Seasonal Affective Disorder ist eine depressive Störung, die in regelmäßig wiederkehrenden Episoden auftritt.
Die häufigste Form ist die sogenannte Winter Seasonal Affective Disorder, bei der die Symptome einer Depression in den Herbst- und Wintermonaten auftreten und mit Einsetzen des Frühlings abklingen. Als Ursache wird neben einem gestörten Biorhythmus durch mangelnden Lichteinfluss eine genetische Veranlagung für affektive Störungen genannt. Auch ein kurzes Allel an der Steuerungsregion des Serotonintransporters soll eine Rolle spielen.
Wer an der bekannteren unipolaren Depression leidet, schläft in der Regel meist weniger und verspürt weniger Appetit. Die häufigsten Symptome bei Seasonal Affective Disorder sind dagegen Hypersomnie (Tagesschläfrigkeit), ausgelöst durch einen gestörten Melatoninhaushalt, Hyperphagie (übermäßiges Hungergefühl) und Erschöpfung. SAD-Patient:innen nehmen ihre Symptome meist als schwach bis moderat wahr. Psychosen und suizidale Gedanken sind hingegen selten.
SAD-Patient:innen berichten darüber hinaus von einem Gefühl der Wertlosigkeit und Hoffnungslosigkeit, das es schwer macht, alltägliche Aufgaben zu erledigen. Psycholog:innen sehen hierin eine vom Körper selbst initiierte Bewältigungsstrategie. Dabei gibt es vielversprechende Behandlungsformen wie eine Lichttherapie sowie diverse Serotoninwiederaufnahmehemmer. Zwischen dem ersten Auftreten und der Diagnose vergehen bisher jedoch durchschnittlich zehn Jahre.
Vermehrtes Schlafbedürfnis oder ein gesteigerter Appetit müssen nicht an einer Depression liegen Sie können auch Veränderungen im Körper sein, die ganz natürlich mit den zyklischen Veränderungen der Umwelt einhergehen. Jedes Lebewesen hat einen saisonalen Anpassungsmechanismus. Bäume lassen im Herbst beispielsweise ihre Blätter fallen. Vögel fliegen in südliche Länder, bei Bären wächst dickeres Fell und bei vielen Tieren sinkt die Körpertemperatur, um zu kompensieren, dass es nur wenig Nahrung gibt.
Und welche Mechanismen hat der Mensch? Statt mit den natürlichen Veränderungen in der Natur mitzugehen, verbrauchen Menschen im kapitalistischen Zeitalter rigide ihre Energie darauf, Produktivitätsziele und Performativität auf der Arbeit konstant aufrechtzuerhalten. Manche Wissenschaftler:innen argumentieren zudem, dass westliche, koloniale Gesundheitssysteme sich eine solche Pathologisierung ausgedacht hätten.
Besonders die Pharmaindustrie profitiert hiervon, denn mittlerweile werden jegliche Methoden entwickelt, um dem entgegenzutreten, was unser Körper uns mitteilt, nämlich dass er Ruhe und Regeneration benötigt. Das kollektive Problem wird individualisiert. Die Wissenschaft lässt uns in dem reduktionistischen Glauben, unsere Probleme hätten ihren Ursprung im rein Biologischen. Unsere Erschöpfung wird kapitalisiert mit zahlreichen Produkten wie etwa Antidepressiva und Vitamin D, das kostet nicht nur Geld, sondern auch unsere Gesundheit.
von Jay Reiff & Vanessa Pham