Unter der Altstadt erstreckt sich über zwei unterirdische Etagen auf insgesamt 3000 Quadratmetern das nicht öffentliche Tiefmagazin der Unibibliothek. Dort werden alle Bestände aufgenommen, die nicht zu den „normalen“ Medien gehören –zum Beispiel Bücher in unkonventionellen Sprachen, Schriftstücke, die nicht als einfaches Buch vorliegen, wie Mikrofilme, Rollen, lose Papiere, oder graue Literatur–Texte, die nicht in einem Verlag herausgegeben werden.
Martin Nissen, Abteilungsleiter für Benutzung und Öffentlichkeit, nimmt uns mit in die Tiefe. Nachdem wir aus dem Aufzug steigen, gehen wir zunächst durch einen langen, geraden Tunnel. Erst dort, unter der Neuen Uni, beginnt das eigentliche Tiefmagazin. Es wurde 1986 als Geschenk des Landes Baden-Württemberg für den 600. Jahrestag der Universität in Auftrag gegeben und konnte im März 1991 erstmals zur Lagerung von Büchern verwendet werden. Davor wurden große Teile der Sammlung wegen Platzmangels in Außenmagazinen wie der Alten Landfriedfabrik gelagert, die einen umständlichen Transport erforderten und auch nicht immer die sicherste Umgebung für die Bestandsobjekte boten.
Fast alles kann bestellt werden
Viele Studierende wissen, dass man als Normalsterblicher nicht in das Tiefmagazin hinabsteigen kann. Es erinnert nicht sehr an die „verbotene Abteilung“ bei „Harry Potter“. Die Bücher sind hier zu ihrem eigenen Schutz gelagert, nicht, weil die Bücher Inhalte enthalten, die nicht an die Öffentlichkeit gelangen sollen. Ganz im Gegenteil: Aus dem Tiefmagazin kann fast alles bestellt werden, je nach Objekt und Zustand manchmal nur zur Präsenznutzung im Lesesaal. Dorthin gelangen die Bücher über eine Förderanlage, die völlig automatisiert funktioniert.
Die Räumlichkeiten selbst wirken beim Durchgehen recht industriell und funktional. Von der romantisierten Vorstellung einer „verbotenen Bibliothek“ ist hier nicht viel zu spüren. Um den Bestand zu schützen, ist das Tiefmagazin vollständig klimatisiert: Die Temperatur beträgt stets 20 bis 22 Grad, die Luftfeuchtigkeit circa 50 Prozent. Die Zugangsbeschränkung zum Tiefmagazin hat mehrere Gründe, vor allem aber praktische: ohne spezielle Ausbildung würde man hier bei der Quellensuche nicht fündig werden. Außerdem sind die automatischen Hightechregale nicht ganz ungefährlich. Dazu sind manche Teile des Bestandes ziemlich wertvoll. Die Texte des Tiefmagazins sind in sogenannten Kompaktusanlagen aufbewahrt. Das sind Regale, die eng aneinander gereiht sind. Man muss sie erst auseinanderschieben, um sich Zugang zu den Büchern zu verschaffen. Das spart Platz, denn die Regale können viel dichter stehen.
Einige der Reihen können zum Schutz wertvoller Bestände sogar abgeschlossen werden. Die restlichen Regale gleiten auf Befehl surrend zur Seite und geben den gewünschten Gang frei –wie beim Eingang zur Winkelgasse.
Korrekturhinweis: In einer früheren Version des Artikels haben wir fälschlicherweise geschrieben, dass das Tiefmagazin 1968 in Auftrag gegeben wurde.
Lukas Jung studiert Philosophie und Politikwissenschaft. Er schreibt seit SoSe 2018 für den ruprecht – vor allem über Wissenschaft, Investigatives und Stadtentwicklung. Seit SoSe 2019 leitet er das Ressort Wissenschaft. ruprecht-Urgestein.
...studiert seit dem WiSe 2021 im Bachelor in Geschichte und Religionswissenschaft – beim ruprecht ist sie seit Studienbeginn, hat zwischendurch Hochschule mitgeleitet und ist zurzeit im Layout-Team. Bei Gelegenheit produziert sie auch Illustrationen für Artikel und schreibt am liebsten über Medien und internationale Themen.