Zwei Weltkriege, die Gründung der Europäischen Union, Euro- und Schuldenkrisen: Die Geschichte der beiden Nachbarländer hat Höhen und Tiefen erlebt und einige Staatsoberhäupter kommen und gehen sehen. Der Beziehungsstatus des deutsch-französischen Tandems: Es ist kompliziert.
Am 22. Januar jährte sich die Unterzeichnung des Élysée-Vertrags zum sechszigsten Mal. Als Ende einer Erbfeindschaft ging dieser in die Geschichte ein. Der Weg dorthin war lang und steinig. Frankreich gewinnt den Ersten Weltkrieg. Als 1940 Hitlers Truppen in Paris einrücken, ruft der französische General De Gaulle zur Résistance auf. Im Zusammenschluss mit den Alliierten gelingt es Paris, sich zu befreien. Die deutschen Truppen kapitulieren.
Achtzehn Jahre später kommt es zu einer Verabredung der besonderen Art: Konrad Adenauer ist bei De Gaulle zu Besuch. Es ist Freundschaft auf den ersten Blick. Gemeinsam legen sie den Grundstein für eine langjährige Beziehung. Im Januar 1963 bringen sie die deutsch-französische Freundschaft zu Papier. Zehn Jahre nach Vertragsschluss finden der deutsche Kanzler Helmut Schmidt und der französische Präsident Valéry Giscard d’Estaing zusammen. Gemeinsam rufen sie die G7, den Club der wichtigsten westlichen Industriestaaten, ins Leben.
Gerhard Schröder und Jacques Chirac bilden schließlich den Motor der Europäischen Union. Das Regierungspaar weiß, wie man das deutsch-französische Tandem fährt. Und sie treten ordentlich in die Pedale. Darauf folgen Angela Merkel und Nicolas Sarkozy. Sein lebhaftes Temperament und Merkels ruhigeres Gemüt sorgen für Spannungen. Als es hart auf hart kommt, halten sie zusammen: Das ungleiche Paar bringt die Europäische Union durch die Euro- und Staatsschuldenkrise. Auch mit dem 2012 gewählten François Hollande hat Merkel ihre Schwierigkeiten.
Die CDU-Vorsitzende und der Sozialist finden nur schwer ihr Gleichgewicht. Als Frankreich jedoch im Schrecken der Pariser Terroranschläge steht, zeigt Merkel ihr Mitgefühl. Mit Emmanuel Macron kommt ein überzeugter Europäer an die Macht. Mit seinem Elan prallt der Staatspräsident auf Merkels Nüchternheit. Doch sie stimmen sich miteinander ab. Mit dem Vertrag von Aachen unterzeichnen sie 2019 ein weiterführendes Abkommen, das die Kooperation ihrer Heimatländer vertiefen soll. Zwischen Olaf Scholz und Macron springt der Funke bisher nicht über. Nur schwer finden sie einen gemeinsamen Nenner. Wie in der Liebe bedeutet das vor allem eines: harte Arbeit.
von Carla Scheiff
...interessiert sich für Kultur und Politik und studierte deshalb Germanistik im Kulturvergleich und Politikwissenschaften. Seit 2021 schrieb sie für den ruprecht und leitete Seite 1-3. Am liebsten widmet sie sich gesellschaftspolitischen Themen und Fragen, die unsere Generation bewegt.