Heidelberg ist seit 1991 Partnerstadt von Simferopol. Die Großstadt mit über 330 000 Einwohner:innen liegt auf der Krim, die völkerrechtlich zur Ukraine gehört, aber seit 2014 von Russland besetzt ist. Seitdem ruhen die Beziehungen zwischen den Partnerstädten. Simferopol ist die Hauptstadt der Autonomen Republik Krim, einer Gebietseinheit innerhalb der Ukraine ähnlich einem deutschen Bundesland.
Hätte man sich nur bei offiziellen Heidelberger Stellen über die Partnerstadt informiert, hätte man das lange nicht geahnt. Noch Ende September gab die Stadt Heidelberg auf ihrer Website kein Land an, in dem Simferopol liege. Anders als bei den anderen Partnerstädten: Palo Alto gehöre zu den USA, las man auf heidelberg.de, Montpellier zu Frankreich, Cambridge zu Großbritannien – aber Simferopol liege „auf der Halbinsel Krim“.
Das ist kein Fehler. Bis vor einigen Wochen hieß es auf der Website, die Währung „auf der Halbinsel Krim“ sei der Rubel und die Amtssprache Russisch. Beides gilt nur in Russland, nicht in der Ukraine. Seit Beginn der russischen Besatzung 2014 kann man auf der Krim tatsächlich nur mit dem Rubel zahlen. Auch das ist völkerrechtswidrig, aber Heidelberg scheint das nicht so eng gesehen zu haben.
Seit einigen Wochen liest sich die Website deutlich kritischer gegenüber Russland. Simferopol wird zwar immer noch nicht als Teil der Ukraine benannt, aber die Beamt:innen schreiben nun von der „völkerrechtlichen Pflicht der Bundesrepublik Deutschland zur Nichtanerkennung der Annexion der Krim“. Entfernt wurde dagegen dieser Satz: „Bis heute kennzeichnet der Wunsch nach einem stabilen Weltfrieden die Partnerschaft mit Simferopol.“ Angaben zu Währung und Amtssprache fehlen nun ominöserweise ganz. Für die anderen Partnerstädte bestehen sie weiterhin. Auch wenn Heidelberg nicht mehr direkt suggeriert, die Krim sei ein Teil Russlands, scheut die Stadt doch davor zurück, sie als Teil der Ukraine zu bezeichnen.
Auf Nachfrage hält sich die Stadtverwaltung bedeckt. Sprecher Christian Beister nimmt zu keinem dieser Punkte direkt Stellung. Stattdessen verweist er auf eine Stellungnahme von Oberbürgermeister Eckart Würzner. Dieser hatte die russische Invasion der Ukraine am 25. Februar scharf verurteilt, also einen Tag nach deren Beginn. Würzner betonte darin auch, dass Heidelbergs politische Beziehungen zu Simferopol schon seit Beginn der Besatzung 2014 ruhten. Hilfe für die Menschen vor Ort leiste man aber nach wie vor.
„Diese klare Haltung“ zu Simferopol, so Beister, bringe die Stadt auf ihrer Website auch „eindeutig zum Ausdruck.“ Keinesfalls könne man darin eine Anerkennung russischer Ansprüche auf die Halbinsel erkennen. Doch weshalb die Änderungen? Der Internetauftritt zu den Städtepartnerschaften allgemein werde derzeit überarbeitet, „mit Verschlankung der Inhalte zur besseren Übersichtlichkeit“.
Tatsächlich haben sich die Beschreibungen von mindestens drei anderen Partnerstädten – Hangzhou, Montpellier und Palo Alto – überhaupt nicht geändert. Die Texte zu Simferopol sind in Wahrheit auch nicht kürzer als zuvor. Dafür sind sie deutlich kritischer gegenüber Russland. Die Städtepartnerschaft „vollzieht“ sich nicht mehr, liest man dort jetzt, sondern „vollzog“ sich bloß vor 2014. Ein ganzer Absatz über partnerschaftliche Aktivitäten wurde gelöscht. Neu ist dagegen ein Absatz über die Pflicht zur Nichtanerkennung der Annexion.
Statt die Darstellung zu kürzen, hat die Stadtverwaltung sie umgeschrieben, um sich von der russischen Linie zu entfernen. Es wirkt fast, als wäre die Stadt Heidelberg erst vor Kurzem im Jahr 2022 angekommen.
von Lukas Jung
Lukas Jung studiert Philosophie und Politikwissenschaft. Er schreibt seit SoSe 2018 für den ruprecht – vor allem über Wissenschaft, Investigatives und Stadtentwicklung. Seit SoSe 2019 leitet er das Ressort Wissenschaft. ruprecht-Urgestein.