Erinnerungen an die amerikanische Präsenz in Heidelberg wachhalten und den deutsch-amerikanischen Dialog fördern: Das verspricht das am 22. Mai neu eröffnete Mark Twain Center (MTC) für transatlantische Beziehungen in der Heidelberger Südstadt. Auf zwei Stockwerken und über 1000 Quadratmetern sollen im ehemaligen europäischen Hauptquartier der US-Armee transatlantische Perspektiven erlebbar gemacht werden. Das Mark Twain Center wurde seit 2018 geplant und ist dem Kurpfälzischen Museum zugeordnet.
Die Ausstellung beinhaltet die multimediale Führung „Join the Story“, in der man von zuvor ausgehändigten Tablets durch das historische Zeitgeschehen ab dem 18. Jahrhundert begleitet wird. Die Vorgeschichte wird mithilfe von simpel gehaltenen Animationen an den Wänden oder einem greifbar veranschaulichten Heidelberger Stadtplan erzählt und in Kontext gesetzt. „Multimedia“ wird in dieser Ausstellung wirklich beim Wort genommen: Überall können Besucher Bildschirme anklicken, Töne abspielen, Animationen und Lichtshows sehen oder durch eine Diashow scrollen. Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen Interviews mit Zeitzeug:innen, die ihre subjektive Sichtweise auf die Geschichte schildern. Die Bilder der Sprecher:innen an den Wänden lassen sich durch einen Scan mit dem Tablet zum Leben erwecken. So hört man ehemalige Soldat:innen, Offiziere, Kommandanten, Schüler:innen, Club-Mitglieder und sonstige Beteiligte von Ereignissen, Erfahrungen, Herausforderungen und Chancen dieser deutsch-amerikanischen Zusammenkunft in Heidelberg berichten. Laut Uwe Wenzel, Leiter des MTC, bringe dieser neue Zugang zur Geschichte die Konsequenz, dass ein ambivalentes Bild der gemeinsamen Vergangenheit entstehe. Als Beispiel werden hier die Berichterstattungen des ehemaligen Oberkommandierenden B. B. Bell und des Friedensaktivisten Joachim Guilliard genannt. Die Besucher:innen sollen sich ein eigenes Bild von der Geschichte machen, auch dadurch, dass sie selbst auswählen können, welche Stimmen sie hören. „Das macht Mühe, ist aber – so finden wir – auch spannender“, so Wenzel.
Es vermischen sich Alltagsromantik und Kriegsszenen
Außerdem bietet das Mark Twain Center einen Einblick in die eigens hierfür aufbereiteten originalen Räumlichkeiten, darunter das Büro des ehemaligen Oberkommandierenden und ein Kaminzimmer. Durch massive Möbelstücke, Uniformen und Abzeichen an den Wänden sowie einem alten Telefon mit Original-Beschriftung können Besucher:innen die einprägsame Atmosphäre dieser Zeit zu spüren bekommen. Betritt man das Badezimmer des Oberkommandierenden, blickt man im Spiegel einem Soldaten direkt ins Gesicht. Es vermischen sich Alltagsromantik und Kriegsszenen, der Soldat wandert gedanklich von grausigen Szenen mit blutigen Körpern zu familiärem Glück und beschenkt seine dankbare, freudestrahlende Frau mit einer Kette. Ein wenig militärverherrlichend ist diese Szenerie schon, auch in Verbindung mit dem riesigen Büro, das nur so vor Wichtigkeit und Entscheidungsmacht zu strotzen scheint.
Unter den vielen Sprechbeiträgen von Soldat:innen, besonders im Erdgeschoss dieser Ausstellung, geht ein differenzierteres Bild zu dieser Militär-Darstellung unter. Uwe Wenzel verweist auf den Ausstellungsraum „Berufswelt Armee“, in welchem zum Thema Rassismus in der Armee abgewogene Stimmen zu Wort kommen sollen. Ferner wird über die Unmöglichkeit, die Grausamkeiten in Kriegseinsätzen überhaupt zu vermitteln, berichtet. Eine deutlichere Betonung dieser Beiträge zur kritischen Reflektion wäre wünschenswert. Vielleicht gelingt dies mit den geplanten Forschungsvorhaben sowie Bildungs- und Kulturprojekten. Uwe Wenzel betont: „Wichtige Themen sind die globale Sicherheit, Friedenspolitik und Menschenrechte beziehungsweise Menschenrechtsbildung.“ Dementsprechende Angebote seien momentan in Entwicklung. Das MTC lädt dazu ein, selbst an der Entwicklung und Themenbreite der Ausstellung mitzuwirken. Zu diesem Zweck gibt es am Ende der Ausstellung eine Videokabine, in der eigene Beiträge eingebracht werden können. Besucher:innen können sich auf eine dynamische Ausstellung und viele Möglichkeiten des Wachstums freuen sowie zusammen mit dem MTC die gemeinsame Vergangenheit von Deutschen und US-Amerikaner:innen kritisch reflektieren.
Helena studiert Ethnologie und Soziologie seit dem Wintersemester 2020/21 und ist seit März 2021 bei ruprecht dabei.