Pille, Ring, Spirale, Diaphragma, Pflaster – die Auswahl an Verhütungsmethoden scheint unendlich. Beschränkt bleibt dagegen ihre Zielgruppe. Bisher haben es nur zwei Methoden für die Männerwelt auf den Markt geschafft: das Kondom und die Vasektomie. Letztere ist der operativen Eingriff zur Sterilisation, der dauerhaft unfruchtbar macht. Dadurch ist sie für viele, vor allem junge Männer keine Option. So bleibt dem männlichen Part meist nur das Kondom.
Dieses Ungleichgewicht wird oftmals mit dem Argument verteidigt, Spermien seien schwieriger zu bändigen als Eizellen. Ein fruchtbarer Mann produziert rund 1200 Spermien pro Sekunde, wohingegen pro Menstruationszyklus im Normalfall nur eine einzige Eizelle heranreift. Ein hormonelles Verhütungsmittel müsste also die Spermienbildung dauerhaft hemmen oder die Spermienzellen schwächen. Die Forschung hat dazu verschiedene Präparate entwickelt und getestet. Die meisten Mittel zielen auf das männliche Sexualhormon Testosteron ab, das wie Spermienzellen im Hoden produziert wird. Zusätzliches Testosteron kann oral oder in Form eines Gels über die Haut aufgenommen werden.
Der Körper baut im Labor hergestelltes Testosteron schnell ab. Das Gel hat gegenüber der Hormontablette einen entscheidenden Vorteil: Es bleibt länger im Blutkreislauf. 72 Stunden lang soll es die Spermienproduktion hemmen. Einmal täglich wird es auf die Brust- und Schulterpartie aufgetragen. Somit kann der Nutzer besser dosieren, und der Schutz ist auch dann gewährleistet, sollte eine Dosis ausgesetzt oder vergessen werden
Testosterongel wird auf die Haut aufgetragen
Das Gel setzt sich aus Testosteron und dem synthetischen Gestagen Nestoron zusammen. Nestoron stoppt die Spermienproduktion, indem es die Testosteronerzeugung im Hoden hemmt. Das beigefügte synthetische Testosteron soll das daraus resultierende Hormonungleichgewicht regulieren und dabei die Libido erhalten.
Seit 2018 testet das US-Forschungsförderungszentrum National Institute of Child Health and Human Development die Wirksamkeit des Hormongels. 420 Probanden nehmen an der Studie teil, die an 13 verschiedenen Standorten durchgeführt wird, darunter Kalifornien, Schweden, Kenia und Italien. Laut Forschungsdesign soll die Studie voraussichtlich Ende 2024 abgeschlossen sein. Erste Zwischenergebnisse sind vielversprechend: Nach wenigen Wochen erster Anwendung sinkt die Spermienzahl der Testpersonen drastisch. Die Nebenwirkungen seien vergleichbar mit milden Begleiterscheinungen gängiger Antibabypillen.
Solche hormonellen Verhütungsmethoden sind jedoch umstritten. Wird körperfremdes Testosteron aufgenommen, erhält der Körper die Information, dass er bereits ausreichend von dem Hormon produziert habe. Die Aktivität im Hoden wird daher eingeschränkt, die Samenproduktion wird gebremst. Dabei muss eine genaue Dosierung eingehalten werden, denn zu viel von dem Hormon würde die Hodenaktivität herunterfahren und ihn schließlich schrumpfen, was nicht wieder rückgängig gemacht werden kann. In diesem hormonellen Balanceakt liegt die aktuelle Herausforderung der Forschung.
Ähnliche Nebenwirkungen wie bei der Antibabybpille
Zudem spielen mögliche Nebenwirkungen der Hormonzufuhr eine wesentliche Rolle dafür, dass die Pille für den Mann oder vergleichbare hormonelle Verhütungsmittel nur schleppend vorankommen. Das können etwa Gewichtszunahme, geringeres Lustempfinden und Stimmungsschwankungen sein, bis hin zu Depressionen. Diese Nebenwirkungen betreffen auch Frauen, die hormonell verhüten. Wirft man einen Blick auf den Beipackzettel gängiger Antibabypillen, stellt man aber fest, dass solche unerwünschten Begleiterscheinungen ihren Erfolg nicht gebremst haben. In den 1960er Jahren, als die Antibabypille erstmalig auf den Markt kam, waren die Zulassungsbedingungen jedoch weniger streng als heute.
Geforscht wird auch an hormonfreien Alternativen. An der University of Minnesota werden Versuche mit einem Wirkstoff durchgeführt, der die Funktion eines wesentlichen Proteins blockiert. Dieses Protein, Retinsäure, ist wichtig für das Wachstum der Spermien. Wird es behindert, so können die Spermienzellen nicht reifen. Bisher wurde das Mittel nur an Mäusen getestet. Auch hier sind die Ergebnisse vielversprechend. Die Nager wiesen eine Sterilität von 99 Prozent auf, ihre sexuelle Aktivität war dabei nicht beeinträchtigt. Offensichtliche Nebenwirkungen blieben aus, und nur wenige Wochen nach Absetzen des Wirkstoffs trat die Fruchtbarkeit wieder ein.
Eine weitere mögliche Form der reversiblen Geburtenkontrolle bietet der in Berlin geborene Tischler Clemens Bimek. Er erfand Ende der 1990er Jahre ein Ventil, das in beide Samenleiter eingesetzt wird, wo es den Zufluss von Spermienzellen verhindert. Diese vermischen sich also nicht mit dem Ejakulat, sondern werden durch das „Bimek-Samenleiterventil“ seitlich in den Hoden abgelassen. Dort werden sie vom Immunsystem als Fremdkörper wahrgenommen und abgebaut. Durch einen Schalter, den man im Hodensack ertasten kann, wird das Ventil wieder geöffnet und so die Fruchtbarkeit wiederhergestellt. Bisher hat jedoch nur der Erfinder selbst das Ventil implantiert. Die Wirksamkeit muss erst noch in Studien geprüft werden.
Als Ende der 1960er Jahre die Antibabypille auf den Markt kam, hatten Frauen erstmalig die Möglichkeit, den Eisprung zu unterdrücken. Sie erlangten dadurch die Kontrolle über ihre Fruchtbarkeit. Dass die Pille zugelassen wurde, war die Errungenschaft von Generationen von Frauen, die mehr Selbstbestimmung und Unabhängigkeit einforderten.
Noch ist unklar, warum fast nur Frauen verhüten. Der Umsatz der Antibabypille für die Frau liegt bei rund 600 Millionen Euro pro Jahr. In erster Linie fehlt es an dem nötigen Interesse der Pharmabranche, die Forschung zu fördern. Letztlich geht dies wohl auf mangelnde Nachfrage zurück. Bis die Pille für den Mann auf den Markt kommt, werden wohl noch viele Pillen für die Frau verschrieben.
...interessiert sich für Kultur und Politik und studierte deshalb Germanistik im Kulturvergleich und Politikwissenschaften. Seit 2021 schrieb sie für den ruprecht und leitete Seite 1-3. Am liebsten widmet sie sich gesellschaftspolitischen Themen und Fragen, die unsere Generation bewegt.