In der Serie „Erklär’s mir, als wär’ ich fünf“ möchte der ruprecht wissenschaftliche Themen auf die einfachsten und wesentlichsten Dinge herunterbrechen. Wir möchten sowohl sachgerecht als auch kindgerecht schreiben.
Diese Ausgabe konzentrieren wir uns auf die Nobelpreisträger:innen dieses Jahres. Finden Fünfjährige so etwas tatsächlich interessant? Wer einige von ihnen kennt, kann das jetzt ausprobieren!
Seit 120 Jahren werden jedes Jahr Preise an besondere Menschen vergeben, die in verschiedenen Bereichen außergewöhnliche Leistungen gezeigt haben. Dieser Preis heißt Nobelpreis und ist für viele Menschen die beste Auszeichnung, die man überhaupt bekommen kann. Der Preis für Literatur, also für Bücher und Geschriebenes, ging dieses Jahr an eine Frau, die Annie Ernaux heißt und schon sehr alt ist, nämlich 82 Jahre. Sie ist eine französische Schriftstellerin und schreibt hauptsächlich über ihr eigenes Leben. Ihre Werke haben sehr viele Menschen berührt und im Leben weitergebracht. Darum hat sie den Preis bekommen.
Annie ist eine mutige Frau. Sie hat beispielsweise Erlebnisse aus ihrem Leben mit der ganzen Welt geteilt, die die meisten Menschen nicht mal mit ihren Freund:innen teilen würden. Viele Erfahrungen beziehen sich auf ihre Kindheit in Frankreich nach dem Zweiten Weltkrieg. Davon hast du bestimmt schon mal gehört. Vor ungefähr 80 Jahren gab es einen sehr schlimmen Krieg auf der Welt. Das Land Frankreich, in dem Annie aufgewachsen ist, war sehr stark zerstört, und die Bedingungen waren nicht so gut wie bei uns heute. Die Leute hatten oft nichts zu Essen und viele Städte waren zerstört. Viele Kinder hatten nicht so ein gemütliches Bett und so schöne Spielsachen wie du.
Leider haben die Menschen, die das alles erlebt haben, nicht so viel darüber gesprochen. Aber bei Annie Ernaux war das anders. Sie konnte das Schweigen brechen, das sich über die vielen Jahre aufgebaut hatte. Vielleicht kennst du das, wenn mal etwas richtig Doofes oder Trauriges passiert ist und es dir schwer fällt, das Anderen zu erzählen. So geht das auch den Menschen, die den Krieg erlebt haben.
Ernauxs Eltern haben, als sie noch klein war, sehr viel gearbeitet, sodass ihre Familie irgendwann nicht mehr arm war. Nur deswegen hatte Annie überhaupt die Chance, Schriftstellerin zu werden und all die Dinge zu erzählen, die die Welt hören musste.
Manche bezeichnen Annie Ernaux als eine Feministin, denn sie setzt sich für Frauen und ihre Rechte ein. Bis jetzt haben nur wenige Frauen den Nobelpreis erhalten. Nämlich nur um die sechs Prozent aller Preisträger:innen.
Früher, als Annie noch jünger war, wurden Frauen noch schlechter behandelt als heute. Männer haben Frauen schlimme Dinge angetan und wurden nicht bestraft. In ihren Büchern schreibt Annie auch von solchen Erlebnissen. Das ist wichtig, denn nur wenn man Dinge, die nicht gut laufen, benennt und darüber spricht, können sie besser werden.
Sie erklärt ihren Leser:innen auch Dinge über ihren eigenen Körper. Sie beschreibt oft genau wie sie an intimen Stellen aussieht. Zum Beispiel zwischen den Beinen und an ihren Brüsten. Auch das machen vor allem Frauen in der Regel nicht. Dabei ist es wichtig, darüber zu sprechen, dass die Körper unterschiedlicher Menschen auch unterschiedlich aussehen und sich über die Jahre verändern. Annie erzählt mit vielen Details, wie sie heute als alte Frau aussieht, aber auch, wie ihr Körper früher einmal aussah.
Da Annie Ernaux die Dinge ganz genau anspricht, wird sie in der Welt der Bücher bewundert. Wenn du ein wenig älter bist, kannst du bestimmt ein Buch von ihr lesen, denn man muss kein:e Wissenschaftler:in sein, um Annie zu verstehen.
...studiert Politikwissenschaften und Literaturwissenschaft und schreibt seit dem Wintersemester 2021/22 für den ruprecht. Nach langer Zeit in der Leitung widmet sie sich nun hauptsächlich Meinung, investigativen Recherchen und gesellschaftskritischen Themen.