Die nächste Weltklimakonferenz soll der CEO eines Erdölproduzenten leiten. Aktivist:innen haben damit ein Problem. Line Niedeggen von Fridays for Future erzählt
Zum ersten Mal seit zehn Jahren wird die internationale Klimakonferenz Conference of the Parties 2023 von den Vereinigten Arabischen Emiraten veranstaltet. Mitte Januar gab der Golfstaat bekannt, dass Sultan Al Jabar die COP 28 leiten wird. Al Jabar ist Minister für Technologie und Industrie und CEO von Abu Dhabi National Oil Company, dem größten Ölkonzern der Region. So kommt die COP direkt wieder in den Mediendiskurs, und das, obwohl die letzte COP erst zwei Monate her ist.
Seit nun 27 Jahren findet jährlich, mit Ausnahme von 2020, eine UN-Weltklimakonferenz statt. Diese Conference of the Parties (COP) ist auch letztes Jahr ein mediales Spektakel geworden. Dabei diente sie vielen verschiedenen Zwecken: der Inszenierung des Gastgeberlandes, dem jährlichen Streit über die Frage, ob gegen die stattfindende Klimakrise genügend unternommen wird, und auch, wie viel Einfluss Lobbyismus auf die Klimapolitik hat. Aber diente COP27 auch der Bekämpfung der Klimakrise? Und wo kommt die COP überhaupt her?
Mit der Ratifizierung des United Nations Framework Convention on Climate Change Anfang der 1990er Jahre wurde der politische Grundstein für internationale Zusammenarbeit im Kampf gegen den Klimawandel gelegt. Inzwischen zählt die UNFCCC 198 Vertragsstaaten, die auf jeder COP zusammenkommen, um Fortschritte bei der globalen Reduktion von Treibhausgasemissionen zu beurteilen.
Der erste Meilenstein wurde 1997 auf der dritten COP in Kyoto erreicht: Die Verabschiedung des Kyoto-Protokolls, das völkerrechtlich verbindliche Zielwerte für Treibhausgasemissionen von Industrieländern festschrieb. Durch Verlängerung um eine zweite Phase galt das Abkommen bis einschließlich 2020. Für die Zeit nach 2020 wurde 2015 auf der COP 21 das Pariser Abkommen verabschiedet, mit dem Ziel, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen – verglichen mit dem Niveau vor der Industrialisierung.
Solche völkerrechtlich verbindlichen Vereinbarungen sind ein großer Fortschritt. Dieser wird jedoch dadurch ausgebremst, dass einzelne Länder austreten können, wie etwa die USA 2017 unter Präsident Trump. Nur der Abschlusstext jeder COP muss einstimmig verabschiedet werden. In einem Fall scheiterten die Verhandlungen der COP daher und mussten ausgesetzt werden, im Jahr 2000 auf der COP 6 in Den Haag. Außerdem führt es dazu, dass die Abschlusstexte eher vage Aussagen und unpräzise Ziele enthalten.
Line Niedeggen hat an der Universität Heidelberg Physik studiert und die lokale Gruppe von Fridays for Future Heidelberg mit aufgebaut. Sie arbeitet daran, Sicherheitsstrukturen für internationale Aktivist:innen aufzubauen. Im Rahmen dieser Arbeit war sie in den letzten beiden Jahren bei der COP als Beobachterin dabei. Das Ziel von FFF auf der COP war nach eigenen Angaben, auch als Jugendbewegung Einfluss auf die Entscheidungen zu nehmen. Denn selbst, wenn dort nicht die essentiellen Entscheidungen getroffen wurden, so sind doch viele Politiker:innen vertreten.
Im Gespräch mit dem ruprecht beschrieb Niedeggen die dystopische Atmosphäre außerhalb des Konferenzgeländes und wie undurchsichtig die Gestaltung war. „Es gibt eine App, auf der die Agenda jedes Tages verfügbar sein sollte. Aber die wurde teilweise gar nicht aktualisiert oder es gab einfach keine Raumangaben.“ Außerdem betonte Niedeggen ihre Enttäuschung über die starke Überwachung durch die ägyptische Regierung. Zu den Verhandlungen hatten sie oder andere FFF-Vertreter:innen keinen Zugang, denn diese fanden im buchstäblichen Hinterzimmer statt.
Niedeggen vermutet, dass die Struktur der COP nicht wirklich für ihr offizielles Ziel ausgelegt ist. „Die Menschen, die die COP machen, haben kein Interesse an einer ernsthaften Bekämpfung der Klimakrise.“ Und so war auch die Gestaltung der COP wieder alles andere als klimafreundlich. Von der energieintensiven Infrastruktur über die Wegwerfbecher und das Wegwerfgeschirr bis zu den Anreisemöglichkeiten. Die Ernennung von Al Jabar sieht die Aktivistin skeptisch. „Die Klimakrise wird nicht von denjenigen gestoppt, die sie verursachen. Der Chef eines Ölkonzerns hat einen direkten Interessenkonflikt mit dem Pariser Klimaabkommen, und das ist allen Beteiligten bewusst. Anstatt eine Klimakonferenz zu leiten, sollte der Konzern ein neues Geschäftsmodell entwickeln, das nicht auf Ausbeutung beruht, und die Leitung an diejenigen abgeben, die den Kampf gegen die Klimakrise anführen.“
Doch auch Niedeggen hat ein paar positive Erinnerungen aus Scharm al-Scheich mitgenommen. „Der Anteil der Zivilgesellschaft war wirklich groß, und das Gemeinschaftsgefühl war überwältigend.“
Für die zukünftigen COPs wünscht sie sich, dass auch Jugendvertreter:innen einen Platz am Verhandlungstisch zugesprochen bekommen, so wie es bei der Biodiversitätskonferenz der Fall ist. Außerdem sieht sie einen großen Bedarf an einer Überarbeitung des Akkreditierungsprozesss für Lobbyisten:innen um die Ergänzung einer Klausel über Interessenkonflikte. FFF und andere Klimaaktivist:innen hätten noch viel zu lernen. „Die Lobbyist:innen von fossilen Energien sind bereits seit 1995 bei der COP dabei. Die wissen, wie der Hase läuft. Wir haben wenig Zeit, um noch viel zu lernen.“
In Sharm el-Sheikh hat man sich letztes Jahr darauf geeinigt, eine Finanzierungshilfe für vom Klimawandel besonders betroffene Länder aufzubauen. Allerdings ist die vollständige Finanzierung dieses sogenannten Verluste-und-Schäden-Fonts noch ungeklärt. Er sollte eigentlich von den reichen Ländern aus dem globalen Norden bezahlt werden, die historisch besonders viele Emissionen emittiert und damit verhältnismäßig viel mehr zur Klimakrise beigetragen haben.
Dennoch gab es Fortschritte. Das Kyoto-Protokoll konzentrierte sich vor allem auf Emissionsreduktion der Industrieländer, wohingegen der Verluste-und-Schäden-Font der letzten COP zeigt, dass Klimagerechtigkeit und historische Emissionen im Kampf gegen die globale Erderwärmung wichtig sind. Wie es dieses Jahr weitergeht, ist unklar. Ein großer Durchbruch erscheint aber schon aufgrund der Wahl des Öllobbyisten Al Jabar illusorisch.
von Zara Janda & Pauline Seubert
Zarah Janda studiert Molecular and Cellular Biology und ist seit dem Wintersemester 2020/21 beim ruprecht dabei. Am liebsten schreibt sie über Wissenschaft im Alltag.
...studiert Physik im Master und fotografiert seit Herbst 2019 für den ruprecht. Von Ausgabe 200 bis Ausgabe 208 leitete er das Online-Ressort, von Ausgabe 205 bis 210 die Bildredaktion.