Es sind vor allem junge Familien, die in der Deutsch-Ukrainischen Gesellschaft ein Stück Heimat suchen“, erzählt Maria Melnik, Vorsitzende des Vereins. Die Deutsch-Ukrainische Gesellschaft Rhein-Neckar e.V. (DUG) versucht mit ihrer Arbeit, Ukrainer:innen in der Umgebung ein heimisches Gefühl zu ermöglichen.
Die Arbeit der DUG ist zwar vor allem seit Beginn des Krieges am 24. Februar von zentraler Bedeutung, jedoch besteht schon seit fast 30 Jahren eine Freundschaft zwischen Ukrainer:innen und Deutschen in Heidelberg. Die Deutsch-Ukrainische Gesellschaft Rhein-Neckar wurde aus einer Tschernobyl-Initiativgruppe im Jahr 1992 von dem Philologen und Osteuropahistoriker Ernst Lüdemann, der 1982 in Osteuropäischer Geschichte in Heidelberg promovierte, gegründet. Ziel sei es damals gewesen, Kinder aus Prypjat nach der Nuklearkatastrophe für einen Ferienaufenthalt zur Erholung nach Heidelberg zu holen. Mit dem Bestreben humanitäre Hilfe zu leisten, wurde den Kindern ein breites Freizeitprogramm geboten. Die DUG Rhein-Neckar e.V. bezeichnet sich auf ihrer Homepage als „gemeinnützigen Verein mit deutschen und ukrainischen Mitgliedern“.
Das Vorzeigeprojekt der DUG ist die 2009 eingeführte Samstagsschule Naschka Schkola, was übersetzt „unsere Schule“ bedeutet. Neben dem Vertiefen ihrer Ukrainisch-Kenntnisse werden dort Kinder, deren Eltern ganz oder zum Teil aus der Ukraine stammen, unter anderem in der Geschichte, Geografie und Kultur der Ukraine unterrichtet. Viele Mitglieder hatten schon vor dem Krieg ein Stellenangebot im Raum Heidelberg erhalten und sind deshalb nach Deutschland gekommen. Seit Kriegsbeginn gibt es nur wenige Neuzugänge. Jedoch sind deutsche Helfer:innen, die beispielsweise bei der Kleiderausgabe helfen, der DUG beigetreten, um sie bei der zunehmenden Arbeit zu unterstützen. Auf ihrem Facebook Account berichtet die DUG von aktuellen Events, wie vom Flohmarkt des TSV Heidelberg-Wieblingen, bei dem Spenden gesammelt wurden, oder von den Auftritten der Tanzgruppe „Malven“.
Allerdings hat die DUG auch mit Problemen und Herausforderungen zu kämpfen: „Ein Büro, einen Sitz oder einen gemeinsamen, offiziellen Aufenthaltsraum gibt es leider noch nicht“, berichtet Melnik. Aktuell treffen sich die Mitglieder noch im Heidelberger Pädagogium, wo auch die Samstagsschule stattfindet. Hinzu kommen die Geldspenden, die die DUG dringend benötigt: „Die Transport- und Energiekosten sind enorm und Sachspenden müssen letztendlich auch von A nach B transportiert werden“, so Melnik.
Von kulturellem Programm zu humanitärer Hilfe
Die Aufgaben der DUG haben sich seit Beginn des Krieges über Nacht radikal verändert. Während man sich vorher hauptsächlich um Bildung, Kultur oder Ausstellungen gekümmert hatte, wurde nun ein Hilfsprogramm organisiert. Es soll Menschen in Heidelberg, aber auch in der Ukraine selbst unterstützen. Die humanitäre Hilfsaktion für ukrainische Geflüchtete umfasst zunächst Spendenaktionen und Kleidersammlungen. „Wir konnten außerdem 71 LKWs mit Hilfsgütern und neun Rettungswagen mit Medizin in die Ukraine fahren“, hebt Melnik hervor. Sie glaubt, dass der Schwerpunkt ihrer Aufgaben noch länger durch den Krieg geprägt werden wird.
Die aktuelle Situation könne laut Melnik zudem nur bedingt mit den Ereignissen im Zuge der Krim-Annexion im Jahr 2014 verglichen werden. Soldaten seien auch damals schon stationiert und Waffen in die Ukraine geliefert worden. D as Ausmaß des aktuellen Krieges, vor allem in Bezug auf die Toten, sei jedoch massiver. Melnik betont außerdem die Gefahren, die die Äußerungen und Nachrichten des russischen Präsidenten Putin mit sich brächten: „Es gibt viele Menschen, auch in Deutschland, die ihm Glauben schenken“, erklärt sie.
Der größte Unterschied zur Situation in der Ukraine im Jahr 2014 spiegele sich jedoch in der Weltöffentlichkeit wieder, unterstreicht Melnik: „Die Welt hat damals weggeschaut und heute schaut sie hin.“