Freitagmorgen und ein strahlend blauer Himmel. Während sanfter Kuschelrock einen Hochzeitsempfang untermalt, werden Tische aufgebaut und Getränke geliefert. Wir wollten uns eigentlich im umkämpften Büro des Oberbürgermeisters treffen. Kurzerhand entscheidet sich Eckart Würzner für einen Ausflug auf den Heidelberger Marktplatz. Solange die Freisitze der Cafés noch nicht aufgebaut sind, finden wir auf einer Bank Platz. Inmitten des Gespräches gelangen wir dann doch an einen etwas ruhigeren Ort und genehmigen uns ein Heißgetränk.
Herr Würzner, der Wahlkampf ist inzwischen voll im Gange. Wie ist die Stimmung?
Bisher ist es ein Wahlkampf, der durchaus sehr intensiv geführt wird. Viele der Kandidatinnen und Kandidaten sind schon seit vielen Jahren politisch unterwegs. Jetzt startete der Plakatwahlkampf. Der ist zum Glück nicht allzu lange, da er irgendwann ermüdet. Schließlich ist es schwer, die Spannung über eine so lange Zeit aufrechtzuerhalten, und es geht ja darum, eine hohe Wahlbeteiligung zu erreichen.
Die Wahlbeteiligung war vor acht Jahren nicht sonderlich hoch. Sie lag bei rund 20 Prozent.
Ja, die OB-Wahlbeteiligungen sind grundsätzlich nicht so hoch. Das letzte Mal war es so, dass ich eine breite Unterstützung von den Grünen bis zur FDP hatte. Die Gegenkandidaten hatten nicht so einen starken Rückhalt.
Nun mangelt es dieses Jahr nicht an Gegenkandidat:innen. Einige wurden gar nicht erst zu Podiumsdiskussionen eingeladen.
Ja, das ist ganz schwierig. Nun bin ich nicht derjenige, der das entscheiden kann. Es liegt natürlich beim Veranstalter, wen er einlädt. Aber grundsätzlich sollte jeder, der kandidiert, die gleichen Rechte haben. Jeder, der kandidiert, muss aufs Podium, um sich positionieren zu können.
Egal wer neben Ihnen auf dem Podium steht, Sie sind der langjährige Oberbürgermeister einer Studierendenstadt. Viel Zeit, um mit jungen Heidelberger:innen zu sprechen. Was beschäftigt sie?
Ich habe ja auch in Heidelberg studiert und kenne die Altstadt in- und auswendig. Ich muss ehrlich sein, wir waren früher länger und häufiger in der Altstadt. Wir sind in eine Kneipe gegangen, haben da zwei Bierchen getrunken, den ganzen Abend Doppelkopf gespielt und uns unterhalten. Das hat sich geändert. Viele junge Menschen vermitteln mir, dass sie heute eher Freiflächen suchen, wo sie sich aufhalten können. Das sind aber nicht nur die Älteren und Studierenden, sondern auch die Jüngeren. Die haben ein großes finanzielles Problem, in Kneipen und Diskotheken zu gehen. Gerade sie brauchen ergänzende Angebote.
Apropos öffentliche Freiflächen. Im letzten Jahr trat eine neue Regelung für die Neckarwiese in Kraft. Ab 23 Uhr ist der Betrieb von Musiklautsprechern und -instrumenten auf der Wiese verboten. 40 Jahre hat es ohne diese Regel geklappt. Der richtige Schritt?
Es ist immer die Frage, was man akzeptieren kann. Wir hatten in früheren Jahren nicht dieses Ausgehverhalten, nachts um ein Uhr noch mit einem riesigen Ghettoblaster Musik laufen zu lassen. Also haben wir gesagt: „Das akzeptieren wir nicht. Ihr könnt gerne sitzen bleiben, aber wenn solche Ghettoblaster eingesetzt werden, geht das zu weit.“ Das haben wir gemeinsam mit dem Jugendgemeinderat besprochen, es wird gut angenommen und ich glaube, damit kommt man gut klar.
Kommen Sie mit der aktuellen Sperrstundenregelung in der Altstadt gut klar?
Ich bin der Meinung, wir sollten es mit der Verlängerung der Öffnungszeiten nicht übertreiben. Die Fünf-Uhr-Regelung hielt ich für überzogen. Ich bin durchaus für eine Ausgehkultur in der Innenstadt. Leider schafft das immer auch Konflikte mit den Anwohnern, wobei ich die Regelung ein beziehungsweise vier Uhr für vertretbar halte.
Für nicht vertretbar halten viele die Durchschnittsmiete für ein WG-Zimmer in Heidelberg – circa 370 Euro. Wird die Durchschnittsmiete mit Ihnen als OB sinken?
Wir haben 45 000 Studenten in Heidelberg. Es wird ein erklärtes Ziel sein müssen, dass diese Wohnungen auch weiterhin subventioniert werden, um sie zu vertretbaren Preisen anzubieten. Je mehr Wohnungen wir im Eigentum haben, desto mehr können wir auch auf den Preis Einfluss nehmen. Mein Ziel ist es, dass sich diese Mietkonditionen nicht deutlich erhöhen.
Also Eindämmung und keine Senkung?
Die Senkung wird schwierig. Die größten Anteile für die Studierendenwohnungen werden vom Studierendenwerk vorgegeben. Da will ich nicht noch weitere Vorgaben machen. Ich bin froh, wenn es ein weiteres Engagement des Studierendenwerkes im Wohnungsbau gibt. Es gibt einen deutlichen Zuwachs an Studierenden, und mir ist es wichtig, dass möglichst viele in Heidelberg wohnen können. Sehr gut kann ich mir beispielsweise vorstellen, dass man auch auf dem Boxberg ein großes Studentenareal schafft. Das würde diesen Stadtteil sicher beleben. Das gilt natürlich auch für Patrick-Henry-Village. Beides kann man für Studierende erschließen, auch wenn das nicht ganz so beliebt ist wie die Altstadt oder Neuenheim.
Und wenn Sie sich die Heidelberger Mietpreise im Allgemeinen anschauen? Finden Sie, da muss noch viel geschehen?
Viel ist immer schnell gesagt. In attraktiven deutschen Städten wollen viele wohnen, und Heidelberg gehört nun mal zu diesen Städten. Allerdings ist Heidelberg eine der wenigen Städte, die durch massiven Neubau den Wegzug ins Umland stoppen konnte. Als wir vor 15 Jahren die Bahnstadt auf den Weg brachten, war die Sozialraumförderung des Bundes quasi nicht mehr existent. Später haben wir mit sechs Millionen Euro eine Sonderförderung in der Bahnstadt realisiert. In der Südstadt schufen wir 70 Prozent bezahlbare Wohnungen, und wir gründeten vor fünf Jahren ein Bündnis für bezahlbaren Wohnraum. Wir werden nicht nur Patrick-Henry-Village entwickeln, ich sehe auch große Potentiale mit Blick auf Boxberg, Emmertsgrund und den Pfaffengrund. Würde man die Gebäude dort aufstocken, wäre das ein großer Schritt. Das müssen wir noch konsequenter angehen, wobei ich ehrlich sein muss: Wir werden das Problem dadurch nicht komplett lösen können.
Heißt?
Heißt, dass wir bei der hohen Attraktivität, die wir haben, nicht Wohnraum für alle schaffen können, die hierherziehen wollen.
Nicht nur bezahlbares Wohnen, auch Klimaschutz macht für viele eine Stadt lebenswert. Spaziert man zum Heidelberger Schloss und schaut auf die Altstadt, sieht man aber nicht allzu viele Photovoltaikanlagen.
Man sieht keine. Das darf man ja auch nicht.
Wegen des Denkmalschutzes?
Ja. Wir haben lange dafür gekämpft, dass wir auch in einer historischen Stadt flächendeckend Photovoltaikanlagen installieren können. Nun bin ich sehr froh, dass wir seit vier Wochen einen neuen Erlass haben, der das ermöglicht. Es wird sicher auch Gebäude geben, auf denen wir das nicht machen. Das ist aber nicht das Problem, wenn man dafür auf vielen anderen passenden Flächen Photovoltaikanlagen installiert.
Laut Ihnen läuft beim Klimaschutz von Seiten der Stadt sehr vieles äußerst gut. Wann wird Heidelberg klimaneutral?
Ich kann garantieren, dass alle Einrichtungen, die die Stadt in direkter Verantwortung hat, bis 2030 mit Fernwärme vollkommen klimaneutral werden. Für andere Einrichtungen, wo wir nicht Eigentümer sind, kann ich das leider nicht garantieren. Da haben wir auch keine rechtliche Möglichkeiten. Die können wir nur motivieren, mit uns zusammenzuarbeiten und kräftig fördern. Das machen wir mit dem Klimaschutzarbeitskreis, unter anderem mit der Universität und vielen Unternehmen. Dort haben wir schon erreicht, dass viele auf erneuerbare Energien oder energieffizientere Anlagen umgestellt haben.
Zu einer klimafreundlichen und lebenswerten Stadt gehört auch der Fahrradverkehr. Eine Frage an Sie als begeisterten Radfahrer: Ist Heidelberg fahrradfreundlich?
Grundsätzlich hat der Fahrrad-Index gezeigt, dass wir noch nicht da sind, wo wir hinwollen. Ich wünsche mir eine Bewertungsnote Zwei. Wir sind jetzt noch bei einer Drei. Trotzdem haben wir schon einen sehr hohen Anteil an Fahrradfahrern. Wir haben das Radwegenetz ständig weiter ausgebaut: Von der Südstadt kommt man quasi kreuzungsfrei bis zur Bahnstadt. Zudem bauen wir eine Radbrücke über den Neckar in das Neuenheimer Feld und realisieren bis nächstes Jahr sechs Schnellradwege in das Heidelberger Umland. Nun müssen wir natürlich auch in der Innenstadt unser Radentwicklungskonzept weiter umsetzen.
Vielleicht fahren so viele Heidelberger:innen Fahrrad, weil sie schlichtweg Fahrradfahren wollen und nicht weil Heidelberg so fahrradfreundlich ist?
Das sehe ich ein bisschen anders. Ich glaube, wir haben schon eine hohe Attraktivität. Aber wir sind noch lange nicht da, wo beispielsweise holländische Städte oder Kopenhagen sind. In diese Richtung müssen wir uns entwickeln. Wir sind eine gebaute Stadt, und diese in eine fahrradfreundliche Stadt umzubauen, ist nicht so einfach. Die Plöck ist so ein Klassiker und wird immer ein schwieriger Straßenraum sein. Deswegen haben wir jetzt eine komplette Fahrradachse auf der Friedrich-Ebert-Anlage realisiert, die über den Adenauerplatz Richtung Bahnhof führt. Gleiches gilt für die Achse nach Süden auf den alten Bahntrassen, die sehr gut angenommen wird. Davon brauchen wir noch mehr.
Brauchen wir auch den Neckarufertunnel, eines Ihrer Steckenpferde? Zwischen Karlstor und Theodor-Heuss-Brücke soll die B37 in eine Tieflage gebracht werden. Preise im dreistelligen Millionenbereich kursieren. Wird das Geld an anderer Stelle nicht mehr gebraucht?
Man muss wissen, über was für Beträge wir reden. In die Entwicklung der Bahnstadt wurden über vier Milliarden Euro investiert. Eine Stadt muss auch in ihre Zukunftsfähigkeit investieren. Da bietet gerade ein Zentrum, das am Fluss liegt, ein enormes Potential. Köln und Düsseldorf haben es beispielsweise schon längst vorgemacht. Es handelt sich zudem nur um eine sehr kurze Strecke zwischen der Alten Brücke zur Theodor-Heuss-Brücke. Die finanzielle Größenordnung entspricht etwa der einer größeren Straßenbahnstrecke. Wir kriegen für dieses Projekt auch entsprechende Fördermittel. Wenn die Stadt hier allein für diese Tunnelprojekt 30 bis 40 Millionen investiert, zusätzlich zu den Zuschüssen, dann ist das Geld, was man im Haushalt etatisieren muss. Aus meiner Sicht über mehrere Jahre gut finanzierbar.
Zum Abschluss eine anspruchsvolle Frage: Herr Würzner, wenn Sie ein Heidelberger Stadtteil wären, welcher wären Sie?
Ich wohne leidenschaftlich gerne in Ziegelhausen. Würde aber auch gerne in Campbell wohnen.
Sie wären also gerne Campbell?
Ja.
Das Gespräch führte Aaron Löffler.
Aaron Löffler studiert Politikwissenschaft und Philosophie. Für den ruprecht schreibt er seit dem SoSe 2020. Dabei liegt sein thematischer Schwerpunkt vor allem auf dem politischen und philosophischen Zeitgeschehen - in Heidelberg und der Welt außenrum.