Haftstrafe mit Schlossblick: Das gibt es im ehemaligen Gefängnis „Fauler Pelz“ seit 2015 nicht mehr. Damals wurde die im Jahr 1848 in Betrieb genommene Strafanstalt aufgrund ihres hohen Alters und abnehmender Häftlingszahlen geschlossen. Ein Gefängnis mitten im Stadtzentrum ist heutzutage ohnehin eine Seltenheit, eine Weiterführung des Betriebs im Faulen Pelz schien demnach nicht zeitgemäß.
Seit Herbst 2021 erschwert eine Unstimmigkeit zwischen der Stadt Heidelberg und dem Sozialministerium Baden-Württemberg jedoch die Planung für eine langfristige Nachnutzung des denkmalgeschützten Gebäudes. Aufgrund des Mangels an Unterbringungsmöglichkeiten brachte Sozialminister Manfred Lucha im Oktober 2021 den Faulen Pelz als Übergangslösung für eine Einrichtung des Maßregelvollzugs ins Gespräch, allerdings ohne eine vorherige Absprache mit der Stadt Heidelberg. Diese habe zuerst über einen Bericht der Deutschen Presse-Agentur von dem Vorhaben erfahren, bevor Oberbürgermeister Eckart Würzner diesbezüglich kontaktiert wurde, wie ein Pressesprecher der Stadt mitteilt.
Im Gegensatz zum Strafvollzug ist es das Ziel des Maßregelvollzugs, Straftäter:innen mit psychischen Erkrankungen, Suchterkrankungen oder anderen Beeinträchtigungen, die sie vermindert schuldfähig machen, zu therapieren. Bis sie wieder in die Gesellschaft eingegliedert werden können, soll die Unterbringung in einer Facheinrichtung dem Schutz der Öffentlichkeit dienen. Durch den Mangel an Therapieplätzen im Maßregelvollzug mussten in Baden-Württemberg in den letzten Jahren immer mehr Straftäter:innen vorzeitig entlassen werden – im Jahr 2022 waren es bereits 17. Das Sozialministerium möchte daher bis Ende Juni 2025 vorübergehend Plätze im Faulen Pelz einrichten.
Fehlende Kommunikation zwischen Stadt und Land
Die Stadt Heidelberg sieht ihre Interessen in diesen Entwicklungen jedoch kaum vertreten. Seit 2017 liegen Bauvorbescheide für einen Bebauungsplan vor, die den Faulen Pelz als Erweiterung des Altstadtcampus vorsehen. Laut eines Statements der Uni sei das Areal „fester Bestandteil der baulichen Entwicklungsplanung der Universität Heidelberg“, mit dem Ziel, den Geisteswissenschaften in der Nähe des Altstadtcampus mehr Nutzungsfläche zu bieten. Dabei sollen zum einen mehr Räume für die Fächer Geschichte und Kunstgeschichte, zum anderen allgemein bis zu 3500 Arbeits- und Forschungsplätze für Doktorand:innen zur Verfügung gestellt werden. Durch einen Umzug in den Faulen Pelz wäre auch die Forschungsstelle Antiziganismus in direkter Nähe zum Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma. Attraktiv sei zudem die Möglichkeit, die Innenhöfe des ehemaligen Gefängnisses zu begrünen und für die gesamte Bevölkerung der Stadt zu öffnen. Für die universitäre Nutzung sei „die zusätzliche Fläche in der Altstadt unverzichtbar und ohne Alternative“, so Rektor Bernhard Eitel.
Auch wenn nicht die Stadt Heidelberg Eigentümerin des Geländes ist, sondern das Land Baden-Württemberg, müssen Bebauungs- oder Umbauanträge durch die Baurechtsbehörde der Stadt genehmigt werden. Seit der Ankündigung Luchas im Oktober 2021 will die Stadt nun die ursprünglich geplante Nutzung durch die Universität offiziell absichern. Im Dezember 2021 gab der Gemeinderat den Auftrag für einen konkreten Bebauungsplan, der die zulässige Nutzung der verschiedenen Bereiche auf dem Gelände festschreibt.
Dennoch führte das Land die Planung der Plätze für den Maßregelvollzug im Faulen Pelz fort und legte der Stadt im April 2022 den entsprechenden Bauantrag vor. Die Stadtverwaltung weigerte sich jedoch, diesen zu überprüfen, da bereits der Antrag zur universitären Nutzung begutachtet würde. In diesem Fall ermöglicht es das Planungsrecht der Stadt, das Prüfen des später eingereichten Bauantrags für ein Jahr zurückzustellen – bevor der erste Plan nicht geprüft worden ist, muss über den zweiten also nicht entschieden werden. Darauf griff die Stadt in diesem Fall zurück: Am 2. Juli beschloss der Gemeinderat einstimmig die Vertagung des Antrags. Daraufhin involvierte das Sozialministerium jedoch das Regierungspräsidium, das als Mittelbehörde zwischen Land und Kommune fungiert, und mit ihm Paragraph 37 des Baugesetzes, der eine Abweichungsentscheidung durch das Regierungspräsidium erlaubt. Dadurch ist die Stadt verpflichtet, den Antrag des Landes sofort zu bearbeiten, anstatt ihn um ein Jahr zu vertagen. Das Regierungspräsidium stimmte dem zu. Gegen diese Abweichungsentscheidung klagt die Stadt Heidelberg nun, denn sie sieht darin das öffentliche Interesse über ihre eigene Bauhoheit gestellt und das kommunale Planungs- und Selbstverwaltungsrecht verletzt.
Misstrauen in der Stadtverwaltung
Bevor das Sozialministerium den offiziellen Antrag stellte, hatten allerdings schon Baumaßnahmen für die Übergangsplätze des Maßregelvollzugs im Faulen Pelz stattgefunden. Da Baumaßnahmen in einem Kulturdenkmal wie dem Faulen Pelz genehmigungspflichtig sind, was in diesem Fall nicht eingehalten wurde, brach die Bauaufsichtsbehörde diese im Mai 2022 bei einem Kontrolltermin ab.
Dieses voreilige Handeln ist nicht der einzige Grund, der in der Stadtverwaltung für Misstrauen sorgt: Es wird befürchtet, dass es nicht bei einer befristeten Nutzung bleiben wird. Nach den bisherigen Beobachtungen werde es auch 2025 noch einen Unterbringungsmangel im Maßregelvollzug geben. Das Land will zudem rund elf Millionen Euro in den Ausbau des Faulen Pelzes investieren, was der Stadt für eine Übergangslösung unverhältnismäßig viel erscheint. Außerdem wird die Wiederholung einer Entwicklung des Jahres 2015 vermutet: Damals versprach das Land, das Ankunftszentrum für Flüchtlinge im Patrick-Henry-Village befristet einzurichten – auch daraus wurde eine dauerhafte Lösung.
Lucha versichert, dass es bei einer Übergangslösung bleiben werde. Nach Juni 2025 solle die Nutzung zu universitären Zwecken stattfinden wie geplant – mit Unterstützung des Sozialministeriums. Durch einen neuen Vertragsentwurf soll ein Kompromiss gefunden werden: „Jetzt ist es an der Zeit, dass beide Seiten klug und vorausschauend handeln“, so Lucha. Noch ist unklar, wie sich der Interessenskonflikt weiterentwickelt. Es sei eine verwaltungsrechtliche Herausforderung, so ein Pressesprecher der Stadt Heidelberg.
...studiert Germanistik im Kulturvergleich und Geschichte. Sie schreibt seit 2021 für den ruprecht. Mona berichtet gerne über Kultur, die Welt und alle möglichen Diskurse. Eigentlich über alles, was die Gesellschaft gerade bewegt - oder bewegen sollte.