen über die stolz hochgezogenen THE LÄND-Tennissocken. Ich lege solange Friedrich Hölderlin tröstend einen Duden aufs Grab.
...studiert Physik und schreibt seit Oktober 2019 für den ruprecht. Besonders gerne widmet sie sich Glossen, die oft das alltägliche Leben sowie wissenschaftlichen oder politischen Themen. Sie leitete erst das Ressort Hochschule und später das Ressort Wissenschaft.